Autor Thema: "Moderne" Lyrik  (Gelesen 4894 mal)

Erich Kykal

"Moderne" Lyrik
« am: Januar 31, 2015, 11:37:42 »
Wie kam's, dass sie nicht länger Freude fanden
an edler Sprache, am erhabnen Wort?
Wer nahm die Schönheit aus Gedichten fort
und machte eine Kunst damit zuschanden?

Wer tilgte alle Größe des Gefühlten
aus zärtlich Klingendem und Harmonie
um kleinlicher Effekte willen, die
abstrakt das Ohr der Lauschenden zerwühlten?

Modern sei alle Kunst! - ging die Parole,
und man erschuf ein neues Mittelmaß,
ein krummes und verkümmertes Gejohle!

Enttäuscht, wer fürder unter Hörern saß,
denn nur dem Ehrgeiz, nicht dem Wort zum Wohle
schrieb nun ein Dichter, der den Reim vergaß.
« Letzte Änderung: Februar 01, 2015, 12:14:13 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:"Moderne" Lyrik
« Antwort #1 am: Januar 31, 2015, 12:14:47 »
Oh, Erich!

Tausenfaches Lob!
Es waren die Krummen, Verbogenen, die Faulen, die Bequemen, die (in meinen Augen) völlig Untalentierten -
sie alle flüchteten in die "moderne" Lyrik, die keine Lyrik ist, die es niemals werden wird.

Die Telegramme und Enigmen zu Lyrik  "küren", weil es ihnen am Empfinden für Lyrik gebricht.
Und sie werden immer mo(r)derner, reihen Unsinn an Wort, Wort an Flachheit, Flachheit an Gewolltes, Ungekonntes -
und sie maßen sich derweil an, Künstler und gleichzeitig Lyriker, Poeten zu sein!

Sie lassen, wenn nicht schon Ehrfurcht, so doch jeden Respekt vermissen, der unserer schönen Sprache zu entbieten und zu zollen ist.

Ich verachte sie und und alle ihre Speichellecker.
Für mich sind sie die allerrohesten Grobschlächter der Dichtkunst.


Später mehr zu Deinen schönen Versen!



Cyparis
« Letzte Änderung: Januar 31, 2015, 12:16:38 von cyparis »
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re:"Moderne" Lyrik
« Antwort #2 am: Januar 31, 2015, 12:39:37 »
Hi, Cypi!

Ach, wie sprichst du mir aus dem Herzen! :) Hab Dank dafür! :-*

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:"Moderne" Lyrik
« Antwort #3 am: Januar 31, 2015, 13:06:02 »
Nur ganz kurz, muuß leider aus dem verschneiten Haus:

Sinngemäß sagte es Erhart Kästner ( Nicht Erich Kästner ) so:

"Lyrik nennt Ihr das?
Es ist zerstückelte und schlechte Prosa!"


Ich komme wieder!


Bis dahin
Umarmung
aus dem verschneiten Südwesten!


Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
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gummibaum

Re:"Moderne" Lyrik
« Antwort #4 am: Januar 31, 2015, 16:35:15 »
Hallo Erich,

ich finde an den meisten sog. modernen Gedichten auch nicht viel. Aber einige gefallen mir. Das einzelne Wort/Bild oder die Idee können  bestechen. Gedichte, die immer eine Reimmöglichkeit auslassen, wirken auf mich wie einarmige Boxer: tapfer und chancenlos.

Sehr gern gelesen
LG gummibaum
« Letzte Änderung: Januar 31, 2015, 18:22:07 von gummibaum »

Erich Kykal

Re:"Moderne" Lyrik
« Antwort #5 am: Januar 31, 2015, 18:43:57 »
Hi, Gum!

Meinst du jene Gedichte, wo sich in 4 Zeilen immer nur ein Reim findet, meist Z2 und 4? Das Bild vom einarmigen Boxer beschreibt das wunderbar! ;D

Du hast ja recht - es gibt auch sehr schöne reimlose Gedichte. Aber eben selten. Nicht mein Ding.

