Autor Thema: Eines schönen Tages Abend  (Gelesen 573 mal)

Erich Kykal

Eines schönen Tages Abend
« am: September 06, 2019, 12:05:05 »
In steter Folge neigen sich die Tage
und wenden sterbend sich dem nächsten zu.
Sie wandeln sich, mal mählich, mal im Nu,
vergehen still und stellen nichts in Frage.

Und gleich, ob Größeres darin geschehe,
ob sie nur treiben in gewohntem Trott,
sie stellen sich in Gleichmut dem Schafott
der Nacht mit allem Wohl und allem Wehe.

Ich hoffe mich nach langem Lernen endlich
dem Tage gleich, den eine Nacht erreicht,
und sage meinen letzten Satz verständlich

und klar wie eines schönen Tages Abend,
der keinem je und jemals wieder gleicht
und sich beschließt wie groß und alles habend.
« Letzte Änderung: September 26, 2019, 20:56:56 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Eines schönen Tages Abend
« Antwort #1 am: September 06, 2019, 13:51:42 »
Sehr sehr schön, lieber eKy!
Abgeklärt, tiefgründig und auch durchaus an einer Stelle den Leser etwas herausfordernd (gut!), nämlich dann, wenn das LI sich im Konjunktiv 2 (!) wünscht, endlich (=sterblich) zu sein, was suggeriert, dass es dieses genau nicht ist... ein schöner Knuff in die Rippen des Lesers, hierüber einmal zu meditieren. Und ich weiß schon (glaube ich), wie Du darüber denkst... wahrscheinlich hast Du hier primär eher an die Gegenüberstellung der gelassenen Endlichkeit des Tages und der verpupsten Diesseitsangst (sic) des Menschen gedacht. :)
Die Herausforderung an den Leser, dass er bei dieser Passage auch eine listige Absage an die Vorgabe einer Auferstehungsidee herauslesen könnte, ist sozusagen ein Nebenbefund - aber ein wichtiger, der mich erfreut hat. :)
Sehr gerne gelesen!
S.

Erich Kykal

Re: Eines schönen Tages Abend
« Antwort #2 am: September 06, 2019, 14:58:14 »
Hi Suf!

Eingedenk deiner komplexen Deutung sprachlich eigentlich einfach gemeinter Phrasen habe ich mir schon gedacht, dass du diese Stelle so deuten könntest. Leider ist sie nur als "schlußendlich" oder als "endlich" im Sinne von "nach langem Streben", also zeitlich gemeint, nicht "endlich" im Sinne von "sterblich".
Obschon deine Deutung philosophische Tiefe hat, würde ich meine Endlichkeit/Sterblichkeit nie in Frage stellen, gerade in Bezug auf das von verzweifelt Hoffenden gern angenommene religiöse Nachleben.  ;)

Vielleicht ist es gut, dass ich es so, also missverständlich, formuliert habe: Jeder kann darin lesen, was ihm näher steht!  8)

Vielen Dank für deine vertiefenden Ausführungen!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.