Autor Thema: Frei nach Buridan  (Gelesen 1430 mal)

gummibaum

Frei nach Buridan
« am: April 09, 2020, 02:59:49 »
Zwei Frauen nahmen mich in ihre Mitte
und sprachen tief bewegt: „Ich liebe dich.“
In ihren Augen glänzte süß die Bitte:
„O Jüngling, liebst auch du, erwähle mich.“

Ich wandte mich beglückt zu beiden Seiten,
entdeckte aber stets die gleiche Frau.
Das Zwillingspaar glich sich in Einzelheiten
der ungetrübten Schönheit haargenau.

Ich konnte mich natürlich nicht entscheiden.
Mein Herz zerfranste sich in diesem Spiel.
Und wie im Schraubstock festgeklemmt von beiden
versteinerte ich langsam zum Fossil…


angeregt von Sufnus
« Letzte Änderung: April 09, 2020, 03:01:29 von gummibaum »

Martin Römer

  • Gast
Re: Frei nach Buridan
« Antwort #1 am: April 09, 2020, 04:15:18 »
Werter Freund der besonders klassisch erscheinenden Dichtung,

lass künden mich vom anmutigen Flair, den ich mir in den Nächten mit Spaziergängen, Gesöff, Leiden und Kunst zueigen mache!
Dank in die Runde für diese Körnchen Bildung.
Das Gleichnis ließe sich vielleicht mit "Pest und Cholera im Positiven" umschreiben.

Bei der Abwandlung zur schönen Liebe mag man von einem Jüngling sprechen,
während ich im Unheil von einer großen Männlichkeit ausgehen würde.
Denn sowas kommt ohne Feuerswut aus und es gibt keine Sicherheit, dass das Schicksal nicht einmal so hereinbricht.
Mit der grausamen Stille, dem Mut zu kleinen Schritten und zum Gang wider die wetterliche Ungunst.

Ich sehne mich noch immer in den zarten Stunden nach kostbaren Frauen - ein scheußliches Wort?
Viel Ominöses geschah mir, aber ohne Liebe - welcher Art auch immer - ist der Mensch kein Mensch.
Gemächlich werde ich wohl die Seele erlangt haben, die das Unwürdige mit leichtem Schritt perhorresziert.
Wo sich die Herzensschwestern zu festlichem Glanz und zur sternenklaren Nacht begegnen,
brauchen wir solche Konflikte im niederträchtigen Erdenwald nicht zu fürchten.

Ich hab auch schon mal von zwei Schönheiten im Bett geträumt.....
(Da wär dann aber auch die Grenze, ansonsten zuviel Getümmel!)
Auch du bist über die Narretei der beiden Hübschen gewiss erhaben
und so darf ich noch die besondere Fähigkeit konstatieren, es artifiziell "trotzdem" niederzuschreiben.


Vollmondgrüße
M.

Erich Kykal

Re: Frei nach Buridan
« Antwort #2 am: April 09, 2020, 10:57:48 »
Hi Gum!

Aha - geht du nun die von Sufnus genannten Beispiele der Reihe nach durch? Sehr interessant!

Auch dies ein philosophisches Gleichnis, das allerdings mit der Realität unter Zwillingen nichts zu tun hat. Diese mögen sich  - so eineiig - äußerlich bewusst angleichen, zumindest in jungen Jahren, aber das ist nicht die Regel - viele betonen durchaus gern ihre Unterschiede, um sich voneinander anzuheben und zu -grenzen.
Und selbst bei den äußerlich Identischen ist es so, dass die Charaktere durchaus unterschiedlich sind: Einer ist immer der Dominante, selbstbewusstere. Auch von Interessen und Talentlage können sie sich gravierend unterscheiden.

Also ist offensichtlich, dass der Jüngling im Gleichnis die Mädchen nicht wirklich kennt und sich seinen Partner nur aufgrund äußerer Merkmale auszuwählen versucht. Sehr oberflächlich - das hat nichts mit Liebe zu tun, es sei denn, man bezeichnet puren Sex auch so ...  ;) >:D
Also noch so ein armseliger egomanischer Testosteronkrüppel, der bitter enttäuschen wird, wen immer er auch letztendlich erwählt.

Im Falle, dass auch die Mädels nur auf ein interessantes Abenteuer aus sind, empfehle ich hier einen flotten Dreier!  >:D 8) ;D

Sehr gern gelesen!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Frei nach Buridan
« Antwort #3 am: April 09, 2020, 13:28:14 »
Danke, lieber Martin und lieber Erich,

für so hochfliegende Gedanken. .

Herzliche Grüße
gummibaum 

Sufnus

Re: Frei nach Buridan
« Antwort #4 am: April 19, 2020, 15:05:33 »
[Vorspann]
Ihr Lieben,
kränklichkeitsbedingt (nein kein Covid...  ;) ), war ich ein paar Tage leider absent... und jetzt streikt auch noch mein Rechner teilweise... der wird sich doch kein Virus eingefangen haben?!  ;D
Wie dem auch sei - entschuldigt bitte, mein temporäres Rarsein, das hiermit beendet ist!
[/Vorspann]

Und Dir lieber gum, darf ich erst einmal sagen, dass Du mir eine der größten Freuden seit langem gemacht hast und mich mit wirklich großem Stolz erfüllst, weil ich Dir einen bescheidenen Steigbügel für Ausritte auf dem wilden Pegasus leihen durfte. Du hast meine dürren philosophischen Stichworte, mit denen ich selbst wenig genug  anzufangen gewusst hätte, in welthaltige Worte gekleidet und Texte verfasst, die "nach Mensch schmecken"... gehalten in Deinem ganz eigenen, unverwechselbaren Stil einer verschmitzten Melancholie... ich bin ganz begeistert!!! :)


 

Agneta

  • Gast
Re: Frei nach Buridan
« Antwort #5 am: April 20, 2020, 11:41:11 »
Männer haben manchmal Probleme...GGG von Agneta

gummibaum

Re: Frei nach Buridan
« Antwort #6 am: April 22, 2020, 19:21:57 »
Danke, Sufnus und Agneta. Männer werden eben nicht durch Heuhaufen zum Esel.

LG g

Eisenvorhang

  • Gast
Re: Frei nach Buridan
« Antwort #7 am: April 24, 2020, 18:03:29 »
Hi gummibaum,

interessant ist ja auch, dass unsere freie Marktwirtschaft von dem Prinzip profitiert, in dem es die Konsumenten vor einer schieren Auswahl stellt und fleißig Suggestivmarketing betreibt.
So generiert man Unzufriedenheit und Nachfrage!

Hätte man nur ein Herz ohne Verstand, so fiele die ein oder andere Entscheidung leichter, da wird aber zusätzlich noch einen Verstand haben, der oft nicht denselben Weg wie das Herz geht, ist das Spiel der Entscheidungen, um einiges schwieriger!

Sehr schön geschrieben, wie immer!

vlg

EV