Autor Thema: Der Gänsebrust Verlockung  (Gelesen 2150 mal)

gray-poet

Der Gänsebrust Verlockung
« am: September 02, 2014, 22:48:58 »
Der Gänsebrust Verlockung.

Dumme Gänse sind gar nicht so dumm,
sie schwimmen auf Bächen und auf Teichen.
Gründeln im Schlamm nach Futter herum -
wachsam ohne gleichen

Das hatten schon die alten Römer erkannt,
haben sie auf dem Kapitol als Wächter gehalten.
Als Anno 387 die Gallier kamen dahergerannt,
warnten Gänse vor diesen Räubergestalten.

Dankbar wurden sie den Göttern geweiht,
wurden gehegt, gepflegt und gefüttert.
Im Haushalt der Römer stand gar eine Apanage bereit.,
die Räuber haben fortan vor Gänsen gezittert.

Bis eines Tages der Heilige Martin ritt daher -
sah die fetten Gänse mit den langen Kragen.
An St. Martin bleibt seither kein Bräter mehr leer -
auch Weihnachten füllen sie so manchen Magen.

Wo bleibt da die vielgepriesene Dankbarkeit?
Sie ist, wie so oft, auf der Strecke geblieben.
Geschätzt wird stattdessen weit und breit,
Gänsebrust und Schmalz mit Äpfel und Grieben.

Die Moral von der Geschicht:
verlasse dich auf der Menschen Dankbarkeit nicht.
Denn über Allem steht allzu oft eine profane Lust -
auf Griebenschmalz und Gänsebrust.


« Letzte Änderung: September 03, 2014, 16:41:26 von gray-poet »

cyparis

Re:Der Gänsebrust Verlockung
« Antwort #1 am: September 03, 2014, 09:03:02 »
Hallo, gray-poet -


das ist (selbst für mich Vegetarier) sehr witzig.
Um in der fünften Strophe das doppelte "oft" zu umgehen, könntest Du auf "vielgepriesen" zurückgreifen.
Andre Erbsen zähle ich heut nicht.

Tja, wer denkt heutzutage noch an die Capitolinischen Gänse?

Schmunzelnd gelesen!

Freundlichen Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

gray-poet

Re:Der Gänsebrust Verlockung
« Antwort #2 am: September 03, 2014, 16:44:23 »
Hallo, gray-poet -


das ist (selbst für mich Vegetarier) sehr witzig.
Um in der fünften Strophe das doppelte "oft" zu umgehen, könntest Du auf "vielgepriesen" zurückgreifen.
Andre Erbsen zähle ich heut nicht.

Tja, wer denkt heutzutage noch an die Capitolinischen Gänse?

Schmunzelnd gelesen!

Freundlichen Gruß
von
Cyparis

liebe Cyparis

danke Dir für den Änderungsvorschlag,
den ich gerne und postwendend umgesetzt habe.
Dir noch einen schönen Abend
lieben Gruß
wolfgang

Erich Kykal

Re:Der Gänsebrust Verlockung
« Antwort #3 am: September 03, 2014, 18:31:42 »
Hi, gray-poet!

Du bist mir hier bisher als "moderner" Lyriker mit reimlosen Werken aufgefallen. Deshalb habe ich dir auch noch nichts geschrieben bisher - reimlose Lyrik ist die meine nicht!

Hier liegt nun ein "klassisch" strukturiertes Werk vor.
Allerdings scheinst du derlei  - irre ich? - noch nicht so oft probiert zu haben. Bei solchen Gedichten sollte man - abgesehen vom Reimschema - formal auf zweierlei achten: Gleichhebige Zeilenlängen und Regelmaß bei Auftakten und Kadenzen.

Als Auftakte bezeichnet man die Anfänge der Zeilen: Man unterscheidet betonte (erste Silbe betont) und unbetonte (2. Silbe betont) Auftakte. Die Zeilenenden nennt man Kadenzen: Männliche Kadenzen beenden die Zeile mit einer betonten Silbe, weibliche mit einer unbetonten.

