Autor Thema: Überall, irgendwo  (Gelesen 1741 mal)

a.c.larin

Überall, irgendwo
« am: September 03, 2012, 11:04:02 »
Und während wir noch stolze Brücken bauen,
vergilbt ein Bildnis, eh wirs recht verstehn,
verblühen Blumen, die wir nie mehr schauen,
verklingen Lieder, die im Wind verwehn.

Und während wir noch bunte Träume weben,
vertropft die Zeit in ihrem Stundenglas,
erschöpft sich irgendwo ein Menschenleben,
erlischt ein Stern im All, erfüllt sein Maß.

Und während wir noch weinen und uns sorgen,
kommt irgendwo ein Kind zur Welt und lacht,
führt irgendwo das Dämmerlicht ins Morgen
und Abendröte weist den Weg zur Nacht.


(In memoriam Günter Mehlhorn)
 

cyparis

Re:Überall, irgendwo
« Antwort #1 am: September 03, 2012, 13:06:27 »
Ich kann jetzt nicht antworten.
Bin tränenblind.
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

a.c.larin

Re:Überall, irgendwo
« Antwort #2 am: September 03, 2012, 13:09:47 »
musst auch gar nix sagen.

ich versteh dich - hab seit gestern auch ganz nasse augen.
unglaublich, wie mir dieser mensch ins herz gewachsen ist!

prost günter!
die nächste runde geht auf dich!

lg, larin

Seeräuber-Jenny

Re:Überall, irgendwo
« Antwort #3 am: September 03, 2012, 20:34:51 »
Gestern habe ich es noch nicht so realisiert. Heute bin ich nichts als traurig. Aber wie du schreibst, ein Kind kommt zur Welt und das Leben geht weiter.

Lieben Gruß
Jenny
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

Erich Kykal

Re:Überall, irgendwo
« Antwort #4 am: September 05, 2012, 12:06:34 »
Hi, larin!

Wäre der Anlass kein so bedauerlicher, ich würde hier viel ausführlicher schreiben, wie wunderbar ich dein Gedicht auf ihn finde! Eins deiner in sich stimmigsten, besten...

Es wird diesem guten Menschen in jeglicher Hinsicht gerecht und ist Trauer und Trost zugleich!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

a.c.larin

Re:Überall, irgendwo
« Antwort #5 am: September 05, 2012, 16:30:23 »
lieber erich,
ich danke dir sehr für deine einfühlsamen worte.

es gibt eben gedichte und gedichte: manche entspringen dem wissen, dem können, der erfahrung oder der routine.
andere aber - ganz wenige - schreibt man wie in trance, so, als kämen da die worte "von drüben" .
dieses ist eines von jenen wenigen.

wo auch immer und was auch immer dieses "da drüben" sein mag, in dem augenblick,  wo es in die welt hineinreicht,
entsteht so etwas wie ein licht im dunkeln. darüber bin ich sehr froh.

ich nenne es : das wort an sich. dem fühle ich mich verpflichtet.


liebe jenny;
ein mensch verlässt die erde und ein anderer betritt sie - und alles passiert zur gleichen zeit, in jedem augenblick.
vielleicht sind ja auch tod und leben nichts weiter als geschwister, die hand in hand gehen - der eine im lichte, der andere im schatten.

irgendwo steht ja auch geschrieben: fürchtet euch nicht!
ich glaube, das ist sehr wahr.

ich umarme euch!
larin

Erich Kykal

Re:Überall, irgendwo
« Antwort #6 am: September 05, 2012, 19:39:33 »
Hi, larin!