In einem anderen Forum fühlte sich ein reimlos Schreibender wohl persönlich angegriffen und versuchte den Text ziemlich zynisch und herabwürdigend zu entwerten. Saure Trauben? ;D

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:"Moderne" Lyrik
« Antwort #6 am: Januar 31, 2015, 22:25:27 »
Nur  eine Antwort unter vielen, die von mir noch kommen:

Hugo Friedrich: Die Struktur der modernen Lyrik, 1956

    "Moderne Lyrik nötigt die Sprache zu der paradoxen Aufgabe, einen Sinn gleichzeitig auszusagen wie zu verbergen. Dunkelheit ist zum vorherrschenden ästhetischen Prinzip geworden. Sie ist es, die das Gedicht übermäßig absondert von der üblichen Mitteilungsfunktion der Sprache, um es in der Schwebe zu halten." (, 1956 S.178)

    "Die Deutung eines modernen Gedichtes sieht sich genötigt, sehr viel länger bei seiner Aussagetechnik zu verweilen als bei seinen Inhalten, Motiven, Themen. (...) Die Energien drängen vollständig in den Stil. (...) Mit seinen Unruhen, Brüchen, Befremdungen zieht der abnorme Stil die Aufmerksamkeit auf sich selber." (S.149)

    "Mit dem Willen zur Dunkelheit stellt sich das Problem des Verstehens ein (...), das Gedicht gerät durch den Leser in ein neues Bedeutungsspiel, das sein eigenes Recht hat. (...) Der Begriff des Verstehens ist dem Begriff des Weiterdichtens gewichen - Weiterdichten durch den Leser."
(a.a.O.)
« Letzte Änderung: Januar 31, 2015, 22:28:09 von cyparis »
Der Schönheit treu ergeben
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Erich Kykal

Re:"Moderne" Lyrik
« Antwort #7 am: Februar 01, 2015, 01:36:00 »
Hi, Cypi!

Danke! Wenn es etwas gibt, das sich noch schlimmer anhört als moderne Lyrik, dann das Abhandlungsdeutsch von wissenschaftlichen Expertisen oder das Beamtendeutsch von Gesetzgebunsparagraphen! ;D ;)

LG, eKy
« Letzte Änderung: Februar 01, 2021, 22:29:47 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:"Moderne" Lyrik
« Antwort #8 am: Februar 04, 2015, 22:00:05 »

 Wenn es etwas gibt, das sich noch schlimmer snhört als modern Lyrik, dann das Abhandlungsdeutsch von wissenschaftlichen Expertisen oder das Beamtendeutsch von Gesetzgebunsparagraphen!


Diese seltsamen Deutscharten behaupten zum Glück auch nicht von sich, Poesie oder Lyrik oder gar Gedichte zu sein! ;D

Der Schönheit treu ergeben
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Erich Kykal

Re:"Moderne" Lyrik
« Antwort #9 am: Februar 04, 2015, 23:34:34 »
 ;D wie wahr!  ;D
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:"Moderne" Lyrik
« Antwort #10 am: Februar 06, 2015, 20:42:30 »
Zitieren darf ich nicht, aber einen Link einzustellen -das ist mir noch gestattet.

Hier ein eklatantes Beispiel dafür, wie moderne Lyrik (über)bewertet wird.
http://de.wikipedia.org/wiki/Ottos_mops

Lilli Hippie
hibbt in milly Lips,
gibt ihrn Stips
mit viel Gips:
Pipps, sie trippst!
Hippie! Nie mit Schwips! ;D


Demnächst mehr.
ich versuch mal zu jandeln. :D



Der Schönheit treu ergeben
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Erich Kykal

Re:"Moderne" Lyrik
« Antwort #11 am: Februar 06, 2015, 23:29:58 »
Jandeln heißt verschandeln - Lyrik aus'm "Schtzngrrmmm"! >:(
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Curd Belesos

Re:"Moderne" Lyrik
« Antwort #12 am: Februar 08, 2015, 00:31:54 »
moin moin Erich,

du hast etwas in deiner bewährten, lyrischen Art kritisch beschrieben, was mir schon immer ein Rätsel war.

