Hi eKy!
Nur nochmal zur zeitlichen Einordnung: Du schreibst von moderner Hirnwixerei, dabei hätte sich (rein rechnerisch) schon ein aufgeschlossener Urururgroßvater von Dir über das literarische Treiben "der jungen Leute" amüsiert zeigen können und z. B. an Dichter wie Peter Hille (1854-1904), Paul Scheerbart (1863-1915), Max Dauthendey (1867-1918), August Stramm (1874-1915) oder Arno Holz (1863-1929) gedacht. Deren lyrische Werke würden wohl großenteils vor Deinem Auge keinerlei Gnade finden und als "moderne Spinnerei" abgetan werden.
Das ist natürlich Dein persönlicher Privatgeschmack, wozu Du jedes gute Recht hast. Deine Pöbeleien gegen moderne Lyrik sind dennoch in der Form nicht besonders angenehm und in ihrer Konsequenz etwas bestürzend, schneidest Du Dich dadurch doch von einem Gutteil literarischer Inspiration völlig ab... ja, ja... Du wirst verkünden, dass Du auf derartige "Inspiration" sehr gerne verzichtest und Dir das Geschmiere von elenden Nichtskönnern wie (kein Anspruch auf Vollständigkeit) Karl Krolow, Marie Luise Kaschnitz, Paul Celan, Ernst Meister, Nelly Sachs, Ilse Aichinger, Ernst Jandl, Günter Grass, H.C. Artmann, Sarah Kirsch, Hans Magnus Enzensberger, Elke Erb, Thomas Kling, Bert Papenfuß-Gorek, Durs Grünbein, Jan Wagner, Monika Rinck, Marcel Beyer (ich lass aktuelle "junge Leute" mal ganz bewusst weg) mit Rücksicht auf Deinen Blutdruck lieber ersparst.
Nunja... des Menschen Wille ist sein Himmelreich, ich bin der erste der das unterschreibt. Ich gebe aber zu Bedenken, dass ein (gerne vorsichtiges) Sich-Aussetzen gegenüber modernen und postmodernen Tönen auch für denjenigen anregend sein kann, der sich des Endreims, traditioneller Formen und einer metrisch gebundenen Sprache bedient. Es gibt genügend postmoderne Dichter, die eher aus dem tradierten Fundus schöpften und schöpfen, aber - weil sie die Moderne wenigstens zur Kenntnis nehmen - nicht schreiben, als wären sie im 19. Jahrhundert geboren.
Man denke an so unterschiedliche (dem Endreim und metrischer Sprache mehr als nur aufgeschlossene) Dichter wie Peter Hacks, Robert Gernhardt, Peter Rühmkorf, Peter Maiwald, Günter Kunert, Franz Josef Czernin, Klaus Modick ("säuische Sonette") oder Matthias Politycki.
Dieser Gegensatz von grottiger (post-)moderner Lyrik und erhebender Lyrik aus dem 19. oder frühen 20. Jahrhundert, einer guten alten Zeit, bevor alles den Bach runtergegangen ist, schafft zwar ein wunderbar einfaches, digitales Schwarz-Weiß-Weltbild, aber künstlerisch führt das in die Sackgasse.
Nochmal: Man muss nicht auf Sonett und Reim und Jambus verzichten, um "modern" zu schreiben, siehe obige Beispiele, aber man sollte die Sprachakrobaten und, ja, auch die Sprachzertrümmerer des Impressionismus, des Expressionismus und der klassischen Moderne wenigstens zur Kenntnis nehmen... und dann sehr gerne seinen eigenen Weg gehen.... Amen
LG!
S.