Autor Thema: Gefühlsverlustig  (Gelesen 920 mal)

Erich Kykal

Gefühlsverlustig
« am: Februar 06, 2014, 13:00:28 »
So tausendfach erschien die Welt erschlossen,
da ich als Knabe mich dem Sein verschrieben
und hingegeben hatte an das Lieben,
aus dem der Menschen Lebenswege sprossen.

Wie sehr hat mich das Fühlende verdrossen!
Die Schatten der Vergänglichkeit, sie trieben
die Bilder aus, die von der Glut geblieben
und kostbar waren, eh sie doch zerflossen.

Was blieb ist eines Geistes vage Neigung,
sich weiter umzutun, als wäre Sehnen
ein Tor zum Himmel und für immer offen.

Der Weg dahin verliert vielleicht an Steigung,
indes, schon tödlich bin ich längst getroffen,
und jeder Schritt beginnt die Zeit zu dehnen.
« Letzte Änderung: Februar 06, 2014, 13:04:56 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re:Gefühlsverlustig
« Antwort #1 am: Februar 09, 2014, 12:56:12 »
Lieber Erich,

die Kindheit voller Elan und dann so ausgebremst. Die Bilder, voll der Liebe in reichen Farben entwickelt, doch bald, da keine Erfüllung folgte, wieder abgehängt. Und jetzt, da der Weg dorthin gefälliger scheint, schon vom Tod gezeichnet und zu müde (gefühlsverlustig), selbst die leichten Schritte zu tun. So gemeint?

Sehr gern gelesen. Danke.

Wünsche dir alles Gute
gummibaum

Erich Kykal

Re:Gefühlsverlustig
« Antwort #2 am: Februar 09, 2014, 13:14:38 »
Hi, Gum!

Man könnte es das Lamento eines von der Welt Enttäuschten nennen, egal, ob sein Scheitern selbst verschuldet war oder nicht.

Mit dem einsetzenden Alter(n) habe ich die Erfahrung gemacht, dass all die Dinge, die dem jungen Menschen wichtig sind, nach und nach, schleichend an Bedeutung und Sinn verlieren.
Auch der Schmerz aus jungen Jahren relativiert sich. Man definiert sich neu oder zumindest anders, oder man leugnet die Veränderungen und tut einfach so, als gehe es immer noch weiter und immer weiter.
Aber wenn nichts mehr wirklich zählt, welchen Inhalt hat dann noch ein Leben? Manchmal fühle ich mich wie jemand, der schon vor langer Zeit gestorben ist und einfach nicht aufhören wollte zu atmen.
Zeit spielt keine Rolle mehr, weil man nirgendwo mehr wirklich hin will. Alles dehnt sich ins Gleichgültige - und dennoch, man lebt. Man will leben. Wozu? Tja, diese Antwort muss sich wohl ein jeder selber suchen - und sich ihr stellen!

Es mag Menschen geben, die krankheitsbedingt ins Nichts abgleiten, siehe Alzheimer, Demenz, spezielle Formen von Parkinson, oder solche, die sich einfach gehen lassen, weil ihnen dies als schmerzfreiere Alternative erscheint. Auf solche kann der obige Text passen.
Aber alle anderen restrukturieren eben ihre Bedürfnisse und Ziele und führen weiterhin ein nach Kräften und Möglichkeiten möglichst erfülltes Leben. Diesen Weg muss, wie ich im letzten Kommi nahelegte, eben jeder selbst für sich finden.
Dass wir uns verändern, weil unsere Körper sich verändern, steht außer Frage. Der Triebdruck lässt nach, der fiebrige oberflächliche Ehrgeiz, sich und/oder der Welt etwas beweisen zu wollen, bisher so wichtig scheinende Ziele wirken plötzlich eitel und leer - einfach, weil sich auch mit Lebenserfahrung und Einsicht die Perspektive verschoben hat. Man verlangsamt sich, wird bedächtiger, ruhiger, kann sich selbst zulassen, auch mit Fehlern, die Welt wird weniger schwarz-weiß, weniger intensiv, hat es weniger eilig. Man begreift, dass die Uht tickt und abläuft - man ist "tödlich verwundet", so oder so - das Leben entfließt uns wie Sand durch die Finger.
Die Zeit dehnt sich, die Welt läuft plötzlich eher an einem vorbei oder über einen hinweg, man fühlt sich nicht mehr als Teil des Stromes.
Dennoch scheinen die Jahre plötzlich nur so zu entfliegen, aber man findet sich drein. Was bleibt einem auch übrig...

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re:Gefühlsverlustig
« Antwort #3 am: Februar 09, 2014, 13:23:06 »
Was du schreibst, kann ich sehr gut nachvollziehen. Aber ich bin mit dem Niedergang inzwischen eher ausgesöhnt. Daher auch noch für neue, weisere Freuden offen.

LG gummibaum  
« Letzte Änderung: Februar 09, 2014, 13:25:28 von gummibaum »

Daisy

Re:Gefühlsverlustig
« Antwort #4 am: Februar 10, 2014, 15:35:30 »
Hallo Erich,

da oben bereits ausführlich über Inhalt und Auslegung geschrieben wurde, bleibt nur noch, die perfekte Form des Sonetts und die geniale Sprachkunst zu loben!

Ganz besonders gern gelesen!

LG Daisy

Erich Kykal

Re:Gefühlsverlustig
« Antwort #5 am: Februar 10, 2014, 16:16:41 »
Hi, Daisy!

Errötend folg' ich deinen Zeilen... ;) Vielen Dank für das volle Lob! :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:Gefühlsverlustig
« Antwort #6 am: Februar 22, 2014, 11:28:42 »
Eines der vollkommenen Sonette aus Deiner Feder!
Unübertrefflich -
nicht zu übertreffen (falls das gleiche "Thema" behandelt wird).



Wer zieht einmal mehr den Hut?
Ich,
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re:Gefühlsverlustig
« Antwort #7 am: Februar 22, 2014, 11:41:11 »
Hi, Cypi!

Nur nicht übertreiben! ;) :D - Aber vielen Dank für die Übertreibung! :) :-*

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:Gefühlsverlustig
« Antwort #8 am: Februar 22, 2014, 13:22:59 »
Ich habe nicht übertrieben!

Das weißt Du genau, lieber Freund. ;)
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte