Autor Thema: Entscheidung  (Gelesen 2899 mal)

Seeräuber-Jenny

Entscheidung
« am: August 04, 2020, 20:06:46 »
Unsere Herzen klopfen
im Takt.
Du hübsches Kind,
wie schön wir sind
ganz nackt.
Gelöst, erlöst,
ganz aufgelöst.

Ein Wermutstropfen:
deine Frau.
Du lebst mit ihr,
ich lebe hier,
und schau:
Du hast sie angelogen,
wir haben sie betrogen.

Heimliche Geliebte
will ich nicht sein.
Das brächte Streit
und großes Leid
und wär gemein
für sie, für dich
und auch für mich.
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

Erich Kykal

Re: Entscheidung
« Antwort #1 am: August 04, 2020, 21:52:48 »
Hi Jen!

Ach ja, tabuisierende Moral, kulturelle Prägung, soziale Regulative - welche Chance hat da die Aufrichtigkeit eines Gefühls?

Wir leiden, weil wir Menschen alles "besitzen" müssen, und das mit einer an Manie grenzenden Ausschließlichkeit - und einander können wir schon gar nicht teilen!

Selbstbestätigende Kontrollsucht und Verlustängste verhindern freies Denken und freie Gesellschaft. Wird noch lang dauern, bis wir wirklich verinnerlicht haben, dass wir keine exkludierenden Besitz- und Nutzungsansprüche aneinander haben sollten!

Sind wir keiner Liebe fähig, die nicht besitzen will?

Gern gelesen!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Agneta

  • Gast
Re: Entscheidung
« Antwort #2 am: August 15, 2020, 19:35:03 »
ich denke, liebne Jenny, mit 62 darf ich sagen, dass ich mich zwar immer an die Monogamie hielt, weil ich so erzogen bin, aber wirklich denke, dass der Mensch nicht für Monogamie taugt. Deshalb gehen auch so viele Ehen kaputt. Irgendwann ist eben Ende. Der Mensch stammt vom Affen ab.
Ich würde auch nicht Geliebte sein wollen, jedenfalls nicht für lange...  ^-^ LG von Agneta

Eisenvorhang

  • Gast
Re: Entscheidung
« Antwort #3 am: August 16, 2020, 23:07:03 »
ich denke, liebne Jenny, mit 62 darf ich sagen, dass ich mich zwar immer an die Monogamie hielt, weil ich so erzogen bin, aber wirklich denke, dass der Mensch nicht für Monogamie taugt. Deshalb gehen auch so viele Ehen kaputt. Irgendwann ist eben Ende. Der Mensch stammt vom Affen ab.
Ich würde auch nicht Geliebte sein wollen, jedenfalls nicht für lange...  ^-^ LG von Agneta

Ich sehe das mittlerweile auch so, Agneta.
Das deutsche Wort "Lebensabschnittsgefährten" trifft es wohl ganz gut.
Jeder, der heiratet hat auf jeden Fall Eier.

Seeräuber-Jenny

Re: Entscheidung
« Antwort #4 am: August 19, 2020, 02:00:27 »
Hi Erich,

ich stamme aus einer Generation, die aufgeklärt war, freie Liebe praktizierte und offene Beziehungen zu leben versuchte. Es fällt mir schwer zu verstehen, dass jemand, der diese Vorzüge kennen gelernt hat, dieses Ideal über Bord wirft und sich wider besseres Wissen in den Hafen einer monogamen Beziehung begibt.

Sicher, beim Thema Sex hat sich in den letzten Jahrzehnten viel getan. Andererseits fand ein Rückschritt statt. Die Treue wird nach außen hin wieder hochgehalten, „Untreue“ gilt als Verrat an der trauten Beziehung.

Besitzen, sollte Liebe nicht eigentlich das Gegenteil sein? Sich dem Du zuzuwenden, sich zu verschenken, alles hinzugeben für eine Nacht voller Seligkeit… Aber das weckt vielleicht gerade die Gier nach dem Glück. Manche wollen es dann festhalten und wie ein Vögelchen in einen Käfig einsperren.

