Autor Thema: Gloria  (Gelesen 2320 mal)

Sufnus

Gloria
« am: M?RZ 05, 2020, 15:19:01 »
Gloria

Der Himmel, Gruft und Trost
für unser Menschenweh,
hat Engelschutz verlost:
Aktion Theodizee.

Im Quäl- und Sterbegrund
gehn Licht und Liebe aus?
Dann stell dich gottgesund
und mach dir nicht viel draus.

Das Schlachthausdasein stinkt,
Hosianna Elohim,
nur bis die Hoffnung winkt:
Ist alles halb so schlimm.



Erich Kykal

Re: Gloria
« Antwort #1 am: M?RZ 05, 2020, 23:34:21 »
Hi Suf!

Bei deinen Zeilen seh ich Priester auf beiden Seiten Waffen segnen, damit sie im Namen des Herrn des Herrn Schäfchen von der anderen Seite besser treffen mögen! Der logikfreie Un- bis Irrsinn von Religion wurde mir nie deutlicher vor Augen geführt ...  ::)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Gloria
« Antwort #2 am: M?RZ 06, 2020, 17:01:18 »
Hi eKy!
Vielen Dank für den Kommentar und Deine Deutung, die sehr schön passt! :) Ich hatte ein weniger konkretes Szenario im Sinn - aber ich mag Deinen Interpretationszugang! :)
LG!
S.

AlteLyrikerin

Re: Gloria
« Antwort #3 am: Mai 27, 2020, 14:07:39 »
Ja, wirklich gut gemacht. Es wird das Ideologische, Fundamentalistische und Machthörige, das es in allen Religionen gab bzw. gibt, zu Recht angeprangert.
Ich melde mich nun nicht nur mit Begeisterung über die gelungene Anklage, sondern auch mit dem leisen Einwand, dass Religion auch etwas ganz anderes, den Menschen durch Abgründe tragendes sein kann, das geradezu dabei hilft sich nicht von falschen "Propheten" instrumentalisieren zu lassen.

Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.

Sufnus

Re: Gloria
« Antwort #4 am: Mai 27, 2020, 15:01:34 »
:) Tja, liebe AL :) ... ich hab durchaus schon mitbekommen, dass Du Deine Freiheit als Mensch durch und nicht von Gott gewinnst, dass Du also tatsächlich genau in der Gegenbewegung zu meiner Freiheit unterwegs bist (bzw. meine Freiheit ist natürlich historisch betrachtet, die Gegenbewegung zu Deiner... na... wie auch immer... ;) )

Auf alle Fälle ist, wenn man so auf zwei Seiten des existentiellen Abgrundes steht wie wir beide, die Gefahr von wechselseitigen Verletzungen (oder: Irritationen) nie so ganz von der Hand zu weisen.

Ich bin aber gegenüber der Religiosität von Mitmenschen äußerst positiv eingestellt, so lange diese mich weder missionieren wollen, noch durch Bemitleidung in meiner Auf-mich-selbst-Zurückgeworfenheit ;) denunzieren. Umgekehrt gehört sich natürlich auch ein respektvoller Umgang meinerseits im Verhältnis zum religiösen Mitmenschen.

Im Hinblick auf die Idee (oder Ganzheit oder Fülle) der Religion an sich erlaube ich mir aber durchaus Respektlosigkeit, wie man meinem polemischen Gedicht "Gloria" anmerken kann und noch einigen anderen Gedichten in der Preislage, die hier eingestellt sind. Was ich nicht machen würde (außer in schwachen Momenten und dann hätte ich mich dafür auch im Nachgang zu entschuldigen!), wäre den religiösen Menschen an den Pranger zu stellen. Jesus ist dabei natürlich ein Grenzfall... da wäre ich gut-trinitarisch unterwegs, indem ich die Wesenseinheit Gott-Sohnes mit dem Göttlichen meinem Spott aussetze, nicht aber seine Natur als leidender Mensch.

Für mich geht es daher auch völlig ok, wenn ein religiöser Mensch die Idee des Atheismus aufs Korn nimmt. Das ist für mich absolut legitim. Wenn aber ein Atheist verspottet würde, wäre das für mich nicht ok.

Ich hoffe, diese Ausführungen helfen Dir, meine Spottverse auf Gott (aber nicht den Menschen) und die Religion (aber nicht den religiösen Menschen) einzuordnen. Natürlich sind meine Sottisen im Kern nicht auf den Kampf mit dem Göttlichen ausgerichtet, wie weiland Jakobs Ringen mit dem Engel, denn was sollte ich mit einem Segen anfangen? Mein Spott ist ein Aufruf zum allseitigen und gemeinsamen (!) Werk einer besseren Hiesigkeit unter Ausklammerung dessen, was (oder was nicht) danach kommt. :) Ich bin ein freundlicher Spötter. :) Bin ich gleichwohl der Sünde wider den heiligen Geist schuldig? Theologen könnten sich darüber wohl streiten... bei Gott... ich weiß es nicht...

LG!

S.
« Letzte Änderung: Mai 27, 2020, 15:23:24 von Sufnus »

Eisenvorhang

  • Gast
Re: Gloria
« Antwort #5 am: Mai 27, 2020, 15:19:49 »
Ich würde ja gerne was dazu sagen, aber die Begriffe, die darin vorkommen sagen mir nix.  ;D

Trotzdem, ich sage mal chapeau! Meine E-Gitarre ist heute gekommen, ich habe zu tun.

vlg

EV

AlteLyrikerin

Re: Gloria
« Antwort #6 am: Mai 27, 2020, 16:18:31 »
Lieber Sufnus,

in dieser Position
Zitat
Ich bin aber gegenüber der Religiosität von Mitmenschen äußerst positiv eingestellt, so lange diese mich weder missionieren wollen, noch durch Bemitleidung in meiner Auf-mich-selbst-Zurückgeworfenheit  denunzieren. Umgekehrt gehört sich natürlich auch ein respektvoller Umgang meinerseits im Verhältnis zum religiösen Mitmenschen.
können wir uns sehr gerne treffen. Mich stört auch die ungeheure Hybris von Menschen, die meinen die Abstinenz ihrer Mitmenschen von Religion als Defizit betrachten zu müssen.
Mein Mann ist ganz und gar Atheist. Da lerne und übe ich jeden Tag, was Toleranz wirklich ist.

Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.

Sufnus

Re: Gloria
« Antwort #7 am: Mai 27, 2020, 18:01:22 »
@EV
Hau in die Saiten... sehr cool! :)
Und was die abgehobenen Begriffe angeht... meintest Du die im Gedicht oder die in meinem Kommentar? Eigentlich lässt sich das meiste sehr gut "übersetzen", es braucht dann nur mehr Wörter, um das gleiche auszudrücken... ;)
@AL
Das freut mich! :) Ich muss sagen, ich bin der christlichen Theologie intellektuell total verfallen... und die Bibel ist auf Platz 2 der Bücher für die einsame Insel... ich kann nur nicht dran glauben... :) Aber ich bewundere Menschen, die für den Glauben offen sind. :)

AlteLyrikerin

Re: Gloria
« Antwort #8 am: Mai 28, 2020, 12:16:41 »
Hi Sufnus,

Zitat
Zitat von Sufnus: die Bibel ist auf Platz 2 der Bücher für die einsame Insel... ich kann nur nicht dran glauben.

Ja, das kenne ich. Mein Mann sagte einmal vor langem zu mir "Du lebst in der schöneren Geschichte. Ich kann halt leider nicht daran glauben."
Glauben ist für mich nicht ein "für wahr halten gegen jede Vernunft", sondern ein Vertrauen. So wie ein verliebter Mensch sich auch ohne alle Garantien darauf einlassen muss (oder nicht) mit dem/der Geliebten Gemeinschaft zu wagen.

Liebe Grüße, AlteLyrikerin.

Seeräuber-Jenny

Re: Gloria
« Antwort #9 am: Juni 18, 2020, 03:49:10 »
Hallo Sufnus,

Gott? Kein Gott?  Lieber Gott? Gemeiner Gott? Wer kann das schon wissen.

Ich könnte es mir so vorstellen: Gott hat diese schöne Welt erschaffen, die damals noch kein Jammertal war. Nachdem sein Werk getan war, ließ er der Natur ihren Lauf. Da hier noch die Menschen das Sagen haben, liegt es in unserer Hand, was wir aus der Erde machen. Ein Paradies oder ein Jammertal. Gehen wir nicht sorgsam damit um, dann stürzt der Turm ein, ganz ohne Zutun eines Gottes. Ich denke, wenn sich jemand „gottgesund“ verhalten würde, würde er sich sehr wohl was draus machen, was um ihn herum geschieht, und sein Bestes tun.

Statt „und mach dir nicht viel draus“ würde ich vorschlagen „und mach dir nichts daraus“. Das klingt gleichgültiger.

Die letzte Strophe habe ich erst nicht verstanden. Das liegt daran, dass nach „nur“ das Komma fehlt, und daran, dass du die Umgangssprache gewählt hast. Weil in der letzten Zeile steht „Ist alles halb so schlimm“, kam ich ins Grübeln, ob diese Zeile vielleicht noch zum vorhergehenden Satz gehört. Ich würde das Subjekt dazu nehmen.

Das Schlachthausdasein stinkt,
Hosianna Elohim,
nur, bis die Hoffnung winkt.
Das ist doch halb so schlimm/Dann ist es halb so schlimm.

Lieben Gruß
Seeräuber-Jenny
« Letzte Änderung: Juni 18, 2020, 14:56:48 von Seeräuber-Jenny »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

Sufnus

Re: Gloria
« Antwort #10 am: Juni 18, 2020, 15:48:12 »
Hi Jen! :)
Danke für Deine Kommentare! Ich werd mir die Zeilen bei Gelegenheit nochmal vornehmen inklusive Deiner Vorschläge... da gibt es vielleicht wirklich noch ein bisschen Bedarf, den Gedankengang etwas nachzuschärfen. :)
Mit welcher persönlichen Theologie man nun diesen Versen gegenüber tritt, ist natürlich entscheidend für die Deutung derselben... da würde ich gar keine Vorgaben machen wollen.
Weiter unten habe ich angedeutet, dass ich das Gedicht für mich persönlich schon als einen Vorwurf an die Gottes-Idee "an sich" verstehe, und wie weiland Hiob (ohne dessen Schmerz auf den Schultern tragen zu müssen) den HERRN zur Rede stelle.
Die Polemik meiner Zeilen kann aber mit guten Gründen (AL hat das angedeutet) auch "nur" im Hinblick auf bestimmte bequeme Haltungen innerhalb religiöser Vorstellungen verstanden werden, also nicht als Kritik an der Gottes-Idee per se sondern als Kritik an bestimmten Haltungen des Bodenpersonals.
Ich habe das wohlgemerkt nicht unbedingt mit dieser Intention geschrieben, finde aber eine solche Deutung absolut statthaft und auch durchaus konstruktiv. :)
LG!
S.

Erich Kykal

Re: Gloria
« Antwort #11 am: Juni 21, 2020, 13:04:53 »
Hi Suf!

So deutet eben ein jeder nach seinem persönlichen ideologischen Background. Ich sehe den Text übrigens nicht als humorige "Eulenspiegelei", wie die Rubrik betont, unter der du ihn publiziert hast, sondern als durchaus ernstzunehmendes Statement, auch wenn es sich - wie bereits analysiert - inhaltlich nicht so richtig festlegt.

Ich fühle mich von Religionen und blindlings Gläubigen allein schon durch deren Existenz als gebildete, logisch denkende und unabhängig sein wollende Person eher gedemütigt und beleidigt, sodass ich mich zuweilen schäme, mich gleich ihnen als Mensch bezeichnen zu müssen.
Bildungsferne, Dummheit oder die Verweigerung klarer Gedanken zugunsten einer dunstig nebulösen Geborgenheit - damit kann ich mich einfach nicht anfreunden, da versagt mir die Toleranz. Wir sollten als Art endlich geistig erwachsen und mündig werden und Götter, diese Weihnachtsmänner für Erwachsene, nicht mehr nötig haben!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

hans beislschmidt

Re: Gloria
« Antwort #12 am: Juni 22, 2020, 08:36:33 »
Hey Suf, ich stell mich mal gottgesund und sage, wir werden uns alle wiedersehen. Ein sehr tiefgründiges Werk. Gruß vom Hans
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)