Autor Thema: Spät  (Gelesen 1213 mal)

cyparis

Spät
« am: November 24, 2016, 10:38:50 »

Liebessüße schmeckt wie Honigseim,
füllt mit Lebensmut die Tage,
verjagt die Müh und Plage
und findet Glück in manchem Reim.

Todesahnen riecht wie Leichenschleim,
drückt mit Stöhnen auf die Trage;
Hein stellt heut noch keine Frage,
doch fühlt er sich bereits bei Dir daheim.

Drum nimm, o Du, den Mut in Deine Hände!
erfreue Dich an dem, was bleibt!
Das alte Glück erhellt Dir Deine Wände

und legt, was Dich noch vorwärts treibt,
als Zunder Dir in Dein Gelände,
an dem kein Zündwerk sich mehr reibt.


24. Nov. 2016
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re: Spät
« Antwort #1 am: November 24, 2016, 16:32:54 »
Hi Cypi!

Bei dir weiß ich nie so recht, ob die rhythmischen Unregelmäßigkeiten und mal betonten, mal unbetonten Auftakte der Sprachmelodie zuliebe von dir gewollt sind, oder ob du sie schlicht nicht bemerkst - oder bemerken willst.
Ich gleiche - zum Vergleich - mal aus:

Die Liebessüße schmeckt wie Honigseim,
erfüllt mit Lebensmut die wachen Tage,
jagt mir davon die liebe Müh und Plage
und findet stilles Glück in manchem Reim.

Ein Todesahnen riecht wie Leichenschleim
und weist mit Stöhnen nach der Totentrage!
Freund Hein stellt heut noch nicht die letzte Frage,
doch fühlt er sich bereits bei Dir daheim.

Drum nimm, o Du, den Mut in Deine Hände!
Erfreue Dich an dem, was dir verbleibt!
Das alte Glück erhellt Dir Deine Wände

und legt bedacht, was Dich noch vorwärts treibt,
als Zunder freundlich Dir in Dein Gelände,
wenn auch kein Zündwerk sich mehr Funken reibt.


So sind es durchgängig fünfhebige Zeilen mit unbetontem Auftakt. Entscheide selbst, was dir näher liegt.

Sehr gern gelesen - diese mit innerer Weisheit hingenommene und getragene Schwermut liegt so ganz auf meiner lyrischen Linie!  :)

LG, eKy


Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Spät
« Antwort #2 am: November 24, 2016, 23:50:28 »
Schönes Gedicht, liebe cyparis, das ein sich Einrichten in Todesnähe als noch lebenswert zeigt.

In der Überarbeitung von Erich liest es sich flüssiger und der Sinnzusammenhang wird sofort deutlich.

Sehr gern gelesen.

LG gummibaum

Curd Belesos

Re: Spät
« Antwort #3 am: November 25, 2016, 12:40:19 »
moin moin liebe Cyparis,

dein Sonett hat Erich geglättet und gummibaum hat "das sich Einrichten in Todesnähe" als noch lebenswert bezeichnet.

Aber das ist es für mich nicht,
du schreibst dieses Gedicht auch nicht ohne tieferes Empfinden.
Nach meinem Herzinfarkt, wollte ich nicht mehr leben und habe mich um meinen Tod betrogen gefühlt,
da mich die Ärzte zurück in Leben geholt haben.
Dir hat man nach einer lebensbedrohenden Krankheit auch das Leben gerettet,
nimm es freudig an und verschwende keine Gedanken mehr an die Zeit,
in der du tiefe Zweifel hattest.
Du hast einen hohen Preis für das gezahlt, was du jetzt leben darfst.

Schreibe fröhliche Gedichte..............

Einen von Herzen kommenden, lieben Gruß von Curd.
Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

wolfmozart

Re: Spät
« Antwort #4 am: November 26, 2016, 12:31:20 »
Liebe cyparis,

Ein großes Gedicht.
Ein Gedicht das sehr bewegt.
Ein autobiografisches Gedicht(nehm ich an)
Ein Werk mit großer philosophischer Aussage
Ein Werk das trotz großer Belastung noch irgenwie die Kurve kratzt zu einem halbwegs versöhnlichem Gedicht-Ende
und schlußendlich ein Gedicht durch das ich mich in meinen Herausforderungen angesprochen fühle.

Gut dass es solche Poems gibt

Liebe Grüße wolfmozart