Autor Thema: Unvergänglich  (Gelesen 1775 mal)

a.c.larin

Unvergänglich
« am: September 26, 2020, 09:40:53 »
Ich wünschte, ich könnt sie behalten,
die Stunden des seligsten Glücks,
gestalten und nicht nur verwalten!
Die Gnade des Augenblicks

bewahren wie Duft in der Flasche,
doch fließt sie wie Wasser davon.
Und was ich von ihr auch erhasche,
verblasst in Erinnerung schon!

Ich wünschte in leuchtenden Farben
das Leben zu spüren allzeit!
Die Träume, auch wenn sie verdarben,
aus dunkelsten Winkeln befreit

im späteren Lichte zu finden,
gewandelt, gewachsen und klar -
mich ihnen erneut zu verbinden:
Dann wird das Unglaubliche wahr.

Erich Kykal

Re: Unvergänglich
« Antwort #1 am: September 26, 2020, 10:03:02 »
Hi larin!

Sehr schön und wahr geschrieben! Auch ich sehne mich oft danach, gewisse Bilder, Eindrücke und erlebte Augenblicke länger - oder auf Dauer - festhalten zu können. Indes, in der Erinnerung nutzen sie sich ab: Je öfter man sie hervorholt, desto mehr scheinen sie an Intensität einzubüßen - sie scheinen an den Rändern zu verblassen, Details zu verlieren. Gesichter werden schwammig, zerrinnen zu Eindrücken. Zuletzt schwinden die Gerüche dazu.
Und je weniger Bilder man von einer Person gespeichert hat, desto früher entgleitet einem die exakte Erinnerung. Manche Forscher behaupten sogar, dass die genauen Momente, sobald sie erinnert, also hirnintern hervorgeholt werden, damit quasi von der Festplatte gelöscht werden. Man hat nur eine begrenzte Menge von gespeicherten Augenblicken zu einer bestimmten Erinnerung, daher scheint sie immer mehr zu schwinden, je mehr man sich an sie zu klammern versucht.

Ich zB habe ein Bild meiner Eltern immer im Kopf - aber bei "genauerem Hinsehen" erscheint es zunehmend unschärfer, es ist immer mehr ein Gefühl, das ich memoriere, denn ein klares, detailreiches Bild. Ich muss alle paar Jahre ein altes Foto betrachten, um mir ihre Formen wieder einzuprägen. Oder ich wechsele die erinnerten Momente.

Dein Gedicht beschreibt dies in leuchtenden Farben, die dank deiner Zeilen nun in dieser verbalen Form weiter bestehen werden, für jeden Leser klar und deutlich wie eine frische Erinnerung!

Sehr gern gelesen!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

a.c.larin

Re: Unvergänglich
« Antwort #2 am: September 26, 2020, 10:21:11 »
guten morgen erich,

fein, dass du das ähnlich siehst wie ich.

nein, man kann den augenblick nicht festhalten, die fakten verschwimmen mit der zeit.

was länger anhält, sind die gefühle , die sich da in uns eingetragen haben. die allerdings können sehr hartnäckig sein ( im guten wie im schlechten)
emotionen werden offensichtlich anderswo im gehirn gespeichert.

gefühl scheint wichtiger zu sein für das überleben als das bloße wissen.
da sollte man dann halt doch heikel sein, welche "gefühlsfotos" man in seinem inneren speicher ablagert.

welche gefühlsbilder einen jahrzehntelang quälen oder welche einem zu hilfe kommen, wenns eng wird.

die crux daran ist: das meiste davon wird bereits eingelagert, noch ehe wir überhaupt ein bewusstsein unserer selbst haben! (geschweige denn über den vorgang des einlagerns)

das erklärt, wieso sich gewisse seltsamkeiten des eigenen wie des öffentlichen lebens so lange halten können - obwohl die faktenlage sich schon hundertmal geändert hat.
das unterbewusste gedächtnis ist stur, das kollektive gedächtnis erst recht, es lässt sich nicht so leicht überlisten, um auf die alten tonspuren eine neue draufzutun.

es kann zwar im einzelfall gelingen, ist aber  immer harte arbeit - und ohne persönlichen einsatz nicht zu schaffen.

das nur als erklärung dazu, warum manche haltungen nahezu bildungsresistent sind, weil: wer net wü, der wü ned!

und so leben wir weiter - in unseren schier unendlichen dramen von liebe und hass, glück und unglück......
und dann kommt halt noch so etwas wie schicksal dazu: naturkatastrophen, unfälle, krankheiten, wirtschaftliche und politschen entwicklungen.
was soll man da machen? wir wuschteln weiter.....


einen schönen tag wünsch ich dir ( trotz regen!)

lg, larin
« Letzte Änderung: September 26, 2020, 10:23:22 von a.c.larin »

AlteLyrikerin

Re: Unvergänglich
« Antwort #3 am: September 26, 2020, 13:58:53 »
Hallo a.c.larin,

auch ich finde, das ist eine lyrisch gelungene Beschreibung der Sehnsucht sich der Flüchtigkeit des glücklichen Augenblicks zu verbinden. Die Metaphern gefallen mir sehr gut bis auf eine, mit der ich ein Problem habe.
Zitat
gestalten und nicht nur verwalten!
Die Gnade des Augenblicks
"Gnade" schein mir, unabhängig davon in welchem Kontext man den Begriff betrachtet, etwas zu sein, das man nicht verwalten kann. Aus einer "Gnade" heraus kann man vielleicht etwas ganz neu gestalten, aber die Gnade an sich scheint mir nicht etwas zu sein, das man gestalten kann.
Vielleicht ist das aber auch nur mein Problem, da ich Gnade als etwas betrachte, das unverdient, ohne Ansprüche darauf zu haben, von einer "Instanz" verliehen wird, die mächtig ist. Ob nun Potentaten früherer Zeiten, oder ein Gott, der Allmächtig geglaubt wird.
Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.

Agneta

  • Gast
Re: Unvergänglich
« Antwort #4 am: September 26, 2020, 18:35:26 »
sehr poetisch und rund geschrieben, liebe clarin. Den Augenblick kann man nicht festhalten, aber die Erinnerung, den Duft sachon. LG von Agneta

a.c.larin

Re: Unvergänglich
« Antwort #5 am: September 27, 2020, 20:35:13 »
hallo AL,

also ich seh da einen Punkt: die Stunden des Glücks wollen gestaltet und verwaltet werden.
Die Gnade soll bewahrt werden.

Gnade ist ihrem Wesen nach ein Geschenk, eine Gabe. ( Ich denke, da sind wir doch gedanklich ähnlich unterwegs?)
 Wie man aber damit umgeht , das macht einen Unterschied: Man kann die Talente eingraben - oder damit wuchern.

Das ist der Wunsch, der dahinter steckt: Das der Moment der Erkenntnis nicht zu flüchtig sein möge, um weitere Früchte zu tragen.

hallo agneta,
vielleicht  wärs ja geradezu schrecklich, wenn das leben in irgendeinem augenblick stehenbleiben würde, quasi einfrieren würde zum dauerstandbild?

wie sagte doch faust zu mephisto "werd ich zum augenblicke sagen, verweile doch, du bist so schön....    damit hätte er seine seele verwirkt.

es lebe die vergänglichkeit!
was bleibt, ist veränderung.
Lg, larin


gummibaum

Re: Unvergänglich
« Antwort #6 am: September 28, 2020, 10:18:05 »
Sehr schön geschrieben, liebe larin!

Damit meine ich außer dem Inhalt auch die Sprache, die wie ein Bergbach dahineilt.

Mit Freude gelesen.

Grüße von gummibaum

 
 

a.c.larin

Re: Unvergänglich
« Antwort #7 am: September 30, 2020, 13:03:23 »
lieber gummibaum,
der bergbach gluckert ein dankeschön!

larin