Autor Thema: Es ist gut  (Gelesen 1018 mal)

galapapa

Es ist gut
« am: April 16, 2014, 23:53:27 »
Gewidmet meiner Freundin Liselotte Streckbein



Es waren ihre Worte, und sie klangen
noch nach im Trauerglockenton,
mit unhörbarem Klagelaut synchron,
in stiller Schwermut des Moments gefangen.

Es lag etwas Befreiendes darinnen,
ein tiefer Frieden, der dabei entstand,
in einem müden Lächeln Ausdruck fand
und spürbar war im Abschied ein Beginnen.

Es waren ihre Worte und sie klangen
schon fast ein wenig froh, beseelt von Mut:
„Der Weg wird mir zu steinig, es ist gut.“
Und bald darauf ist sie erlöst gegangen.

« Letzte Änderung: April 17, 2014, 09:44:53 von galapapa »

Erich Kykal

Re:Es ist gut
« Antwort #1 am: April 18, 2014, 23:05:30 »
Hi, Charly!

Ein ergreifendes Gedicht, vor allem die letzte Strophe! Da ist wohl wieder einer deiner von dir betreuten Menschen gegangen - und ich frage mich immer wieder, wie du die Kraft findest, dir das anzutun. Du musst das wohl gänzlich anders betrachten als ich.

Mein Beileid also - und meine Bewunderung für deinen Mut, sich mit dem Endenmüssen so hautnah und direkt auseinanderzusetzen. Ich gebe ehrlich zu - ich könnte das nicht! Ich bin vor dem Tod meiner Mutter geflohen, schaffte es nicht, in der letzten Stunde bei ihr zu sein, indem ich mir unbewusst einredete, es wäre doch noch Zeit. Der Gedanke an ihren Tod war mir so unerträglich, dass ich ihn in mir weglog und so tat, als ginge es immer noch irgendwie weiter. So erreichte mich der Anruf daheim, mitten in der Nacht, und das, nachdem man mir am Tag zuvor gesagt hatte, es könne nun jederzeit soweit sein. Ich schaffte es nicht, bei ihr zu bleiben, schob den Tod von mir, so weit wie nur möglich, leugnete ihren Zustand und schaffte irgendwie, mich so weit zu betäuben, dass ich es fertigbrachte, sie im Krankenhaus allein zu lassen. Die Ärzte irren sich, es ist noch nicht so weit, sagte ich mir immer wieder. Ich wollte, dass es nie so weit sein sollte.
Heute schäme ich mich dafür und denke daran, dass es meiner Mutter dereinst mit ihrer Mutter ebenso erging: Sie selbst hatte es mir Jahre vor ihrem Tod erzählt, dass sie sich schäme, weil sie es nicht geschafft hatte, am Totenbett ihrer Mutter zu bleiben - und nun hatte ihr eigener Sohn es ebenso gemacht! Sie liegt wohl in der Familie - diese Angst vor dem Tod, vor dem unausweichlichen Ende, dem eigenen wie dem Verlust geliebter Menschen! Ich kann nicht gut damit umgehen, nicht so wie du, der sich sogar um anfänglich gänzlich Fremde kümmert und sie begleitet, sich auf sie einlässt, wohlwissend, dass der Augenblick des Abschieds oft nahe ist und unweigerlich kommen wird. Das zeigt eine innere Größe, die ich nie aufgebracht habe. So gesehen verdiene ich es, dereinst selbst alleine zu sterben, und werde mit diesem Umstand auch nicht hadern.

Dir aber gebührt höchste Anerkennung für soviel tätige Nächstenliebe. Ich hoffe, dein Umfeld wird das entsprechend honorieren - nicht mit irgendwelchen offiziellen Dankesreden und einer billigen Verdienstnadel oder so, obwohl dir derlei natürlich auch gegönnt sei - nein, mit jedem aufrichtig empfundenen Dankeschön aus tiefstem Herzen, das dir alles zurückgeben möge, was du je gabst!

