Hi, Charly!
Ein ergreifendes Gedicht, vor allem die letzte Strophe! Da ist wohl wieder einer deiner von dir betreuten Menschen gegangen - und ich frage mich immer wieder, wie du die Kraft findest, dir das anzutun. Du musst das wohl gänzlich anders betrachten als ich.
Mein Beileid also - und meine Bewunderung für deinen Mut, sich mit dem Endenmüssen so hautnah und direkt auseinanderzusetzen. Ich gebe ehrlich zu - ich könnte das nicht! Ich bin vor dem Tod meiner Mutter geflohen, schaffte es nicht, in der letzten Stunde bei ihr zu sein, indem ich mir unbewusst einredete, es wäre doch noch Zeit. Der Gedanke an ihren Tod war mir so unerträglich, dass ich ihn in mir weglog und so tat, als ginge es immer noch irgendwie weiter. So erreichte mich der Anruf daheim, mitten in der Nacht, und das, nachdem man mir am Tag zuvor gesagt hatte, es könne nun jederzeit soweit sein. Ich schaffte es nicht, bei ihr zu bleiben, schob den Tod von mir, so weit wie nur möglich, leugnete ihren Zustand und schaffte irgendwie, mich so weit zu betäuben, dass ich es fertigbrachte, sie im Krankenhaus allein zu lassen. Die Ärzte irren sich, es ist noch nicht so weit, sagte ich mir immer wieder. Ich wollte, dass es nie so weit sein sollte.
Heute schäme ich mich dafür und denke daran, dass es meiner Mutter dereinst mit ihrer Mutter ebenso erging: Sie selbst hatte es mir Jahre vor ihrem Tod erzählt, dass sie sich schäme, weil sie es nicht geschafft hatte, am Totenbett ihrer Mutter zu bleiben - und nun hatte ihr eigener Sohn es ebenso gemacht! Sie liegt wohl in der Familie - diese Angst vor dem Tod, vor dem unausweichlichen Ende, dem eigenen wie dem Verlust geliebter Menschen! Ich kann nicht gut damit umgehen, nicht so wie du, der sich sogar um anfänglich gänzlich Fremde kümmert und sie begleitet, sich auf sie einlässt, wohlwissend, dass der Augenblick des Abschieds oft nahe ist und unweigerlich kommen wird. Das zeigt eine innere Größe, die ich nie aufgebracht habe. So gesehen verdiene ich es, dereinst selbst alleine zu sterben, und werde mit diesem Umstand auch nicht hadern.
Dir aber gebührt höchste Anerkennung für soviel tätige Nächstenliebe. Ich hoffe, dein Umfeld wird das entsprechend honorieren - nicht mit irgendwelchen offiziellen Dankesreden und einer billigen Verdienstnadel oder so, obwohl dir derlei natürlich auch gegönnt sei - nein, mit jedem aufrichtig empfundenen Dankeschön aus tiefstem Herzen, das dir alles zurückgeben möge, was du je gabst!
Solltest du je ein Lebensmotto brauchen, so rate ich zu diesen Zeilen von Christian Morgenstern:
Ich hebe gerne Blumen auf vom Boden,
die andre achtlos fortgeworfen haben,
und gebe ihnen, was man Blumen gibt.
So sterben sie, statt kalt im Kot begraben,
doch noch den süßesten von allen Toden:
den Tod bei einem Wesen, das sie liebt.
Ergriffene Grüße, eKy