Autor Thema: Hörst du das Schreien der Kinder  (Gelesen 909 mal)

Graf Hansula

Hörst du das Schreien der Kinder
« am: September 10, 2020, 11:13:08 »
Mit diesem Gedicht bin ich in der "Bibliothek deutschsprachiger Gedichte XXI" vertreten.
Ich freue mich über inhaltliche, konstruktive und anregende Kritik von euch!  :)

Hörst du das Schreien der Kinder


Hörst du das Schreien der Kinder ?
Eingeschlossen hinter schweren Mauern
Tränenvergossen, kleine Seelen die trauern

Hörst du das Schreien der Kinder ?
Klirrend Lauf in dunkelster Nacht
Umherirrend ein Strohfeuer des Leidens entfacht

Das bitterlichste Weinen der Kleinen
Die Seelenqual und Kummer vereinen
Denn sie haben Keinen, nackt liegen sie auf Steinen

Nackt sie auf Steinen liegen
In Einsamkeit und Verzweiflung sich wiegen
Verschwiegen bis in alle Ewigkeit

Hörst du das Schreien der Kinder ?
Nimmer mehr, tot liegen sie da, denn es ist Winter
Und umher Schneeflocken auf ihren leblosen Leib fallen

Nur hinter schweren Mauern frierende Echos schauern
Mit Schnee bedeckt um zu verfallen, Schreie nachhallen
Das Schreien der Kinder erfroren im ewigen Winter



© Juan VLAD Zäsch, 27.10.2017

Erich Kykal

Re: Hörst du das Schreien der Kinder
« Antwort #1 am: September 11, 2020, 02:04:43 »
Hi Graf!

Naja - starker Tobak jedenfalls, aber doch etwas sehr pathetisch auf die Tränendrüse gedrückt. Der Autor scheint (ich sage: scheint!) sich geradezu im Leid der Kinder zu suhlen, es strophenweise lyrisch abzufeiern und detailreich auszukosten - ein Leid, das allerdings leider nie näher definiert wird, außer dass es "hinter Mauern" stattfindet. Kein genauer Ort, keine genauen Zustände, keine Zeit. Man bleibt bei all dem Leiden als Leser letztlich etwas überfordert in der Luft hängen und denkt bei sich: Was genau will der Autor? Worauf genau spielt er an. Wo passiert das?

Einige Mängel wie Wortverkürzung, unvollständige Sätze, Inversionen, bei der Zeichensetzung, unzusammenhängend formulierte, nicht korrekt zueinander passende Satzteile - was den Text insgesamt etwas stockend und gestückelt wirken lässt.

Man hat den Eindruck, der Autor versucht aufrichtig Empathie zu erregen, aber er versucht es so intensiv - und dabei leider auch so sprachlich übertrieben und quergeschraubt, dass er in der Wirkung über das Ziel hinausschießt - oder sie ganz verfehlt. Zusammen mit der fehlenden Verankerung der Bilder in einem nachvollziehbaren Kontext oder Handlungsbogen gerinnt dies alles zu einer Art lyrischem Allgemein- und Pauschalschluchzer wider alle Grausamkeit gegen Kinder, der in seiner geschraubten Überzeichnung leider nicht das rechte literarische Gewicht erzeugt.


Ein Rat:

Solche Aufrufe wider menschliches Unrecht sind immer schwierig. Leicht kommt man ins Predigen oder Schwadronieren, oder man badet - wie hier - allzu tief in den grausen Bildern, was im Leser sogar den gegenteiligen Effekt hervorrufen kann als den erwünschten.
Nach meiner Erfahrung ist es am wirkungsvollsten, ernst, aber wie selbst unbeteiligt - wie ein Reporter - davon zu berichten. Und es ist immer besser, Einzelschicksale herauszugreifen und zu beschreiben, weil sich der Leser mit ihnen identifizieren kann. So ein Lamento wie oben bleibt da eher zu allgemein, um wirklich in die Herzen der Leser zu greifen, vor allem, wenn das eigentliche Geschehen so diffus bleibt.


Sorry, dass ich hier nichts Netteres sagen kann, aber ich bin eben ehrlich. Andere mögen mehr oder anderes in diesen Zeilen erkennen.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Graf Hansula

Re: Hörst du das Schreien der Kinder
« Antwort #2 am: September 11, 2020, 20:37:06 »
Hallo Erich,

Hintergrund zu dieser Geschichte war Auschwitz. inspiriert von einem Haufen daliegender Schuhe. Es ist hier Absicht diffus zu wirken, und den Leser nicht grausam durch einzelne Details zu quälen.
Erstere Behauptung deinerseits weise ich entschieden zurück, das ist völlig reininterpretiert.
Für die Kritik bin ich sehr dankbar, was den Teil mit dem "gestückelt wirken lässt"
Genau. und da hast du mir einen guten Ratschlag gegeben, ich habe wirklich von der Seele geschrieben, und nicht mit einer gewissen Distanz, aber vielleicht findet der ein oder andere genau deswegen diesen Text gut.

LG Hans

Erich Kykal

Re: Hörst du das Schreien der Kinder
« Antwort #3 am: September 11, 2020, 21:56:57 »
Hi Graf!

Siehst du? - Mit dem Hintergrund aus deiner Erklärung bekommen deine Verse viel mehr Bedeutung und Gewicht. Wenn der Leser in der Luft hängen bleibt, fällt es schwer, mitzufühlen. Das Setup ist wichtig, der Leser muss sich orientieren, zuordnen können, um sein Maß zu finden.

Mein Rat: Zumindest der Titel sollte einen Hinweis auf den Tatort geben.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Graf Hansula

Re: Hörst du das Schreien der Kinder
« Antwort #4 am: September 12, 2020, 13:46:57 »
Hello again,

sehr gut, das motiviert mich eine Fortsetzung bzw. Abwandlung dieses Gedichts zu schreiben, allerdings eher in dementsprechender Stimmung.

LG

Eisenvorhang

  • Gast
Re: Hörst du das Schreien der Kinder
« Antwort #5 am: September 12, 2020, 20:12:36 »
Wenn es um das Thema geht, komme ich nicht umhin, auf Selma Meerbaum-Eisinger als eine mögliche Literaturquelle zu verweisen!
Was die Kritik betrifft, schließe ich mich Erich an.

vlg

EV

Sufnus

Re: Hörst du das Schreien der Kinder
« Antwort #6 am: September 12, 2020, 22:29:49 »
Auch ich würde mich hier eKys initialen Ausführungen vollinhaltlich anschließen. Die Shoah ist sicherlich das schwierigste Thema, das in deutscher Sprache in Verse gefasst werden könnte und ich denke, eKy hat einige sehr gute Ideen entwickelt, wie man hier durch mehr Anschaulichkeit, etwas weniger Pathos und sparsameren Einsatz rhetorischer Mittel den Leser eher "mitnimmt".
LG!
S.