Autor Thema: Ein Sommermorgen  (Gelesen 2401 mal)

Daisy

Ein Sommermorgen
« am: Mai 20, 2013, 19:59:07 »
Durch die Stille tasten Strahlen
zögernd in das Morgengrau,
wecken sanft den Tag und malen
nach und nach den Himmel blau.

Aus den Wiesen steigt ein Funkeln,
Silberperlen, hell wie Glas,
blitzen, schimmern in dem dunkeln,
frühtaunassen Sommergras,

das bis an den Waldsaum brandet,
wo ein altes Wegkreuz steht
und ein Bussard wachsam landet,
während er nach Beute späht.

Stimmen und Geräusche fallen
tropfend ein in die Idylle
und des Tages weites Schallen
tilgt frühmorgendliche Stille.
« Letzte Änderung: Februar 15, 2014, 14:37:45 von Daisy »

gummibaum

Re:Ein Sommermorgen
« Antwort #1 am: Mai 21, 2013, 18:06:45 »
Hallo Daisy,

das "Morgenlicht" zeigt sich diesmal klingender und frischer und statt der Ferne kommt das Detail, das Schillern der Tropfen, die Kopfbewegung des Vogels zu Wort. Die letzte Strophe, in der der Tag die Stimmung auflöst, ist durch die vier weiblichen Kadenzen auch rhythmisch verändert und dass die Stille ins Schallen flieht, ist eine interessante logische Umkehr. Gern gelesen.

LG gummibaum

cyparis

Re:Ein Sommermorgen
« Antwort #2 am: Mai 22, 2013, 10:32:01 »
Liebe Daisy -

auf solche Details wie gummibaum achte ich gar nicht, ich lese wohl ohne den nötigen Abstand.
Ich lasse Gedichte ganz auf mein Empfinden wirken und hier kann ich wieder bestätigen:

Ich bin beglückt!
Dieses Singen, Klingen, Schwingen all der schönen Bilder - herrlich!


Herzlichen Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Daisy

Re:Ein Sommermorgen
« Antwort #3 am: Mai 22, 2013, 20:33:58 »
Hallo gummibaum, liebe Cyparis,

eure Kommentare erfreuen mich beide gleichermaßen.
Einerseits die detaillierte Analyse und andererseits das pure Erfühlen, ich danke euch!

Liebe Abendgrüße von
Daisy

Erich Kykal

Re:Ein Sommermorgen
« Antwort #4 am: Mai 22, 2013, 22:07:04 »
Hi, Daisy!

Sehr gut gemacht, sehr lyrisch und einfühlsam beschrieben!

Zwei Einwände hätte ich, und zwar zu den ersten und letzten beiden Zeilen des Gedichts:

S1Z1,2 - Zweimal "in": "In die Stille" und "in das Morgengrau" im gleichen Satz, mit dem gleichen Bezug? - Ja, was nun? Das stört sich.
Vorschlag: "Aus der Stille tasten Strahlen // zögernd in das Morgengrau"

S3Z3,4 - Gemeint ist logischerweise, dass die frühmorgendliche Stille des Tages weites Schallen flieht, doch durch die reimbedingte Umstellung in Z4 ist das sehr schwer nachvollziehbar - man geht beim Lesen automatisch davon aus, dass sich das "flieht" auf das "Schallen" aus Z3 bezieht! - Ein Stolperstein!
Vorschlag: "tilgt die morgentliche Stille."

Das wär's auch schon! Ansonsten nur voller Fühl genossen! Verbeuger!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Daisy

Re:Ein Sommermorgen
« Antwort #5 am: Mai 23, 2013, 20:10:09 »
Hallo Erich,

dein lobender Kommentar stimmt mich fröhlich! Vielen Dank!

In der ersten Strophe habe ich beim Einstellen einen Fehler gemacht, denn im Original heißt es in V2 "zögernd durch das Morgengrau".
Den letzten Vers habe ich nach deiner Anregung geändert und bedanke mich ganz verschämt für den guten Tipp.  :) ;)

Freut mich, dass du's genießen konntest!

LG Daisy

Erich Kykal

Re:Ein Sommermorgen
« Antwort #6 am: Mai 23, 2013, 20:12:23 »
Nur mal so nebenbei nachgefragt: Wäre "Aus der Stille..." nicht logischer?

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Daisy

Re:Ein Sommermorgen
« Antwort #7 am: Mai 23, 2013, 20:40:06 »
Das fragst du eine Frau, Erich?  ;D  Logik, was ist das!?

Mein Gefühl! sagt, dass es mir besser gefällt, wenn die ersten zwei Strophen nicht alle beide mit "Aus" beginnen.
Vielleicht fällt mir ja ganz plötzlich noch was völlig anderes ein, kommt manchmal vor.

Lasse mich aber gern von dir überzeugen, wenn die Logik dann auch mit meinem Empfinden übereinstimmt!  :)

LG Daisy

P.S. Hab mich spontan entschieden in der ersten Strophe an den besagten Stellen die Wörter zu tauschen. So lass ich es vorläufig mal.
« Letzte Änderung: Mai 23, 2013, 22:25:56 von Daisy »

cyparis

Re:Ein Sommermorgen
« Antwort #8 am: Mai 23, 2013, 23:11:03 »
Durch die Stille tasten Strahlen
zögernd in das Morgengrau,
wecken sanft den Tag und malen
nach und nach den Himmel blau.

Aus den Wiesen steigt ein Funkeln,
Silberperlen, hell wie Glas,
blitzen, schimmern in dem dunkeln,***
frühtaunassen Sommergras,

das bis an den Waldsaum brandet,
wo ein altes Wegkreuz steht
und ein Bussard ruhig landet,**
während er nach Beute späht.

Stimmen und Geräusche fallen
tropfend ein in die Idylle,
und des Tages weites Schallen*
tilgt frühmorgendliche Stille.




Na, dann, liebe Daisy -

noch drei Tupfer Senf zu Deinem betörenden Gedicht:


*Hallen?
** lautlos (Bussarde hört man  s e h r  selten landen)

***  in dem dunkeln paßt eigentlich nur bei einem Substantiv.
Hier wäre
"in dem dunklen...." -
na ja - grammatikalisch und so...
Aber was geschieht dann mit dem Reim?

Ach, ich hab gar nix gemäkelt!!!
Wollte nur zeigen, daß ich das Gedicht nicht nur einmal gelesen habe.


Herzlichen Nachtgruß
von
Cyparis




Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re:Ein Sommermorgen
« Antwort #9 am: Mai 24, 2013, 09:35:34 »
Hi, Cypi!

Wenn ich mich mal einmischen darf: "dunkeln" statt "dunklen" als Adjektiv ist eine alte, aber korrekte Form - Rilke hat sie praktisch immer verwendet.

Heute kennt man zumeist nur noch im "Dunkeln" oder "nachdunkeln", da hat es sich erhalten.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Daisy

Re:Ein Sommermorgen
« Antwort #10 am: Mai 24, 2013, 11:09:34 »
Liebe Cyparis,

dass du dich erneut mit meinem Gedicht befasst hast, freut mich, auch das wiederholte Lesen!  :)

Zu deinen Anmerkungen will ich gerne meine Überlegungen ausführen.

*Hallen:
Habe ich in den Ohren, wenn in leeren, unmöblierten Räumen, auch in großen Sälen,
also in geschlossenen Räumen, gesprochen oder gelärmt wird.
Als Schallen empfinde ich Geräusche, die im Freien über eine gewisse Distanz getragen werden
und oftmals weithin hörbar sind.

**lautlos:
Mit "ruhig landet" wollte ich ausdrücken, dass das Landen nicht hektisch ablief. Geräuschlos war damit eigentlich nicht gemeint.
Ich hatte anfänglich an "hastig" oder "eilig" gedacht, aber das passte für mein Empfinden nicht so gut in die morgendliche Stille
und ein vorteilhafteres Wort als "ruhig" ist mir leider bisher noch nicht eingefallen. Vielleicht ergibt sich ganz überraschend noch etwas!

***dunkeln:
Da in diesem Fall Erich bereits die Erklärung geliefert hat, bleibt mir nur, mich bei ihm für die exakte Ausführung zu bedanken.

Also, Reim gerettet, alles gut!  ;)

Ganz herzlichen Dank und recht liebe Grüße von
Daisy



cyparis

Re:Ein Sommermorgen
« Antwort #11 am: Mai 24, 2013, 11:33:57 »
Kleinlaute Grüße Euch Beiden


aus meinem befiederten Dunkel! :-*
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Daisy

Re:Ein Sommermorgen
« Antwort #12 am: Mai 24, 2013, 21:11:10 »
Aber nicht doch, liebe Cyparis,
deine Meinung und deine Hinweise, die ich sehr zu schätzen weiß,
sind ein wertvoller Beitrag und wichtiger Bestandteil der ganzen Lyrik Szene!

Alles Liebe  :-*
von
Daisy

Aspasia

  • Gast
Re:Ein Sommermorgen
« Antwort #13 am: Mai 31, 2013, 15:20:55 »
Ein wunderschönes Gedicht! Herrliche Bilder und klasse Rhythmus. Dass die letzte Strophe in den Kadenzen abweicht, ist - da der Ausklang des Gedichts - nicht störend, sondern legt einfach nur etwas mehr Eile hinein.

Aspasia

Daisy

Re:Ein Sommermorgen
« Antwort #14 am: Mai 31, 2013, 18:06:44 »
Hallo Aspasia,

vielen Dank für den positiven Kommentar!

Deine Meinung zur letzten Strophe freut mich. Ich hatte einfach das Gefühl,
dass sich mit dem Weichen der Stille ohne weiteres auch etwas mehr Tempo bemerkbar machen darf.

LG Daisy