Autor Thema: Der letzte Spaziergang  (Gelesen 1265 mal)

Erich Kykal

Der letzte Spaziergang
« am: Juni 24, 2013, 19:16:17 »
Nur einmal mehr, bevor ich endlich gehe,
den einen Weg noch schaffen nach den Wiesen,
da ich als Kind gespielt, nur einzig diesen,
den ich im Schmerz so deutlich vor mir sehe:

Als Knaben liefen wir ihn alle Tage,
als wär es nichts, gedankenlos und frei -
nun fragt mich jeder Schritt, wie weit es sei,
und jedes Atemholen wird zur Plage!

Das war ich wirklich einst, so schwerelos,
so unbefangen springend, so lebendig
aus jeder Beuge schnellend, flink und wendig,
den Kopf voll Träumen - und die Füsse bloß!

Und was ich war, das will ich mit mir tragen
durch jedes Keuchen auf dem Weg dorthin,
wo ich lebendiger gewesen bin,
bevor die Sinne mir den Dienst versagen.

Dort will ich blicken über Zeit und Auen,
will mich versickern lassen in den Tag,
bis mir der abgelaufene Vertrag
die Augen schließt, um ein Danach zu schauen...
« Letzte Änderung: Juni 26, 2013, 11:30:18 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Daisy

Re:Der letzte Spaziergang
« Antwort #1 am: Juni 27, 2013, 16:32:31 »
Hallo Erich,

diese Verse dringen wie Stiche in die Seele!

Das ist Gefühl von einer unendlichen Tiefe und berührt ungemein.
Jede Strophe für sich ein Gedicht und ganz großartig.
Tröstlich ist der Rückblick, den du in S3 so wunderbar darstellst.

Die letzte Strophe finde ich besonders gut!

Großes Kompliment!

LG Daisy

cyparis

Re:Der letzte Spaziergang
« Antwort #2 am: Juni 29, 2013, 09:08:47 »
Mag sentimental klingen:

Ich kann nur weinen.

C.
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Aspasia

  • Gast
Re:Der letzte Spaziergang
« Antwort #3 am: Juni 29, 2013, 10:48:53 »
Ein phantastisch gutes und schönes Gedicht, Erich, variations- und bilderreich in der Wortwahl, rundherum wunderbar zu lesen. Ich glaube, ich kenne das Gedicht bereits aus einem anderen Forum, der Text ist mir vertraut.

Lieben Gruß
Aspasia

Erich Kykal

Re:Der letzte Spaziergang
« Antwort #4 am: Juni 29, 2013, 19:47:39 »
Hi, Daisy, Cypi, Aspasia!

Vielen Dank für euer Lob!

Ich dachte daran, dass ich mir für mich selbst so einen würdevollen Abgang in erhabener Natur wünschen würde, anstatt in irgendeiner Klinik an Schläuchen hängend sediert zu verdämmern...

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re:Der letzte Spaziergang
« Antwort #5 am: Juli 01, 2013, 10:46:57 »
Hallo Erich,

ich komme nicht dazu, all deine schönen Gedichte zu kommentieren. Aber stellvertretend mal dies eine. In dem Alten wird das Kind angesichts des gleichen Weges wieder lebendig. Die Gegenüberstellung der Kräfte stimmt fast traurig, doch die Integration der Vergangenheit führt zum Reichtum des Alters und so zu Dankbarkeit und Gelassenheit. Schön, wie du den Bogen spannst.  Sehr gern gelesen.

LG gummibaum 

Erich Kykal

Re: Der letzte Spaziergang
« Antwort #6 am: August 26, 2021, 17:01:48 »
Hi Gum!

Also - ich hatte nie ein Problem damit, seit langem ALLE deine Gedichte zu kommentieren ...  ;) >:D

Heute bin ich 9 Jahre näher am damals ausgebreiteten Szenario - spürbar näher!  ::)

Was soll's - ich habe fast immer im Augenblick gelebt, keiner großen Vergangenheit oder ersehnten Zukunft verpflichtet. Bedeutungslos, aber freier von Zwängen als viele andere. Ohne all die täglichen kleinen Ablenkungen eines "erfüllten Lebens" konnte mein Geist langsam in ein größeres Bild wachsen, das ich von der Welt zu malen wagte - wofür auch immer es gut gewesen sein mag ...

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.