Autor Thema: Ein Weihnachtsflöckchen  (Gelesen 684 mal)

gummibaum

Ein Weihnachtsflöckchen
« am: Dezember 10, 2020, 12:32:32 »
Ein Flöckchen Schnee war darin eigen,
die weiße Weihnacht zu bescheren,
und ließ es sich drum nicht verwehren,
ein Wolkenschiffchen zu besteigen.

Es sah im Flug aus der Kabine       
den Maulwurf, der im Boden wühlte
und über sich kein Weißes fühlte.
Er zeigte keine Weihnachtsmiene.

Da sprang das Flöckchen, sank hernieder
und kühlte weiß den heißen Rücken,
und „Oh, du fröhliches Entzücken!“,
so klang's, und „Alle Jahre wieder!"


(inspiriert von sufnus)
« Letzte Änderung: Dezember 10, 2020, 22:34:44 von gummibaum »

Erich Kykal

Re: Ein Weihnachtsflöckchen
« Antwort #1 am: Dezember 10, 2020, 16:49:44 »
Hi Gum!

In der letzten Zeile Komma nach "es". Punkt ans Ende.

Der Zeileneinstieg mit "hieß es" ist aber ohnehin problematisch, da das "hieß" betont sein möchte, was der unbetonte Auftakt des Gedichts aber verhindert. Umgehen könnte man dieses Problem zB. mit "so klang's, und "Alle Jahre wieder!".

Gern gelesen, nur der Ausdruck "Weihnachsschiene" erschien mir sehr gemeinsprachlich, recht bemüht und reimgeschuldet.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Ein Weihnachtsflöckchen
« Antwort #2 am: Dezember 10, 2020, 18:11:09 »
Lieber Erich,

die Rede-Einleitung im letzten Vers unterzubringen, machte mir Schwierigkeiten. So ist es wohl besserer. Danke. Was die "Schiene" angeht: Als Replik auf ein Gedicht von Sufnus war es von seiner Technik angehaucht. (Sufnus mischt ja manchmal bewusst verschiedene Sprachebenen.)

Alles Gute für dich.
Gruß von gummibaum

Erich Kykal

Re: Ein Weihnachtsflöckchen
« Antwort #3 am: Dezember 10, 2020, 18:21:36 »
Hi Gum!

Komma nach "klang's" fehlt noch.  ;)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Ein Weihnachtsflöckchen
« Antwort #4 am: Dezember 10, 2020, 22:35:22 »
Danke, Erich. LG g

Sufnus

Re: Ein Weihnachtsflöckchen
« Antwort #5 am: Dezember 11, 2020, 12:33:47 »
Hi gum!
Das ist wirklich schön, dass dieses großarige kleine Weihnachtsmärchen über eine mutige Schneeflocke und ihren Freund den Maulwurf nun in einem eigenen Rähmchen die Wiese schmücken darf! :)
Natürlich verwundert es wohl weder Dich noch eKy, dass ich die ursprüngliche Formulierung "er war nicht auf der Weihnachtsschiene" sehr viel schöner und, ja, auch poetischer (!) finde als "er zeigte keine Weihnachtsmiene". Natürlich ist das vollkommen dem subjektiven Geschmack anheimgestellt... aber ich finde meinen Geschmack da eigentlich ganz gut  ;D (nur eine Neckerei Richtung eKy :) ).
eKy, Du zielst in Deinem poetologischen Geschmack und Deiner Definition von "poetisch" einerseits auf inhaltliche und formale Klarheit und Einheitlichkeit sowie andererseits auf etwas schwerer fassliches, dem ich jetzt einmal den Arbeitstitel "hoher Ton" geben möchte (korrigiere mich natürlich gerne, wenn Du Dich falsch dargestellt siehst).
Was mit dem Klaren und Einheitlichen gemeint ist, lässt sich vergleichsweise leicht erklären: Einheitliches, regelhaftes Metrum, gleichmäßige Heberzahl, regelhafte Kadenzen, saubere Reime nach einem nachvollziehbaren Schema, inhaltliche Eindeutigkeit und Verständlichkeit usw.
Beim "hohen Ton" (wie gesagt, nur mal ein Arbeitstitel) wird es etwas kniffliger, weil Deine Poetologie durchaus auch Kraftausdrücke zulässt (wenn auch nicht als Selbstzweck), sofern sie inhaltlich angemessen sind. Worum es geht, ist meines Erachtens eine Vermeidung von Flapsigkeiten und Ungenauigkeiten (auch geht es letztlich u. a. wieder um "Klarheit"), wie sie dem Alltagsjargon zu eigen sind. Aber auch Fachjargon und technische Ausdrücke (obwohl diese ja in der Regel durchaus Genau und "Un-flapsig" sind) möchtest Du eher vermeiden bzw. Du empfindest sie als im poetischen Kontext störend. Dito würdest Du fremdsprachliche Ausdrücke (sofern sie nicht sehr eingebürgert sind) als unpoetisch vermeiden.
In meiner persönlichen Poetologie ziele ich hingegen eher auf das Unvollständige, Beschädigte, ich lasse Bruchlinien formaler und inhaltlicher Art bewusst stehen und setze den hohen Ton nachdrücklich der Herausforderung der Umgangssprache aus. Das ist keinesfalls als Lust an der Destruktion (oder vornehmer: Dekonstruktion, was dann letztlich das selbe meint) misszuverstehen. Die Brüche und Läsionen, die ich dem Gedicht zufüge, sind eher als eine Art Stresstest zu verstehen. Nur diejenige "hohe Rede", die diese "Challenge" ;) aushält, darf Bestandschutz einfordern, ist gültig.
Aus dieser langen Rede wird vielleicht grob verständlich, warum mir eine "Weihnachtsschiene", die unversehens in einem schönen (!) Gedicht auftaucht, besser gefällt als die vergleichsweise harmlose "Weihnachtsmiene"... und warum es bei eKy genau anders herum ist. :)
LG!
S.
« Letzte Änderung: Dezember 11, 2020, 12:35:46 von Sufnus »

Erich Kykal

Re: Ein Weihnachtsflöckchen
« Antwort #6 am: Dezember 11, 2020, 15:17:40 »
Hi Suf!

Du analysierst meinen lyrischen Anspruch sehr gut! "Hoher Ton" ist ein guter Titel, "Hochsprache" oder "würdevolles Deutsch" würden es auch gut umfassen.

Du hast Recht - gemeinsprachliche Ausdrücke (du nennst es "Flapsigkeiten"), allzu wissenschaftliche oder technische Termini, sowie nicht wirklich schon lang eingedeutschte fremdsprachliche Begriffe erscheinen mir unpassend für das, was ich für "gute Lyrik" halte, werfen den lesenden Geist aus dem "Zauber der Sprache", der ihn bei passender Wortwahl und Satzführung im Optimalfall umfängt. Vor allem für lyrische Stimmungsbilder oder Naturbeschreibungen trifft das zu.
Bei reinen Kopfgedichten, die den Intellekt, nicht das Gefühl ansprechen sollen, ist das bis zu einem gewissen Grad anders. Gedichte zum Mitdenken, weniger zum Mitfühlen.
Aber nur bei sozialkritischen Werken darf zum Zweck der Vermittlung bestimmter Bilder, Inhalte oder Beschreibung gewisser Charaktäre auf wirklich derbe Sprache zurückgegriffen werden - hier (und nur hier!) kann sie die gewünschte lyrische Wirkung sogar verstärken.

Vielleicht ein wenig altbacken, aber eben mein lyrischer Geschmack, nach dem ich mich richte, und so wie ich schreibe, so möchte ich auch von anderen lesen. Ich kaufe mir bestimmt nie ein Buch mit moderner Lyrik!  ;) ;D

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Agneta

  • Gast
Re: Ein Weihnachtsflöckchen
« Antwort #7 am: Dezember 23, 2020, 20:17:57 »
Das ist aber jetzt süß, Gum.
LG von Agneta

gummibaum

Re: Ein Weihnachtsflöckchen
« Antwort #8 am: Dezember 27, 2020, 21:35:55 »
Danke, lieber Sufnus, für das Verteidigen der Weihnachtsschiene.

Danke, lieber Sufnus und lieber Erich, für die Präsentation eurer poetologischen Konzepte.

Danke, liebe Agneta, für "süß".

Ich habe im Moment keine Lust mehr, Gedichte zu schreiben.


Liebe Grüße von gummibaum