Autor Thema: Die Stille der Nacht  (Gelesen 1391 mal)

galapapa

Die Stille der Nacht
« am: Mai 17, 2014, 09:19:50 »
So gerne lausch ich in die Nacht hinein,
von ruhevollem Frieden sanft umflossen.
So heilsam in die Stille eingeschlossen,
erstehen die Gedanken seltsam rein.

Wie Wohltat hab ich das Vergessensein
im Schoße jener Dunkelheit genossen
und trank vertrauensvoll und unverdrossen
Besinnlichkeit wie süßen Seelenwein.

Erkenntnis fließt in endlos schwarzer Tiefe,
mit Sternenfunkeln feierlich geschmückt.
Mir ist, als ob darin die Antwort schliefe,

wenn Ewigkeit mir den Verstand erdrückt,
als ob da draußen etwas nach mir riefe
und mich dem Dasein nebelhaft entrückt.
« Letzte Änderung: Mai 22, 2014, 12:04:33 von galapapa »

Erich Kykal

Re:Die Stille der Nacht
« Antwort #1 am: Mai 17, 2014, 10:38:14 »
Hi, Charly!

Ein wunderbar lyrisches Sonett! Mich als "Weichmacher" der Sprache ;) stören die männlichen Kadenzen der umarmenden Reime in den Quartetten und in den Terzetten zwar ein wenig dabei, aber das ist (heutzutage  :-\) mein persönlicher subjektiver Geschmack.

S1Z2 - Über dein "friedenvoll" haben wir ja in einem anderen Faden schon gesprochen. Das Wort hört sich in dieser Form für mich einfach irgendwie "falsch" an. Hier stört das lange "i" in "frieden..." ein wenig die Klangmelodie der Zeile. Alternative: "von sternenlichter Ruhe..." oder " von schattenweicher Ruhe..." usw...

S1Z3 - die so baldige Wiederholung von "So..." kommt hier etwas robotisch. Alternative: "In solche Stille heilsam eingeschlossen"

Etwas unelegant wirkt noch das "da" eingangs von Z4 in S1. Alternative: "erblühen die Gedanken seltsam rein."

S1 mit den angedachten Änderungen:

So gerne lausch ich in die Nacht hinein,
von sternenlichter Ruhe sanft umflossen.
In solche Stille heilsam eingeschlossen
erblühen die Gedanken seltsam rein.

Ansonsten nix zu meckern! Sehr gern gelesen und mich damit treiben lassen!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Daisy

Re:Die Stille der Nacht
« Antwort #2 am: Mai 18, 2014, 17:11:01 »
Lieber Charly,

mir gefällt dein Sonett sehr und für mich sind die wechselnden Kadenzen keineswegs störend! Im Gegenteil, für mich hat dieser Wechsel eher einen reizvollen Effekt. Die Verse vermitteln ohnehin besonders schön die friedliche und ruhige Stimmung der Nacht und da erscheint mir der Kontrast durch den Kadenenzwechsel geradezu perfekt passend.
Dass die Gedanken in der nächtlichen Stille seltsam rein fließen, kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen, so ist es tatsächlich.  :)

Wunderschön und beruhigend, das perfekte Schlaflied!

Es grüßt dich herzlich
Daisy

galapapa

Re:Die Stille der Nacht
« Antwort #3 am: Mai 19, 2014, 15:57:07 »
Hallo Erich,
danke für Dein Lob und Deine Gedanken und Vorschläge!
Zu den wechselnden Kadenzen möchte ich sagen, dass mein persönlicher Geschmack ist, dass durchlaufend gleiche Endungen für mich eintönig und langweilig klingen. Einen soche Gleichmäßigkeit in einem solchen Text widerstrebt mir geradezu.
Den Begriff "friedvoll" habe ich nochmals gecheckt: Es ist nichts Falsches daran, auch nicht an "friedenvoll" und das Wort drück eben das aus, was ich sagen wollte. Außerdem möchte ich den Begriff "Sterne" nicht zweimal haben. Er lenkt mir zu sehr von der Aussage ab.
Die beiden "so" stören mich eigentlich wenig, allenfalls würde ich das zweite durch ein "denn" ersetzen, was allerdings weniger gut klingen würde und den Satz unnötig lang machen würde.
Besser also, den ersten Vers zu ändern.
Im letzten Vers dieser Strophe war mir der Begriff der "fließenden Gedanken" sehr wichtig. "Erblühen" klingt zwar wunderbar, ist mir aber für meine Aussage eher unpassend. Hinzu kommt, dass ich die Form "so...da" sehr mag wegen der Möglichkeit eines sehr ausdrucksvollen Vortrages.
Nochmals danke, Erich, und herzliche Grüße!
Charly

Liebe Daisy,
danke für Dein schönes Lob!
Es sind die Ruhe und Stille, die diesen besonderen Gedankenfluss ermöglichen, so glaube ich und wenn man in diese schwarze Unendlichkeit hinausschaut, dann relativiert sich alles, auch Probleme, die einen quälen. Das kann sehr heilsam sein.
Liebe Grüße an Dich!
Charly

cyparis

Re:Die Stille der Nacht
« Antwort #4 am: Mai 19, 2014, 20:23:14 »
Hallo, Charly  -

da bleibt mir ja nur noch wenig zu sagen.
Da ich immer (immer!) aus dem Bauch herauskommentiere, schließe ich mich dem Lob an.
Das Melodische in den Strophen spricht mich besonders an.

