Autor Thema: Aufbruch  (Gelesen 1793 mal)

Daisy

Aufbruch
« am: August 30, 2014, 18:58:05 »
Der Abschied naht -
die Stunden fliehn,
der Sommer spendet letzte Wärme.
Schon sammeln sich mit viel Gelärme
auf freiem Feld die Vogelschwärme,
um fort zu ziehn.

Du stehst vor mir -
noch fühl ich dich,
doch fremd sind nunmehr deine Züge.
Geleert sind einstmals volle Krüge,
sie neu zu füllen wäre Lüge,
so füg ich mich.

Der Abschied naht -
nun wirst du gehn,
brichst auf zu einer langen Reise,
verlässt dir liebgewordne Kreise.
Du winkst noch einmal und sagst leise:
Auf Wiedersehn...
« Letzte Änderung: September 01, 2014, 18:56:08 von Daisy »

Erich Kykal

Re:Aufbruch
« Antwort #1 am: August 30, 2014, 20:05:07 »
Hi, Daisy!

Wunderbar wie alles aus deiner Feder!

So schön gefügt und mitnehmend, dass gar nicht auffällt, dass die jeweils ersten Zeilen der Strophen gar keinen Reim finden. Interessant und erfrischen, geradezu hypnotisch in der Wirkung sind die 3 gleichreimigen Zeilen in der jew. Strophenmitte.

S1Z5 - Ich denke, da sollte ein Komma sein am Zeilenende.

Inhaltlich ein gefasstes, wenn auch wehes Abschiednehmen am Ende einer Beziehung. dieses Loslassenkönnen ohne Groll oder Besitzanspruch ist eine seltene Gabe und verleiht - wenn vorhanden - menschliche Größe.

Allergernst gelesen und genossen!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re:Aufbruch
« Antwort #2 am: August 30, 2014, 20:12:56 »
Hallo Daisy,

dem Thema des Gedichts "Sommerliebe" verwandt. Die Abschiede des Sommers und der Liebe sind hier sehr schön miteinander verbunden. Eingängige Bilder (geleerte Krüge) unterstützen das Gefühl vom unaufhaltsamen Ende. Auch das Anwachsen der Silbenzahl in jeder Strophe und ihre Reduzierung auf die Ausgangsmenge am Ende unterstreicht, dass alles wieder in den Zustand vor Beginn der belebenden Phase zurückfällt.

Sehr gern gelesen.
LG gummibaum    

Daisy

Re:Aufbruch
« Antwort #3 am: September 01, 2014, 18:55:45 »
Hallo Erich,

deine gute Meinung meine Schreiberei betreffend freut mich sehr und ist ein schöner Hinweis darauf, dass ich mittlerweile doch die Regeln der Metrik anzuwenden verstehe.

Natürlich hätte ich auch die jeweils ersten beiden Verse in einen Vers fassen können, damit wäre die Anzahl der Hebungen gleich wie in den folgenden drei und es gäbe keinen reimlosen ersten Vers. Mir gefiel aber diese Form der Strophen besser und so habe ich eben diese Anordnung gewählt.

Danke für den Komma-Hinweis und natürlich auch für den feinen Kommentar!

Lieben Gruß
Daisy


Hallo Gummibaum,

du hast ganz richtig erkannt, dass dieses Gedicht mit der "Sommerliebe" ganz eng verwandt ist.
Für mich ist das Ende des Sommers immer mit Wehmut verbunden und weckt ganz ähnliche Gefühle wie die Trennung von einem geliebten Menschen. Es ist für mich daher nahe liegend die beiden Ereignisse in einem Gedicht zusammen zu bringen. Durch das "Auf Wiedersehn..." am Ende soll jedoch angedeutet werden, dass nicht nur der Sommer, sondern vielleicht auch das scheidende lyrische Du wiederkehren könnte.

Vielen Dank für deine ausführlichen Anmerkungen!

Lieben Gruß
Daisy

cyparis

Re:Aufbruch
« Antwort #4 am: September 02, 2014, 06:27:00 »
"Wunderschön", liebe Daisy,

ist ein sehr unzulänglicher und magerer Ausdruck für das, was ich beim Lesen dieser eindringlich-betörenden Verse empfand.
Und welch ein hinreißendes Gerüst!
Die kurzen Strophen-EndVerse:
Wie gemeißelt und dennoch pastös getupft - eine Kostbarkeit.


Beinahe sprachlos:
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Daisy

Re:Aufbruch
« Antwort #5 am: September 04, 2014, 11:02:22 »
Liebe Cyparis,

der "magere" Ausdruck ist für mich ein sehr schönes Lob, das mir große Freude bereitet!
Vielen Dank für deine anerkennenden Worte!

Ganz lieben Gruß
von
Daisy