Autor Thema: Amerika, quo vadis?  (Gelesen 447 mal)

Erich Kykal

Amerika, quo vadis?
« am: Februar 21, 2022, 10:03:56 »
Erinnert sich noch jemand an Manning und Wikileaks? Was geschah damals? Ein Armeeangehöriger und Geheimnisträger erfuhr von Kriegsverbrechen der eigenen Truppe und stellte sich die Gewissensfrage. Als überzeugter Demokrat und Bürger informierte er Wikileaks, eine Enthüllungsplattform, nachdem er in den eigenen Reihen auf Schweigen und Leugnen gestoßen war, und es gab einen internationalen Skandal, in dem die sog. "Leitkultur der freien Welt" nicht eben gut dastand.
Wie reagierte nun diese? Als Demokrat und Bürger würde man annehmen, der Präsident würde eine Untersuchung der veröffentlichten Kriegsverbrechen einleiten, sich vor der Weltöffentlichkeit für die Missstände entschuldigen und dem Aufdecker dieser Grausamkeiten einen Orden dafür verleihen, dass er diese Taten einer gerechten Verfolgung zuführte.
Das geschah natürlich nicht. Manning wurde ausgeforscht und verhaftet, als Landesverräter angeklagt und zu lebenslanger Haft verurteilt. Die aufgedeckten Geschehnisse wurden nach Kräften verharmlost und als die Kurzschlusshandlungen von Einzeltätern hingestellt, nicht ansatzweise als Symptom für eine militaristisch hauruckpatriotische Grundeinstellung vieler Dienender, die in hybrishaftem Überlegenheitsgefühl alles Unamerikanische als minderwertig und kaum existenzwürdig abtun und entsprechend behandeln - was eben heißt: Im Zweifelsfall einfach draufballern und hinterher die Kollateralschäden unter den Teppich kehren, so gut es eben geht, um vor der Welt nicht an moralischem Gesicht zu verlieren.
Die Perversion der echten Werte der Freiheit wird offenkundig: Um moralisch sauber dazustehen, wird als Gesamtstaat unmoralisch gehandelt und gelogen, anstatt sich von vornherein moralisch zu verhalten und die Unmoral Weniger offen aufzuzeigen und zu verurteilen. Stattdessen wird der Bote als Verräter gebrandmarkt und hingerichtet. Seine Sünde? Er ging nicht den "offiziellen, innerstaatlichen" Weg, auf dem er keine Chance hatte, je erhört zu werden, sondern machte die schmutzige Wäsche der Armee international öffentlich. Wer dem sauberen Image Amerkas Schaden zufügt, begeht offenbar ein schlimmeres Verbrechen als jene, die auf Kinder schießen, Gefangene foltern oder schon im geringsten Zweifelsfall hemmungslos von der Waffe Gebrauch machen.
Zumindest ist das letztendlich die Botschaft, die der Fall Manning vermittelt - vorausgesetzt, man ist Gehirnbenutzer.
Und was kam danach? Trump und seine egomanische Botschaft "America first" - Scheiß auf die Welt! All das scheinheilige Gequatsche von Weltpolizei und demokratische Leitkultur der Dekaden davor als Augenwischerei offenbart: Es geht und ging von je nur und einzig um Einflusssphären, Machtpolitik und Wirtschaftsmanipulation.
Und das Ergebnis seit dem 2.Weltkrieg im eigenen Land? Arbeitslosigkeit, Ghettoisierung, Verarmung, Verrohung, Verschwinden der gebildeten Mittelschicht, Erstarkung der bildungsfernen extremen Rechten, die sich immer noch "Republikaner" zu nennen wagen, und Selbstzerfledderung der sog. "Demokraten", deren Lobbyismus, Seilschaftspolitik und Populismus dem der Reps um nichts nachsteht, wodurch sich an den jämmerlichen Lebensbedingungen so vieler Amerikaner nie etwas grundlegend ändert.
So steuert Amerika weiter blind auf den Untergang des Abendlandes zu - Einsicht und Änderungswille kommen zu selten und zu spät, bleiben ohne ausreichendes Echo im eitlen Machtspiel der Eliten: zB. restriktive Waffengesetze, Krankenversicherung, Grundversorgung, demokratische Grundwerte, Vorgehen gegen Rassismus, Polizeiwillkür, Gangkriminalität, Drogenhandel, Entkriminalisierung der Süchtigen, usw. - stattdessen pathetischer Patriotismus, tägliche Fahneneide und Hymnenschmettern für alle Schulkinder, rücksichtslose Ausbeutung aller Resourcen, Hurraparolen für die Dummen und Verführten, Gotteswahn, Bootcamps für Kinder ...
Wenn jede Rede eines beliebigen Präsidenten verrät, dass nicht einmal die saubere Trennung von Kirche und Staat so richtig funktioniert hat ("Gott mit uns und mit Amerika!"), wie kann man dann erwarten, dass dieses allzu junge Land seine Pubertät schon ausgekriegt hat?
Nein, die selbst ausgesuchten Schuhe auf der Weltbühne waren von je zu groß, zu selbstgefällig und zu selbstbezogen. Jetzt bröckelt die aufgesetzte Fassade, die Welt wacht auf und erkennt, dass dieses Land auch nur mit Wasser kocht. Meine Prognose? die Selbstdemontage Amerikas wird weitergehen, und je mieser die Lebensumstände dort werden, desto diktatorischer, demagogischer, manipulativer und offen militanter wird das Klima werden.
Irgendwann werden Nazis Amerika regieren und sich immer noch Demokraten UND Republikaner nennen, und kaum ein Ami wird noch den Unterschied erkennen wollen oder können, was bei dem lächerlichen Wahlsystem aber ohnehin kaum eine Rolle spielt. Manning und Trump waren Symptome einer Entwicklung - die langsame Zersetzung und Pervertierung all dessen, wofür Amerika auf der Weltbühne stehen wollte. Der nackte Kapitalimus ist auf Dauer zu wenig, um eine Gesellschaft zu ernähren und zu einigen, genau wie der nackte Kommunismus. Extreme bewirken nie etwas Gutes, Dauerhaftes.
Bevor Amerika - und die Welt - das nicht lernen, sehe ich keine Hoffnung auf Besserung und Stabilität.
« Letzte Änderung: M?RZ 01, 2022, 18:20:23 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.