Autor Thema: Verblassend  (Gelesen 934 mal)

Erich Kykal

Verblassend
« am: Dezember 05, 2014, 14:42:53 »
Er lebt verschlossen, ohne Freund und Liebe,
vergessen sind Erlebtes und Erdachtes,
und einst von seinem Sturme Angefachtes
verglühte längst im täglichen Getriebe.

Verloren ist sein Geist in blassen Stunden,
versickernd rinnt die Zeit an ihm vorüber,
und alle Jahre hängen wie kopfüber,
und keinem je begreift er sich verbunden.

Wohl konnte einst das Leben ihn verführen,
verlockend sein mit Wünschen ohnegleichen -
es wird ihn heute nimmermehr erreichen.

Und wenn die Welt versucht, ihn zu berühren,
verschließt er alle Fenster nur und Türen,
wo ungelebte Träume sie umschleichen.
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:Verblassend
« Antwort #1 am: Dezember 06, 2014, 13:04:27 »
Lieber Erich -


je kürzer die Tage werden, desto düsterer scheinen mir Deine Gedichte zu tönen.
Wohlformuliert (was sonst?), von hoher Sprachkunst (was sonst?) und sehr zum  Grübeln verführend.
Ich weiß nicht, ob Du einen bestimmten Protagonisten im Blick hattest, oder nur eine allgemeine Selbstsicht verdichten wolltest, aber dieses Dunkle  und vor allem Negative ist verstörend.

und keinem je begreift er sich verbunden

das ist ein sehr raffinierter, viel deutiger Begriff.
Dennoch rege ich an:

und keinem aller fühlt er sich verbunden


falls es ins Metrum paßt.


verschließt er alle Fenster nur und Türen,

oder doch:

verschließt er seine Fenster und die Türen.


Einmal mehr tief beeindruckt:


Cyparis
mit Grüßen
aus einer Nebellandschaft


Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

gummibaum

Re:Verblassend
« Antwort #2 am: Dezember 06, 2014, 13:45:52 »
Hallo Erich,

die Vorsilbe ver dominiert die Quartette, und das ausgebrannte und enttäuschte Opfer zimmert sich in den Terzetten aus den eigenen vier Wänden vorzeitig seinen Sarg. Etwas bedrückend, dieses Gedicht, wie ein vorgezogener Nachruf.  Doch zugleich, dank seiner reichen Sprache und inneren Stimmigkeit ein Geschenk, das Türen öffnet.


Ich wünsche dir einen schönen Tag
LG gummibaum 

Erich Kykal

Re:Verblassend
« Antwort #3 am: Dezember 06, 2014, 17:02:24 »
Hi, Cypi!

Meine Stimmung ist im Winter wirklich gedrückter, die Texte düsterer, das hast du, sensible Seele, gut erkannt. Und natürlich spiegelt sich das eigene Selbst in diesen Zeilen. Dein 2. Vorschlag ist gut, ich werde ihn überdenken!

Vielen Dank für deine treffenden wie trefflichen Worte! :)


Hi, Gum!

Du hast es erkannt: Ein "ver-"-Gedicht, auch in den Terzetten: verschlossen, vergessen, verglühte, verloren, versickernd, verbunden, verführen, verlockend, versucht, verschließt.  ;D

Danke für die positiven Gedanken zu einem negativen Inhalt! :) Das Gedicht ist übrigens autobiographisch. ;)

LG, eKy
« Letzte Änderung: Dezember 06, 2014, 17:09:01 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:Verblassend
« Antwort #4 am: Dezember 06, 2014, 22:46:01 »

 Das Gedicht ist übrigens autobiographisch. ;)

LG, eKy

Umso verstörender!

Cypi
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re:Verblassend
« Antwort #5 am: Dezember 07, 2014, 01:02:48 »
So bin ich nun mal... :-\
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Curd Belesos

Re:Verblassend
« Antwort #6 am: Dezember 17, 2014, 00:33:06 »
moin moin Erich,

dein Gedicht, mag es auch autobiographisch sein, trägt für mich einen mir bekannten Wunsch in sich, den ich vor Jahren einmal fühlte.

Tod komm, es drängt mein Herz voll Sehnsucht dir entgegen,
vorbei ist mir der Sinn des Lebens, an Hoffnung nichts gelegen.


Es zeugt von einem tiefen Gefühl, denn nur der Liebende kann wirklich über die Liebe schreiben und der Einsame über den Schmerz.

Ich bewundere dein Können.

LG
CB

Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

Erich Kykal

Re: Verblassend
« Antwort #7 am: Mai 12, 2021, 16:44:35 »
Hi Curd!

Ein später Dank (hoffentlich nicht ZU spät ...) für den freundlichen Kommi und die Bewunderung. Ja, vom Mit-sich-alleine-auskommen-Müssen verstehe ich etwas!  8) >:D

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.