Schauen wir und nun mal die Auftakte, Heberzahlen und Kadenzen deiner Verse an:

Dumme Gänse sind gar nicht so dumm, Betonter Auftakt(b), 5 Heber, männliche Kadenz(m)
sie schwimmen auf Bächen und auf Teichen. Unbetonter Auftakt(u), 4 (Heber), weibliche Kadenz(w)
Gründeln im Schlamm nach Futter herum - b, 4, m
wachsam ohne gleichen b, 3, w

Wir finden also schon in dieser ersten Strophe praktisch keinerlei tragende Struktur - alles querbeet, ohne inneren Rhythmus.

Das hatten schon die alten Römer erkannt, u, 5, m (Unschöner Silben- und Senkungsprall: "RömER ERkannt")
haben sie auf dem Kapitol als Wächter gehalten. b, 6, w
Als Anno 387 die Gallier kamen dahergerannt, u, 7 oder 8 Heber, je nach Ausspache der Zahl, m
warnten Gänse vor diesen Räubergestalten. b, 5, w

In S2 dieselben taktlosen Verscherungen. Auf Sprachmelodie oder lyrische Schönheit wurde gar nicht geachtet. Und so geht es auch weiter:

Dankbar wurden sie den Göttern geweiht, b, 5, m (Senkungsprall bei "Göttern geweiht")
wurden gehegt, gepflegt und gefüttert. b, 4, w
Im Haushalt der Römer stand gar eine Apanage bereit., u, 7, m (Punkt und Beistrich?)
die Räuber haben fortan vor Gänsen gezittert. u, 5, m

Bis eines Tages der Heilige Martin ritt daher - u, 6, w
sah die fetten Gänse mit den langen Kragen. b, 6, w
An St. Martin bleibt seither kein Bräter mehr leer - b, 6, m (Senkungsprall "Bräter mehr leer")
auch Weihnachten füllen sie so manchen Magen. u, 5, w

Wo bleibt da die vielgepriesene Dankbarkeit? u, 5, m
Sie ist, wie so oft, auf der Strecke geblieben. u, 4, w
Geschätzt wird stattdessen weit und breit, u, 4, m
Gänsebrust und Schmalz mit Äpfel und Grieben. b, 5, w

Die Moral von der Geschicht: b, 4, m
verlasse dich auf der Menschen Dankbarkeit nicht. u, 5, m
Denn über Allem steht allzu oft eine profane Lust - u, 6, m ("allem" klein, Senkungsprall "oft eine profane")
auf Griebenschmalz und Gänsebrust. u, 4, m


Praktisch keine zwei Zeilen lassen ein Gleichmaß erkennen, alles ist wild zusammengewürfelt. Entweder ein Schnellschuss mit reiner Ausrichtung auf Inhalt und Aussage - oder ein eklatanter Mangel an Sprachgefühl... :o

Nachtrag: Als Hebungsprall bezeichnet man es, wenn 2 betonte Silben aneinanderstoßen, dementsprechend bezeichnet ein Senkungsprall das Aufeinandertreffen (zu vieler) unbetonter Silben, wodurch eine Unwucht im Sprachrhythmus entsteht.

Sorry, wenn ich so ehrlich bin, vor allem, wenn dies eine Art "erster Versuch" in gereimter Materie sein sollte. Ich meine es nicht böse, ich reg mich leider immer zu schnell auf, wenn ich denke, dass die von mir so geliebte Sprache quasi vergewaltigt wird.
Nun, vielleicht  - sollte ich dich nicht dauerhaft gekränkt und abgeschreckt haben - bringt dir meine Analyse etwas, und beim nächsten Mal achtest du auf die von mir monierten "Kleinigkeiten"! ;) ;D

LG, eKy
« Letzte Änderung: September 03, 2014, 18:39:04 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:Der Gänsebrust Verlockung
« Antwort #4 am: September 03, 2014, 18:41:20 »
Lieber Erich,


ich kann Deine Geduld und nie erlahmende Hilfsbereitschaft nur immer wiederneu  bewundern!


Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Curd Belesos

Re:Der Gänsebrust Verlockung
« Antwort #5 am: Januar 10, 2015, 00:48:50 »
Liebe Cyparis,

da hast du ein wahres Wort gesprochen   ;D

Gute Nacht

Curd
Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch