Autor Thema: Die Glasmenschen (Als sie erwachten)  (Gelesen 741 mal)

Eisenvorhang

  • Gast
Die Glasmenschen (Als sie erwachten)
« am: Mai 13, 2020, 11:20:29 »
[In weiterer Bearbeitung]
« Letzte Änderung: Mai 14, 2020, 10:16:34 von Eisenvorhang »

Agneta

  • Gast
Re: Die Glasmenschen (Als sie erwachten)
« Antwort #1 am: Mai 13, 2020, 12:33:32 »
stark, bildhaft, mit Atmosphäre, lieber EV.
Zum Ende wird es schwächer, darum würde ich die letzten beiden Strophen weglassen.
Die kryptische vorletzte Strophe braucht es irgendwie nicht, ist mir zu dick aufgetragen und zu unpoetisch..
 Auch, wenn du es vielleicht als Klammer gedacht hast, ist die letzte eigentlich schwächer im Ende der Wiederholung der zuziehenden Himmels als die Träume es wären, die in den Himmel fallen.
Die starke Wortneuschöpfung "Amethystgemäuer" würde ich für ein anderes, neues Werk verwenden.

Sehr gerne gelesen mit lG von Agneta

Eisenvorhang

  • Gast
Re: Die Glasmenschen (Als sie erwachten)
« Antwort #2 am: Mai 13, 2020, 12:48:57 »
Hallo liebe Agneta,

die Sprache soll sich bewusst bis zur vorletzten Strophe "aufladen", um in der letzten gänzlich abzuflachen.

Das "Werk" besitzt ja einen übertragenen dystopischen Charakter aufs Menschenbild und das Ende einer Dystopie ist ja grundsätzlich eher bescheiden.
Inwiefern das funktioniert wie ich mir das dachte, soll das Einstellen des Werkes zeigen, weswegen mir deine Kritik herzallerliebst mundet.

Ich bedanke mich und wünsche Dir einen Tag voller Sonne und Sterne, liebe Agneta.

vlg

EV

gummibaum

Re: Die Glasmenschen (Als sie erwachten)
« Antwort #3 am: Mai 13, 2020, 14:53:52 »
Eine ganze Reihe verglasender Verwandlungen, die das Natürliche "schwindsüchtig" werden lassen.

Sehr gern gelesen.

Herzliche Grüße und ein kleines Spaßgedicht von
g


Gläsern waren meine Knochen
und zerbrachen allzu leicht.
Doch die Kur hat angesprochen
und Verschiedenes erreicht:

Alle Knochen sind elastisch
und das Tanzen macht mir Spaß.
Doch mein Auftritt wirkt fantastisch,
denn der Rest ist jetzt aus Glas…


   

Eisenvorhang

  • Gast
Re: Die Glasmenschen (Als sie erwachten)
« Antwort #4 am: Mai 13, 2020, 16:56:45 »
Hallo gummibaum,

ich danke dir für deinen Kommentar und dem entzückenden Spaßgedicht!

vlg

EV

Sufnus

Re: Die Glasmenschen (Als sie erwachten)
« Antwort #5 am: Mai 13, 2020, 17:34:52 »
Hi EV!

Man könnte ein paar wenige grammatische Ungenauigkeiten anmerken und sehr sehr sehr viele sprachschöne (dieses Adjektiv müsste hier eigentlich noch gesteigert werden) Ausdrücke rühmen und preisen.
Mein Haupteindrück ist aber der einer gewissen Überladung, der Text wirkt für mich wie die Gründerzeitfassade eines denkmalgeschützten großstädtischen Mehrfamilienhauses aus den 1890er Jahren: Jede Menge Säulen, Halbsäulen, Erker, Gesimse und Balustraden, die ganz verschiedenen Epochen zu entstammen scheinen. Und jedes Element für sich ist wunderschön, aber in der Gesamtheit ist es (für mich) zu viel. Es ist eine Art Übersättigung mit Schönheit, die tiefe Sehnsucht nach dem Einfachen weckt, ein schlichtes Haiku, ein Vierzeiler in schlichter Sprache...
Bitte missverstehe das aber nicht als Fundamentalkritik - es ist ein erster Eindruck bei mir und sicher auch meiner aktuellen Stimmung geschuldet. Das sieht anderntags schon wieder ganz anders aus. Heute würde es mich aber jucken, aus dem Text vier ganz verschiedene, kürzere Gedichte zu machen:


Nur mal als ad hoc-Idee.... das müsste dann weiter umgebaut werden:


Am Ende des Anfangs

Als sie erwachten, zog der Himmel zu.
Aus Höhlen wurden Häuser. Alle Wiesen
verdingten ihre Pracht als Autobahnen,
die waberten: zubetonierte Wüsten,
und Winde wellten sich zu Wohlstandsfahnen.

