Verehrtester Erich,
wirst du wohl die Kirche im Dorfe lassen. Es ist wahr: Anglizismen, das Lapidare wie aus dem Journalismusmilieu, Larifari sind meinem Herzen nicht genehm. Und was die Klage über Bildreichtum anbelangt, hast du dich doch soeben auch nicht mit Ruhm bekleckert.
"Nachvollziehen" wurde - sag ich en passant - von der Stalinismusschlange Ilka-Maria mal auf die Liste der schlechten Vokabeln gesetzt, es käme aus dem Bereich des Urheberrechts oder dergleichen. Der Zeitfaktor sollte uns eigentlich nicht im Vordergrund stehen.
Gebirge sind besser als Seen, über welche jemand wie im Rausche geht und ein kulturell ausgerichtetes Forum sollte einen Hauch des Gebirges durchaus nicht vermissen lassen.
Wo du haufenweise Gleichnisse und Bilder sehen möchtest, ist mir doch ein wenig schleierhaft.
Manche Dinge wollen mit Samthandschuhen angetastet werden, ich möchte nicht als zwangbeseelter Späher durch finstere Wälder schreiten.
Gerne schaffen wir Klarheit: so volle Kanne aus dem nackten Selbst in rauschhaftem Gefühl und in allzu ordinären und verbrauchten Worten seine Kunde zu machen - gewiss, ich degoutiere es ein wenig. Wo ist denn deine Würde, jenseits des Allzugewöhnlichen und Seichten zu stehen? möchte man fast keck erschallen. Verstehe mich nicht falsch: wie habe ich doch eine verschämte Seele! Obschon das bei den zwanzig Schwerperversen und dem Dasein in Schmerzensbädern wohl gar nicht angebracht sein müsste.
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Was sagte Lady Anneliese über die Seele einstmals: s i e sollte uns lehren, Verse zu schreiben.
Das klingt einigermaßen prägnant.
Ach ja, mein Leben ist auf gelinde oder auch nicht gelinde Weise so eine große Scheußlichkeit, vielleicht daher die Sehnsucht, die Inkohärenz aus Schaffenstrieb und Nihilismus auszusöhnen.
Wie uns doch immer wieder ein Dämon lockt, durch diese Spiralen der Daseinsfragen zu wandern.
Herrlich: "und wenn in tausend Jahren nichts mehr von dir übrig ist - du kannst es dann auch nicht mehr bedauern!"....
Wie war es denn schlussendlich mit deiner guten und so weisen Freundin?
So oft der kühle und agnostische Charakter....... so oft das Jenseits und die Romantik der besonderen Art......
"Das Sechste habe ich in meiner Jugend im Traum gelöst........"
Ja, so ging sie wohl - mit verklärter unvollkommener Gewissheit.....
Ach, von diesem demantvollen Auge, jeden Tag neu zu werten, jeden Tag neu geben, juvenil und losgelassen
und doch vollkommen irdisch mit greifenden und glühenden Händen: bin ich noch immer betört.
Du wirst doch ihr Herzenskindelein nicht auspeitschen wollen.
Nur selten warf sie mit Argumenten und anderen Giften um sich.
Sondern subtiler Scherz und verschiedene Bedeutungsebenen waren angesagt.
Blies ein Infantiler sich nur allzu sehr auf, kam gleich der Gott aus dem alten Testament: momentan fällt mir kein besseres Beispiel ein.
Paar Tage später war wiederum die Rede vom göttlichen Funken......
Wie dem Ganzen auch sei - Lady Annelieses Mystik bleibt fürtrefflich.
"Ein grimmer Gott befahl das Scheiden......"
Das Netz bleibt fest gespannt und undurchlässig, eine Dimension wird beschritten......
Hier hat man nicht akademischer Totschläger zu sein.
Schöne Abendgrüße
Professor Armstrong
(.... der seinem Rahmen bald entschreiten muss, um schlimme männliche Taten zu vollführen: ein sogenannter großer Augenblick des Lebens.....)
PS Ich werde gewarnt, es gäbe einen neuen Beitrag - welch süße Geste.
Ja, lasst uns hinausgleiten - nur der klaren Sternennacht entgegen!