Im Formalen erstmal ein sehr cooles Sprachexperiment, lieber eKy! Ein neunhebiger (!) Jambus ohne Binnenreime, die die überlangen Zeilen in Halbzeilen untergliedern, so dass sich die Reime auf den regelmäßigen (durchgängig weibliche Kadenzen) Endreim am Zeilenende beschränken. Diese extreme Langform erzeugt eine starke Annäherung an Prosatexte.
eKy selbst, der (zumindest beim Dichten) wohl gar nicht anders als in gebundener Sprache denken kann, hört hier sicher die Jamben ganz klar durch. Normalsterbliche würden aber den Text zunächst wie einen Prosatext in "natürlicher" Sprachmelodie lesen. Dabei würde z. B. "zuweilen mal" in Z1 durchgängig ziemlich flach betont werden: xxxx (oder vielleicht allenfalls xXxx) und nicht xXxX. Und das "irgendetwas einfach nur nicht" in Z2 würde wohl eher XxxxXxxx gelesen werden und nicht XxXxXxXx.
Ich selbst bin dann in Z4 in die gebundene Sprache "gekippt" und habe ab da gleichmäßig jambisch gelesen. Dieser Effekt des Wechsels von "natürlicher" Sprachmetrik in gebundene Sprache ist für mich ungeheuer spannend.
Vielen Dank also für dieses lyrische Schmuck- und Kabinettstück, lieber eKy!
Inhaltlich bin ich nicht ganz sicher, ob ich es richtig verstehen. Ich denke, es ist eine Kritik an einer letztlich wohlfeilen Betroffenheitskultur, die alles, was hienieden Schreckliches passiert, etwa Gewalttaten an Kindern, ins Reich des Unvorstellbaren verbannt, womit letztlich einer Auseinandersetzung feige aus dem Weg gegangen wird.
Sehr gern gelesen!!!
S.