Als sie erwachten, zog der Himmel zu
und irgendwann ging auch das Sandgeriesel aus
und man empörte sich des Rückschritts wegen!
Und über Prismen dieser Zeit hinaus
vollzog die Photosphäre ihren Segen,
der Sonne ging ihr langes Leuchten aus ...

Als sie erwachten zog der Himmel zu.


Verlust

Wir schöpfen Gesten, halb Gestein, halb Seide,
durchzittert noch vom  Glanz aus Kinderaugen
und nähren Geist und Wort mit blanker Kreide
und führen Wehmutsbecher süßer Laugen
der Seele zu, ob sie auch immer leide:
Wir schöpfen Gesten, halb Gestein, halb Seide.


Waldglas

Doch die Natur, sie ward zum Schwindsuchtland,
was einst in reicher Fülle stand, entschwand.
Die Wälder, reich an Gaben und das Gras,
aus Wolkenseiden tiefster Rührung weich,
verbrannte man und schuf das edle Glas
aus Sand: Was übrig blieb, ein Königreich
aus himmelgrüner Scherbe. Eingangshallen
erschienen schnurgerad im Wüstenlicht.
So sah'n wir Träume in den Himmel fallen.


Moloch

Die Gärten prangen, Amethystgemäuer
umranken Abenderker aus Kristall,
für Liebe zahlt man heute Cyborgsteuer,
die Nächte gleißen: irisierendes Metall.
Das Leben formt sich aus zu Flederschwämmen,
die Menschenstädte sind wohl nur so echt
wie dürre Morcheln aus Myzelgeflecht,
und in das Waldlicht wachsen Domstadtdämme.



Eisenvorhang

  • Gast
Re: Die Glasmenschen (Als sie erwachten)
« Antwort #6 am: Mai 13, 2020, 18:23:13 »
Hey Sufnus!

Selbst wenn es Fundamentalkritik wäre, würde ich mich dafür bedanken. Es kommt immer darauf an wer die Kritik spricht und wie.

Wenn mir ein Thema im Kopf umhergeistert, denke ich erst nach und dann fließt es. Also tippen, tippen, löschen, tippen usw.
Und dann steht das Konstrukt, der Brei ist gerührt.

Leider bekomme ich es nur selten auf die Reihe am Werk zu feilen. Die Vorteile, die sich daraus ergäben, sind mir vertraut, auch gefühlt, weil bereits erfahren.
Die Zeit, die vergeht, in der ich eine Arbeit liegen lasse, entstehen neue Strohfeuer, die ich nieder brenne und ich vergesse die eigentliche Arbeit oder verliere das Interesse daran.

Hier gilt es für mich, mich zu disziplinieren, ich denke, dass ich davon profitieren würde und vor allem auch meine Arbeiten.

Für mich ist es sehr interessant wie du das Werk zerstückelt hast und welches Wirken sich daraus ergibt. Damit schuppst du mich in eine Richtung, die mich sehr interessiert.
(Ich bin mal so frei und verlinke dies: http://www.poetry.de/showthread.php?t=88664 oder dies: http://www.poetry.de/showthread.php?t=78950)

Das sind alles Arbeitsansätze und Methoden wie ich sie aus der Uni kenne und ich finde es echt gut und bin dafür dankbar.
Also: Egal welcher Laune du gerade unterworfen bist, ich nehme ernst was du kritisierst und arbeite damit.

Das Gedicht werde ich noch schleifen und bald eine zweite Version unter dem Original posten.

Ich danke dir! (Wie immer!)

vlg

EV
« Letzte Änderung: Mai 13, 2020, 19:26:51 von Eisenvorhang »