Autor Thema: Das alte Paar  (Gelesen 336 mal)

gummibaum

Das alte Paar
« am: M?RZ 22, 2023, 13:54:47 »
Das alte Paar ist voller Runzeln,
vom Zank ganz krumm nach all den Jahren.
Heut sah ich sie vorüberfahren
im Cabrio und seltsam schmunzeln.

Ich hatte sie so nie gesehen,
ihr Auto schien mir auch geliehen.
Ich hab gleich hinterher geschrien:
„Nanu, was ist mit euch geschehen?“

Da riefen sie, es klang schon leise,
weil sie um eine Ecke bogen:
„Wir haben uns bis jetzt erzogen
und machen endlich Hochzeitsreise.“

Ich stand ganz wie vom Blitz getroffen
und weinte eine stille Träne:
Hier hobelten sich lange Späne,
zwei, die sich fanden: liebesoffen….

« Letzte Änderung: M?RZ 22, 2023, 16:59:46 von gummibaum »

Sufnus

Re: Das alte Paar
« Antwort #1 am: M?RZ 22, 2023, 16:27:38 »
Hi gum! :)
Das ist, wie ich finde, eines der schönsten und anrührendsten Gedichte, die ich hier seit langem gelesen habe. Philemon und Baucis verlassen ihre Bank und schlagen der alles gleichhobelnden Zeitlichkeit ihr Gerät aus der Hand - vergleiche hierzu auch Raimunds Hobellied:
https://de.wikipedia.org/wiki/Hobellied

Nur ein ganz kleiner Vorschlag zur metrischen und semantischen Glättung der letzten beiden Zeilen:

Hier hobelten sich lange Späne,
zwei, die sich fanden: liebesoffen….

Wobei der Doppelpunkt in der letzten Zeile wirklich Geschmackssache ist - ich bin halt Team Doppelpunkt aufgrund der inhaltlichen Akzentuierung, unter melodiösen Gesichtspunkten kann man das interruptierende Momentum, was eine Doppelpunkt so mit sich bringt, auch für weniger glücklich halten. :)

LG!

S.

gummibaum

Re: Das alte Paar
« Antwort #2 am: M?RZ 22, 2023, 16:57:51 »
Danke, lieber Sufnus,

für den schönen Kommentar, den Link und den guten Vorschlag, den ich gern übernehme (in der letzten Zeile fehlte ohnehin ein "sie").

Beste Grüße
gummibaum
« Letzte Änderung: M?RZ 22, 2023, 17:01:00 von gummibaum »

Erich Kykal

Re: Das alte Paar
« Antwort #3 am: M?RZ 22, 2023, 18:55:13 »
Hi Gum!

Ich würde sogar das 'Liebesoffen' nach dem Doppelpunkt groß schreiben, um diesen zusätzlich zu akzentuieren, damit der Leser dort auch garantiert eine kleine Pause macht.

Wie aber wäre es mit einer Lösung, die diese ganze, doch leicht den Sprachfluss hemmende Doppelpunktkonstruktion obsolet machen würde? Schau mal:

Ich stand fast wie vom Blitz erschlagen
und weinte eine stille Träne:
Hier hobelten sich lange Späne,
die endlich sich in Armen lagen.

(Oder wahlweise: 'um endlich ihren Brand zu wagen.'

Oder so:

So wollten endlich lange Späne,
fast abgehobelt, Feuer wagen.

Oder eher so?

So wollten sich zwei lange Späne,
fast abgenutzt, ins Feuer tragen.


Ach, das sind nur müßige Spielereien. Wenn etwas dir brauchbar erscheint, nimm es hin, ansonsten vergiss meine verspielte Affinität zur Sprachbastelei.

Gern gelesen!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Das alte Paar
« Antwort #4 am: M?RZ 24, 2023, 22:52:16 »
Lieber Erich,

danke für deine guten Vorschläge. Sie treffen, glaube ich, noch weniger als der von Sufnus, was ich sagen wollte, aber nicht klar ausgedrückt hatte.

Meine ursprüngliche Version war:

Hier hobelten sich zwei lang Späne,
bis sie sich fanden, liebesoffen… 

Das sollte bedeuten,

dass zwei Menschen sehr lange Zeit darum gestritten haben, ihre Liebe füreinander bloßzulegen.

(sich so lange aneinander abgearbeitet haben, bis unter der rauen Fassade das liebesoffene Individuum zum Vorschein kam).
 
Die begrenzte  Verslänge ließ es aber nicht zu,  „zwei Menschen“, „lange Zeit“ und „Späne ab“ zu schreiben.
 
Ratlos g