Locus amoenus

[Sufnus]

Locus amoenus

Bei dem großen Schüsseltreiben
senken wir den Rüssel, neigen
uns in die Momententladung,

sind entkörperungsverloren,
Dichter oder Diktatoren;
unser Weltpfad wird zur Fladung,

plätschert so ins Om dahin:
Oben sitzt die Sinneshülle,
unten glänzt die Lebensfülle
unsres Menschseins Vollgewinn.

Wollen wir die Pole tauschen?
Ob- & unten neu verschränken?
Ach, das wär nicht auszudenken,
denkt man sich und lauscht dem Rauschen.

[gummibaum]

Lieber Sufnus,

Treibjagden gibt es auch im übertragenen Sinn, ebenso wie das daran anschließende Mahl im grünen Idyll. Hier im Sinne von AUSDERWELT in einen Moment höheren Daseins GETRIEBENSEINS. Eine Entrückung.

Fernöstliche Mystik hebt alle Dissonanzen (Dichter/Diktatoren) auf und schafft den Menschen neu: Invers (wie es das umgestülpte Sonett  verdeutlicht) und als Bereich, in dem die Sphären von Geist und Körper sich sinnreicher und friedlicher als bisher überlappen.
 
Blumige Fantasie waltet hier und stellt meine Vorstellungskraft auf eine harte Probe.

Sehr gern gelesen.
LG g

[Erich Kykal]

Hi Suf!

Wortkomplex, bilddicht, sprachverspielt. Der erste Reim ist beinahe schon ein Schüttler. Aber was ist ein 'Schüsseltreiben'?

'entkörperungsverloren' - ist das nicht schon irgendwie sinngemäß doppelt gemoppelt? Ist man nicht hnehin schon verloren, wenn man entkörpert ist?

Ein lyrisches Experiment - Inversion der Sonettform als Demkhinweis zum Inhalt.

Was mich einzig etwas störte: Die direkte Wortwiederholung von 'nachzudenken/denkt' in den beiden letzten Zeilen. Wie wär's mit 'sagt man sich'?

Gern gelesen! 

LG, eKy

[Sufnus]

Hi Ihr beiden!

Vielen Dank für Eure Anmerkungen! Mit dem invertierten Sonett (in einem anderen Forum habe ich das als Tenos (Sonet(t) rückwärts) oder Sonnet tatin bezeichnet) experimentiere ich seit einiger Zeit.

Zwei andere Beispiele sind hier http://www.dielyrik-wiese.de/lyrik-wiese/index.php?topic=9213.0 und hier http://www.dielyrik-wiese.de/lyrik-wiese/index.php?topic=9212.0 zu finden.

Entsprechend der noch etwas initialen Findungsphase in die Form, sind die Versuche insgesamt etwas "experimenteller" Natur, nicht gerade besonders "klassisch" und "klar" in ihrer Gedankenführung. Ein bisschen ist sowas bei mir natürlich auch (manchmal) Programm. Mal sehen, wohin mich diese Form noch führt

Eine finale "Ausdeutung" dieser Zeilen hier würde ich nicht vorgeben wollen, aber Eure Gedanken hierzu gefallen mir sehr gut. Und @eKy: Ein Schüsseltreiben ist ein jagdlicher Begriff für ein... naja... zerimoniöses Festmahl am Ende einer Treibjagd... mit reichlich Alkohol und Lügengeschichten gewürzt.

LG!

S.