Lieben Gruß
Jenny

***

Liebe Agneta,

ich nehme auch an, dass der Mensch an sich kein monogames Wesen ist. In früheren Gesellschaften sollen die meisten Menschen polygam gelebt haben.

Es ist schön, eine Affäre zu haben, vor allem wenn man sich von früher sehr gut kennt und nach einer Weile wiedersieht und es ist als wäre es gestern gewesen. Dabei mitmachen, eine andere Frau zu belügen, finde ich als Feministin halt nicht in Ordnung. Mir wäre es lieber, wenn mit offenen Karten gespielt würde. Aber eigentlich geht mich das gar nichts an, oder? Ja, du hast recht, vielleicht nicht auf Dauer. Naja, wie gesagt, man kennt sich halt schon ewig. Wird vielleicht auch ewig so weitergehen.

Lieben Gruß
Jenny

***

Hallo Eisenvorhang,

bevor ich Single wurde, lebte ich mit Lebensabschnittsgefährten zusammen. Das fand ich ganz gut. Eine Ehe wäre nichts für mich gewesen.

Lieben Gruß
Jenny
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

Erich Kykal

Re: Entscheidung
« Antwort #5 am: August 19, 2020, 03:25:40 »
Hi Jen!

Meines historischen Wissens nach folgt, was Volksmoral betrifft, alles in Wellen aufeinander - lockeren, auf- und abgeklärten Epochen folgen immer wieder welche, die konservativ, enggeistig, "sittsam" einem strikten Moralkodex verpflichtet sind. Laut Chaostheotie können kleinste Auslöser einen Kaskadenverlauf generieren, der das ethische Empfinden einer Volksgemeinschaft innerhalb ener einzigen Generation umzukrempeln vermag.

Seit gut 20 Jahren verspüre ich - bei aller fröhlich propagierten oberfllächlichen Aufgeklärtheit und Toleranz - einen unterschwelligen Ruck zum rigid Konservativen in ganz Europa. Ob das eine instinktive Reaktion auf gefühlte oder reale Bedrohungen von außen oder innen ist, oder ein natürlicher Verlauf in der Wellenbewegung innerhalb der Gesellschaften, oder alles zusammen  - wer weiß ...

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
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Seeräuber-Jenny

Re: Entscheidung
« Antwort #6 am: August 19, 2020, 16:27:22 »
Hi Erich,

stimmt. Unsere Zeit wurde schon als das neue Biedermeier bezeichnet. Gleichzeitig geht man in Swingerclubs.

Spätrömische Dekadenz?

Es wird angenommen, dass jedes soziale Gebilde einem zwangsläufigen Entstehungs- und Verfallsprozess unterliegt. Wenn unsere Gesellschaft sich im Verfall befindet, bietet der Schoß der Familie natürlich Schutz. Da kann man es den Leuten nicht verdenken, dass sie ihre kleine heile Welt suchen. Und natürlich versuchen, ihren Besitz zu retten. Ja klar, und ihre Privilegien.

Nutzlos, sich auf konservative, gar nationale Werte zu besinnen, wenn eine Gesellschaft samt diesen Werten am Ende ist. Wo ein Ende ist, ist ein Neubeginn möglich.

Lieben Gruß
Jenny
« Letzte Änderung: August 19, 2020, 16:31:29 von Seeräuber-Jenny »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
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Carl Schurz

Erich Kykal

Re: Entscheidung
« Antwort #7 am: August 20, 2020, 00:28:15 »
Hi Jen!

Es kommt immer drauf an, was wie von der Allgemeinheit wahrgenommen wird.

In den Achtzigern gab es die "No Future - Generation", weil alle Angst vor dem Atomkrieg hatten. Dann brach die Sovietunion auseinander und das Problem verschwand praktisch aus dem Volksbewusstsein, und das, obwohl seit Jahrzehnten gewarnt wird, dass die Gefahr nach wie vor vorhanden ist und sich dank Zerfallswirren, Korruption oder destruktiven, schlampigen Regimen in den Nachfolgestaaten sogar vergrößert hat!