Danke.

Danke auch für die Kommentare, die mit Eifer meine Einstellung zu diesem Thema beschreiben,

LG
CB

PS: Liebe Cyparis, ich liebe es wenn du dich ereiferst  ;)
Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

Aspasia

  • Gast
Re:"Moderne" Lyrik
« Antwort #13 am: Februar 08, 2015, 08:53:37 »
... es gibt auch sehr schöne reimlose Gedichte. Aber eben selten. ...

Ich bin anderer Meinung. Es gibt sehr viele schöne reimlose Gedichte, sowohl moderne wie auch ältere, und es gibt viele schöne Gedichte, in denen sich nur jede zweite Zeile reimt.


Der Asra

Täglich ging die wunderschöne
Sultanstochter auf und nieder
Um die Abendzeit am Springbrunn,
Wo die weissen Wasser plätschern.

Täglich stand der junge Sklave
Um die Abendzeit am Springbrunn,
Wo die weissen Wasser plätschern;
Täglich ward er bleich und bleicher.

Eines Abends trat die Fürstin
Auf ihn zu mit raschen Worten:
Deinen Namen will ich wissen,
Deine Heimat, deine Sippschaft!

Und der Sklave sprach: Ich heisse
Mohamet, ich bin aus Yemmen,
Und mein Stamm sind jene Asra,
Welche sterben, wenn sie lieben.

Heinrich Heine


Auf meines Kindes Tod

Von fern die Uhren schlagen,
es ist schon tiefe Nacht,
die Lampe brennt so düster,
dein Bettlein ist gemacht.

Die Winde nur noch gehen
wehklagend um das Haus,
wir sitzen einsam drinnen
und lauschen oft hinaus.

Es ist, als müßtest leise
du klopen an die Tür,
als hättst dich nur verirret
und kämst nun müd zurück.

Wir armen, armen Toren!
W i r   irren ja im Graus
des Dunkels noch verloren -
du fandst dich längst nach Haus.

Joseph von Eichendorff


Die Füße im Feuer (Conrad Ferdinand Meyer9

Mahomets Gesang (Goethe)

Das Göttliche (Goethe)

Grabinschrift eines Mannes (R. G. Binding)

Nänie (Schiller)

Hyperions Schicksalslied (Hölderlin)

Gesang der Engel (Gerhart Hauptmann)

Um nur einige solcher Gedichte aus der großen Fülle zu nennen. Damit will ich sagen: Wer im Dichten gut ist und Sinn für sprachliche Schönheit hat, kann auf Reime verzichten. Ich bin jedoch mit Euch einig, dass sich die meisten Hobbydichter aus reiner Bequemlichkeit reimlose Verse zurechtschustern. Dabei ist es eine Binsenweisheit, dass erst das Handwerk gelernt werden muss, bevor man ein Meister werden kann. Wegen solcher Stümper kann ich jedoch nicht die reimlosen Gedichte großartiger Autoren in Bausch und Bogen herabwürdigen.

LG
Aspasia

cyparis

Re:"Moderne" Lyrik
« Antwort #14 am: Februar 08, 2015, 10:52:46 »
Liebe Aspasia,


gewiß sind sich alle hier Versammelten darüber einig, daß die von Dir genannten Beispiele großer Lyrik nicht gemeint sind.
Es geht um Exemplare wie die von Jandl, die bei mir nicht unter Lyrik sondern unter Schwachsinn laufen.
Bestenfalls ins Kabarett dürfen - und das konnte Loriot mit seinem O-sprechenden Hund besser!

Es geht um Verhunzung der Sprache, um sinnentleerte Textkonstruktionen, um Rätsel, die nicht zu einer Lösung animieren -
schlicht: um schlechte moderne Lyrik. Gefasel. Gestammel. Gewölle.
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
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