Das ist genau das, was ich immer sage: Deine Spassgedichte, das sind deine Wissens-, Könnens-, Erfahrungs- und Routinegedichte.
Aber etwas wie dies: Da erkennt man, dass der Autor ganz bei sich, eins mit sich war, aus welchem Anlass auch immer - und das kennt man solchen Werken auch sofort an!
Das ist wirklich große Lyrik, und darum bettle ich dich ja auch immer an, diese Richtung zu forcieren. Okay, falsches Wort - erzwingen lässt sich das nicht. Mir fällt nur auf, dass du - nach meinem Empfinden anhand dessen, was ich so mitbekomme, wohlgemerkt - bei Lesungen oder sonstigen Auftritten immer den Schwerpunkt auf deine "lustigen" Gedichte zu legen scheinst, so als würdest du dir oder dem Publikum in Hinsicht auf die ernste Muse zu wenig zutrauen. Dieses Gedicht (und viele andere) widerlegen den ersten Punkt, und der Hörerschaft solltest du durchaus mal einen Schwerpunkt "Elegisches" zumuten. Ich zumindest finde, dass du ebendarin deine wirklichen Qualitäten ausspielst - das, was den Durchschnittsreimer vom echten Poeten abhebt.
Aber das hab ich ja alles so oder so ähnlich schon mal gesagt...

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

a.c.larin

Re:Überall, irgendwo
« Antwort #7 am: September 06, 2012, 08:32:22 »
Hi Erich,

du meinst , ich sollte endlich mal meinem "Bildungsauftrag" nachkommen und nicht bloß die Zeit verblödeln?
Hm ja - da kann schon was dran sein.
Denn sicher hungern Menschen auch nach Tiefe.

Ich seh halt auch die andere Seite: Tiefe lässt sich nicht erzwingen - und man kann seinen Vortrag auch mit Tiefe überfrachten.
Gestresste Menschen ( und davon gibts in der heutigen Zeit genug) haben auch ein Bedürfnis nach Entspannung, Heiterkeit , Unterhaltung.
Kluge Unterhaltung hat genauso Seltenheitswert. Gerade der Witz muss nämlich aus der Tiefe schöpfen - sonst wird er dämlich und banal.

Für mich persönlich ist das Heiter- Sein insoferne ein großes Geschenk an mich, als ich das als junger Mensch gar sein KONNTE -
ich fühlte mich schwer und beladen, so als wäre ich 10.000 jahre alt!
(Mittlerweile weiß ich, woher dieses Lebensgefühl rührte)
Lebenslust und Lebensfreude musste ich mir wirklich Stück um Stück erkämpfen - und hab auch eine hohen Preis gezahlt, damit das möglich war.

Ich denke daher, dass meine Aufgabe  auch darin liegt, ein sehr weiten Bogen zu spannen und diese Verbindung zu verkörpern: Von unglaublich albern bis hin zu spirituell/ tiefernst - weil alles Teil meiner selbst ist, und weil ich nichts gering achte, weder das eine noch das andere und auch nicht das, was dazwischen liegt.
Die Übergänge sind fließend.

Das Schwere und das Leichte, das Ernste und das Heitere sind nämlich auch Geschwister.

Aber ich versprech dir: Ich denk jetzt mal über ein "gescheites" Buch nach - dafür wird die Auszeit gut sein.

Liebe Grüße - und danke, dass du auf mich aufpasst!
larin
« Letzte Änderung: September 06, 2012, 08:36:00 von a.c.larin »

cyparis

Re:Überall, irgendwo
« Antwort #8 am: September 06, 2012, 10:43:09 »
Du konntest das als junger Mensch gar nicht sein, liebe larin?
Ich auch nicht.

Ich bin erst durch Schicksalsschläge heiter geworden, auch wenn sich das unwahrscheinlich anhört.


Lieben wohlgebadeten Gruß
von
cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

a.c.larin

Re:Überall, irgendwo
« Antwort #9 am: September 06, 2012, 11:43:39 »
als kind war ich wohl eher still, ernst.
in der pubertät fühlte ich mich einsam, weil ich viel mehr tiefgang hatte als die meisten um mich her.
als jung erwachsener war ich depressiv, ängstlich, im grunde nicht des lebens froh.

und dann kam irgendwann mal die "große liebe" - das war ein glück und eine katastrophe zugleich.
aber in dem ganzen wirrwarr hab ich das wichtigste überhaupt erfahren:
wie es sich anfühlt, des lebens froh zu sein.
und danach hab ich mich selber auf die suche begeben.....

also für mich klingt das gar nicht so unverstehbar, wenn du sagst: durch schicksalsschläge heiter geworden.

wie ichs schon sagte: licht und schatten sind geschwister!


stürze dich in die wonnigen fluten!  :) ;)

lg, larin