Autor Thema: Schwäbische Kunde  (Gelesen 771 mal)

gummibaum

Schwäbische Kunde
« am: Oktober 17, 2018, 00:26:33 »
Der Kreuzzug schleppt sich durch Gelände,
in dem nichts wächst als nur Gestein,
und Barbarossas Heerverbände
holt immer mehr der Hunger ein.

Als Schwert in eines Ritters Scheide
bin ich mehr durstig, doch das Blut
spritzt auch recht mäßig, und ich leide
im engen Futteral an Wut.

Mein Herr ist so ein braver Schwabe
und sucht fast nie von selbst den Streit,
er schont auch die behufte Habe,
sitzt ab und gibt ihr das Geleit.

So sind wir bald zurückgefallen,
und ich bin nicht beim Kampf dabei …
Da hör ich reitende Vasallen
und fünfzigstimmig Kampfgeschrei.

Wir sind vom Türkentrupp umzingelt.
Schon prallen auf des Ritters Schild
die Speere, dass es nur so klingelt,
und plötzlich wird ein Türke wild.

Er sprengt nach vorn, wir sind verloren.
Ich höre, wie sein Säbel pfeift,
als er, schnell durch die Luft gezogen,
nach unserm Schwabenleben greift.

Doch halt! Es zuckt in meiner Klinge,
als ich des Ritters Hand am Griff
verspüre, und mit Jauchzen springe
ich auf, und funkelnd trifft mein Schliff.

Das Türkenpferd verliert zwei Beine
und wirkt nun vorne ziemlich kurz,
der Türke rutscht von ganz alleine
zum Pferdekopf und glaubt an Sturz.

Doch nein! So formlos wird sein Ende,
wenn es durch mich kommt, keinesfalls.
Ich spalte ihn durch Kopf und Lende
und sause in den Pferdehals.

Zwei hübsche halbe Türken sinken
ganz untertänig tief herab,
die andern Moslems sehn mich trinken,
und wenden sich voll Grauen ab.

Sie sind noch nie so schnell geflohen,
und als die Kunde meiner Kunst
zum Kaiser dringt, schenkt er dem frohen
Herrn Ritter huldvoll seine Gunst.

So geht der Dank oft an uns Dingen
vorbei und schenkt den Menschen Sinn.
Und was wir treu und kühn erringen,
das rostet dann wie ich dahin…

(Nach Uhlands Ballade)
« Letzte Änderung: Oktober 29, 2018, 06:03:08 von gummibaum »

Sufnus

Re: Schwäbische Kunde
« Antwort #1 am: Oktober 19, 2018, 11:33:35 »
Mit Uhlands Gedichten konnte ich lange nichts anfangen. Seine Zeilen kamen mir mit ihren vielen Inversionen und ihren (auch für die damalige Zeit) altmodischen Wendungen, ihrer metrischen Enge, ihrer Reim-dich-oder-ich-fress-dich-Poetik und ihrem (scheinbaren!) Schwarz-Weiß-Denken unfreiwillig komisch vor und schlicht veraltet - und Letzteres in weit höherem Maße, als dies für die Gedichte vieler älterer Lyriker gilt.

Mittlerweile bin ich zwar nicht gerade in den Kreis der Bewunderer übergewechselt, sehe aber das durchaus Sperrige und Eigenständige vieler Gedichte Uhlands mit mehr Interesse. Die "Schwäbische Kunde" von Uhland ist ein gutes Beispiel für das, was ich "Sperrig" genannt habe - irgendwie fühlt sich diese reichlich martialisch-blutdürstige Türkenbattaglia nicht so recht "politisch korrekt" an (das ist in der Kunst aber fast eher etwas Positives als etwas Negatives!) und - da macht sie mir nach wie vor das Leben schwer - ich weiß nicht so recht, ob das unbestreitbar Urkomische von Uhlands Lyrik ("Zur Rechten sieht man, wie zur Linken, / Einen Halben Türken heruntersinken"  ;D ), von diesem auch wirklich so komisch gemeint war oder hier ein ganz unfreiwilliger Slapstick am Start ist. Uhland macht immer ein bisschen ratlos. Und das ist eigentlich nicht das Schlechteste, was man von einem Lyriker sagen kann.

Dieses schwer in den Griff zu bekommende Moment bei Uhland ist gut mit seiner Verwendung des Begriffs "Schwabenstreich" zu illustrieren (die Schlusspointe im Original, gemeint ist in Uhlands Gedicht der Schwertstreich des tapferen Recken). Zu Uhlands Zeit war (wie auch heute außerhalb vom "Ländle") mit dem Begriff Schwabenstreich eher eine Torheit gemeint (ganz ähnlich wie bei dem Begriff "Schildbürgerstreich"), was nun Uhland kühn umdeutet und ins Positive verkehrt. War das von ihm nun ernst gemeint? Satire? Man rätselt.

Übrigens stützt sich Uhland bei seinem Gedicht auf eine durchaus ältere Legende: Beim fast 150 Jahre älteren schwäbischen (zumindest von der Geburt her; man darf ihn heute wohl getrost auch als Wiener Poeten betrachten) Landsmann Abraham a Sancta Clara liest sich das so:

"Ruhmwürdig ist die Courage, welche jener teutsche Soldat gehabt, in dem Kriegs-Heer Barbaroßae; dieser tapffere Allemann und Schwab könnte wegen seines abgematten Pferdts der Armee nicht folgen, hatte also zimlich weit nach derselben seinen müde Schimel an dem Zaum geführt , ganz alleinig, deme aber fünzig starcke Türcken begegneten, vor welchen er sich allein ganz nicht entsezt, sondern mit einer Hand sein Roß gehalten, mit der andern also gefochten, und einen solchen Straich geführet, daß er einen Türcken vom Kopff hinab den ganzen Leib auch durch den Sattel biß auff die Haut deß Pferdts von einander zerspalten, ob welchen die andere der Gestalten erschrocken, daß sie eylends die Flucht genommen: Dergleichen tapffere Courage gebühren einem rechtschaffenen Soldaten."

Aber wie das nun auch mit Uhland sei: gummibaums sehr runde Adaptation der Sage in der schönen Tradition älterer Poeten liest sich für mich eindeutig humoristisch und macht wirklich großen Spaß! :)

gummibaum

Re: Schwäbische Kunde
« Antwort #2 am: Oktober 20, 2018, 01:47:16 »
Danke, lieber Sufnus,
 
für die gründliche Auseinandersetzung mit Uhlands Ballade und das Zitat der von ihm genutzen Quelle. Romantisierung des MA, volkstümlicher Stil, Patriotismus und eine regionale Beschränktheit des Blickwinkels sind auch epochentypisch. Aber die Türken sind auch in anderen Ländern und schon früher (z.B. bei Cervantes) stereotyp die Bösewichte.

Liebe Grüße
gummibaum

Erich Kykal

Re: Schwäbische Kunde
« Antwort #3 am: Oktober 27, 2018, 12:04:08 »
Hi Gum!

S6Z4 - "nach unserm" bitte.

Ein weiterer Klassiker mit verschobener Perspektive und hintersinniger Verschmitztheit! Da wird echt noch eine eigene Sammlung draus! Chapeau!

Sehr gern gelesen!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
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Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Schwäbische Kunde
« Antwort #4 am: Oktober 29, 2018, 06:05:32 »
Danke, lieber Erich, für deine Ermutigung. Ich freue mich.

Alles Liebe
gummibaum