Subjektive Anregung von meiner Seite:

So gerne lausch ich in die Nacht hinein,
von ruhevollem Frieden sanft umflossen.
So heilsam in die Stille eingeschlossen;
da fließen die Gedanken seltsam rein.




Lieben Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

galapapa

Re:Die Stille der Nacht
« Antwort #5 am: Mai 20, 2014, 08:47:40 »
Liebe Cyparis,
danke für Dein Lob und Deine Gedanken!
Das Semikolon möchte ich nicht übernehmen, da es mir hier speziell auf die Formulierung "so...da" im Sinne von "wenn...dann" ankommt.
Ich mag diese Ausdrucksweise ihrer ausdrucksvollen Darstellbarkeit beim Lesen wegen.
Liebe Grüße!
Charly

a.c.larin

Re:Die Stille der Nacht
« Antwort #6 am: Mai 22, 2014, 10:43:09 »
hi charly,

ich kann mich dem lob meiner vorredner nur anschließen und dir gleich meine lieblingszeile verraten:


"als ob da draußen etwas nach mir riefe"

oft genauso gespürt, genauso empfunden - mittlerweile felsenfest davon überzeugt: da draußen ruft tatsächlich was nach uns (wir sind meist aber viel zu beschäftigt, um es zu hören).
daher ist die nacht mit ihrere stille ein großer lehrmeister, was das hinhören betrifft.

wie sagte doch rilke ? "ich glaube an nächte".
ja, genau!


gerne gelesen und darin genachtwendelt,
larin


cyparis

Re:Die Stille der Nacht
« Antwort #7 am: Mai 22, 2014, 10:48:08 »
Lieber Charly -


mir ging es vordergründig um den
ruhevollen Frieden.

Nachbemerkung:
So wie larin empfinde ich auch.
Ich weiß sogar manchmal, was oder wer ruft.

Lieben Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
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galapapa

Re:Die Stille der Nacht
« Antwort #8 am: Mai 22, 2014, 12:03:37 »
Liebe larin,
hab herzlichen Dank für Dein Lob und Deine Gedanken zu meinem Text!
Ich nehme mir einfach die Zeit (wenn auch in meinem fortgeschrittenen Alter ein gewisses Organ mich des Öfteren in den Nächten wachruft ;D), nur einfach in die Nacht zu lauschen und in die Unendlichkeit hinauszuschauen, meist in meiner Hängematte. Ich kenne kaum beschaulichere und beruhigendere Momente. Beim Blick ins All relativiert sich für mich alles, auch ich mich selbst mitsamt eventueller Probleme und jedes Mal spüre ich dann auch etwas, das sich anfühlt wie ein Kontakt, der nicht ins Bewusstsein durchdringt.
Danke auch für den Spruch von Rilke; den kannte ich noch nicht und da stelle ich mich voll dahinter.
Liebe Grüße!
Charly

Liebe Cyparis,
das hab ich doch glatt übersehen! Wahrscheinlich, weil's einfach verdreht ist. Entschuldige!
Das gefällt mir tatsächlich besser und ich nehme Deinen Vorschlag dankend an!
Auch hat mir das zweimalige "Fließen" nicht gefallen und ich habe die erste Strophe umgeschrieben, so dass er nun auch Erich besser gefallen wird.
Also, danke nochmal und liebe Grüße!
Charly
« Letzte Änderung: Mai 22, 2014, 12:05:57 von galapapa »

a.c.larin

Re:Die Stille der Nacht
« Antwort #9 am: Mai 23, 2014, 19:28:31 »
lieber charly,
der "spruch" von rilke stammt aus einem seiner gedichte.

jetzt hab ichs gegoogelt und kann es dir somit in voller länge präsentieren:


Du Dunkelheit(R.M. Rilke)

Du Dunkelheit, aus der ich stamme,
ich liebe dich mehr als die Flamme,
welche die Welt begrenzt,

indem sie glänzt
für irgend einen Kreis,
aus dem heraus kein Wesen von ihr weiß.

Aber die Dunkelheit hält alles an sich:
Gestalten und Flammen, Tiere und mich,
wie sie's errafft,
Menschen und Mächte -

Und es kann sein: eine große Kraft
rührt sich in meiner Nachbarschaft.

Ich glaube an Nächte.




als "nachtgeborene kann ichs nur wieder und wieder unterschreiben!
lg, larin



cyparis

Re:Die Stille der Nacht
« Antwort #10 am: Mai 23, 2014, 20:48:44 »
Lieber Charly,


und noch ein Nachtisch:

So, heilsam in die Stille eingeschlossen,
erstehen die Gedanken seltsam rein.


Was meinst Du dazu?

Grüße
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
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galapapa

Re:Die Stille der Nacht
« Antwort #11 am: Mai 27, 2014, 11:49:41 »
Liebe Cyparis,
ich sehe beide Verse als eine Aussageeinheit: "So" und "eingeschlossen" gehören zusammen. Der Folgevers könnte dann auch mit einem "dann" beginnen, im Sinne von "wenn...dann".
Durch das Komma würde diese Einheit zerstört. Warum diese umständliche Ausdrucksweise? Nun, ich nutze sie vorwiegend für den Vortrag; dabei kann ich diese Passage besonders herausheben.
Liebe Grüße!
Charly

cyparis

Re:Die Stille der Nacht
« Antwort #12 am: Mai 27, 2014, 13:25:58 »
Das leuchtet mir Unbelichtetem ein. ;)
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
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