Heute sind es die sich anbahnende Klimakatatrophe sowie die absehbare Endlichkeit der Ressourcen, auf denen unser Wohlstand beruht und von dem er abhängig ist, der für eine Abkehr mit Schaudern vieler sorgt. Wenn dann auch noch Terror durch islamistische Fanatiker oder Neonazis dazukommt, Fremdenangst geschürt wird von verantwortungslosen machtgierigen Demagogen - bei allem, was derzeit so auf uns einstürzt, wundere ich mich eher, wie so viele überhaupt noch daran glauben können, dass das irgendwie alles gut ausgehen wird.

So wie ich die menschliche Natur in meinen über 50 Jahren kennengelernt habe und einschätze, ist die Chance dazu verschwindend gering. Vielen wird es ähnlich gehen - wen wundert also dieses "Neue Biedermeier" wirklich? Was mich ärgert ist nur, dass dies den politischen Idioten und sozial Verkümmerten wieder Raum gibt, sich destruktiv auszutoben, alles Erreichte in den Dreck zu ziehen und nach einer neuen "starken Hand" zu krakeelen, die sich ihrer Ängste und Begierden mit bewährt grausamer und herztoter Hand annimmt, damit sie sich nicht selbst die Finger schmutzig machen müssen an allem, was sie als Problem betrachten ...  ::) :o

LG, eKy
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AlteLyrikerin

Re: Entscheidung
« Antwort #8 am: August 22, 2020, 15:46:33 »
Liebe Seeräuber-Jenny,

mir gefallen Deine Verse auch. Wegen ihrer Schönheit und Ehrlichkeit. Was die hier geführte Diskussion angeht, so finde ich das Thema schon schwierig. "Freie Liebe", funktioniert das wirklich? Ich denke, die Monogamie ist nicht ausschließlich moralinsauer, gesellschaftlich verordnet. Zum Wohl der Kinder ist - zumindest eine Zeit lang - eine funktionierende Paarbeziehung sehr fruchtbar. Mein Eindruck ist auch, dass bis heute in den Liebesbeziehungen eine Sehnsucht mitschwingt eine Gemeinschaft für das ganze Leben zu beginnen, die bis zum Lebensende nicht nur den rauschhaften Eros teilt sondern auch den Alltag.
Als Entwicklerin war ich immer beim Kunden tätig, also viel auf Reisen. Immer, wenn ich zum Wochenende nach Hause fuhr, war es eine große Freude zu wissen, da erwartet mich jemand. Nebenbei - ich lebe mit meinem Mann seit 1972 zusammen. Über unser (auch mein Scheitern und schuldig werden) will ich hier nichts schreiben, wir sind ja nicht bei RTL. ;D Aber immer haben wir aus unseren Krisen gelernt. Eine Krise kann zum Scheitern einer Beziehung führen oder zu einer Erneuerung und Vertiefung. Warum Beziehungen scheitern, nun ja, das ist ein weites Feld und würde hier den Rahmen sprengen. Ich habe jedoch den Eindruck, dass Paare heute zu schnell aufgeben. Früher konnten, vor allem viele Frauen, nicht aufgeben, weil sie vom Partner abhängig waren. Heute können viele Frauen ökonomisch unabhängig leben. Also gilt häufig: weg zum nächsten Prinzen, wenn der alte nicht so gut funktioniert (etwas salopp gesagt). Dabei wird der eigene Anteil am Scheitern der Beziehung verdrängt, der dann zwangsläufig in die nächste Beziehung mitgenommen wird. (Dasselbe gilt selbstverständlich auch für den Fall des weglaufenden männlichen Parts.) Auch in monogamen Beziehung "besitzt" man den Partner nicht. Wer das nicht weiß und lebt, hat schon den ersten Grund zum Scheitern gelegt.
Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.

gummibaum

Re: Entscheidung
« Antwort #9 am: September 05, 2020, 01:02:04 »
Ja, liebe Jenny, so eine Liebe bringt mehr Verletzung als Erfüllung.

Sehr gern gelesen
LG g