Solltest du je ein Lebensmotto brauchen, so rate ich zu diesen Zeilen von Christian Morgenstern:

Ich hebe gerne Blumen auf vom Boden,
die andre achtlos fortgeworfen haben,
und gebe ihnen, was man Blumen gibt.

So sterben sie, statt kalt im Kot begraben,
doch noch den süßesten von allen Toden:
den Tod bei einem Wesen, das sie liebt.

Ergriffene Grüße, eKy
« Letzte Änderung: April 19, 2014, 09:47:59 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

galapapa

Re:Es ist gut
« Antwort #2 am: April 19, 2014, 18:28:42 »
Hallo Erich,
hab lieben Dank für Deine berührenden Worte zu meinem Gedicht.
Ich will Dir zu Deinen Zeilen noch sagen, dass ich, was ich da tue, nicht ganz uneigennützig tue, so seltsam das jetzt klingen mag. Ich habe oft in Rückbesinnungen auf mein Leben gewünscht, so Manches wieder gutmachen zu können, was ich Anderen an Enttäuschungen und seelischen Schmerzen zugefügt habe. Es waren dies eben die kleinen und großen Gemeinheiten aus Egoismus oder Bosheit, mit denen jeder im Gewissen fertig werden und leben muss. Angefangen beim Mobbing in der Schule, das man nicht verhindert oder gar mitgemacht hat, über die Sorgen, die man den Eltern und Anderen bereitet hat, bis hin zu den Untaten im Alltag und Berufsleben.
Das heißt nun nicht, dass ich es besonders schlimm getrieben hätte, nein, wohl nur durchschnitt, nur quälen mich solche Gedanken und ich versuche eben auf meine Weise, etwas mit Gutem wieder gutzumachen. Und dabei ist die Dankbarkeit, die ich erfahre, Balsam für die Seele.
Deine Worte haben mich berührt. :)
Liebe Grüße und ein schönes Osterfest!
Charly

Curd Belesos

Re:Es ist gut
« Antwort #3 am: April 20, 2014, 00:39:02 »
moin moin galapapa,

mit fast den gleichen Worten ging meine Schwiegermutter.

Dein Gedicht weckt Erinnerung, da es "lautlos" daher kommt.

Danke, Curd
Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

galapapa

Re:Es ist gut
« Antwort #4 am: April 20, 2014, 08:41:53 »
Hallo Curd,
danke für Dein Lob!
Lautlos, weil es von Herzen kam.
Liebe Ostergrüße an Dich!
Charly

gummibaum

Re:Es ist gut
« Antwort #5 am: April 22, 2014, 19:20:53 »
Hallo galapapa,

starkes Lob von meiner Seite. Das Gedicht drückt wunderschön den friedlichen Wechsel vom Leben in den Tod als einer Hoffnung aus. Es strahlt eine große Ruhe aus. Ich habe auch ganz persönlich daran Anteil und danke vielmals.

LG gummibaum

galapapa

Re:Es ist gut
« Antwort #6 am: April 22, 2014, 22:12:32 »
Hallo Gummibaum,
danke für die anerkennenden Worte!
Ich habe schon einige alte Menschen gehen sehen und diesen Frieden, der im Abschied liegen kann, miterlebt.
Im vorliegenden Fall hat ein Sohn bei der Trauerfeier so ergreifend gesprochen, dass man mit am Sterbebett gesessen zu haben meinte...
Liebe Grüße!
Charly

cyparis

Re:Es ist gut
« Antwort #7 am: April 24, 2014, 19:22:07 »
Ein starkes Gedicht, ein tiefes Gedicht, das mich sehr bewegt zurückläßt.
Wie immer aus Deiner Feder meisterlich gestaltet,
Du Könner!


Laß Dich herzlich grüßen, Galapapa,

von
Cyparis
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