Autor Thema: Refugium  (Gelesen 1015 mal)

Erich Kykal

Refugium
« am: Juni 23, 2018, 10:32:49 »
Der Garten ruht im Mittagslicht des Tages
und gürtet grün ein unbewachtes Haus.
Dort gehen selten Menschen ein und aus
am Rande eines immergrünen Hages.

Durch dieses Haus geht eine schwere Stille,
die nie nach draußen mündet in die Welt,
als hätte man es nur dort hingestellt,
weil irgendwann ein Plan war und ein Wille.

Dort lebt der alte Dichter ohne Worte,
als leide er am ausgesperrten Sein
und fände alle Dinge um sich klein
wie sein Verhalten an der schlichten Pforte.

Er hat sich lange aus dem Drang genommen,
sich auszutauschen. Seine Einsamkeit
ist wie ein ewig ungeflicktes Kleid
und aus der Mode dieser Welt gekommen.

Es ist ihm recht, er hadert nicht mit Dingen,
die einst zu suchen ihn ein Trieb beschwor,
der lange seine Gültigkeit verlor
wie jeder Wunsch in dauerndem Misslingen.

Das Haus behütet seine alten Tage,
als wüchse es um seinen Rest von Zeit
und rücke ihn in die Entlegenheit
von Fabelwesen aus dem Reich der Sage.
« Letzte Änderung: Januar 10, 2023, 17:25:23 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Curd Belesos

Re: Refugium
« Antwort #1 am: Juni 24, 2018, 23:09:21 »
moin moin Erich,

eine ruhige, gefühlvolle Beschreibung, doch es wohnt dort nicht der "alte Dichter" sondern nach meinem Empfinden ein "stiller Dichter" , der in sich gekehrt seine Welt betrachtet und manchmal mit Erstaunen erkennt, dass die Ruhe des Hauses auch in ihm Zeit gefunden hat sich zu erklären.

Sehr begeistert gelesen, danke.

CB


Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

Erich Kykal

Re: Refugium
« Antwort #2 am: Juni 25, 2018, 18:19:58 »
Hi Curd!

In meinem Fall geht das Hand in Hand: Je älter, desto stiller!  ;) ;D Zumindest zuhause!

Vielen Dank für deine Begeisterung!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Refugium
« Antwort #3 am: Juni 26, 2018, 18:31:37 »
Lieber Erich,

das Haus, das aufgegebenes Streben und eingetrockneten Schmerz beherbergt, von freundlichem Grün umhegt ist und einen, sich schon zur Sage wandelnden Dichter konserviert, hat etwas von einem schönen, aber wenig besuchten Mausoleum.

Sehr gern gelesen.

LG g



 

Erich Kykal

Re: Refugium
« Antwort #4 am: Juni 26, 2018, 22:23:41 »
Hi Gum!

Mausolos dankt!  ;) :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re: Refugium
« Antwort #5 am: Juni 28, 2018, 18:04:03 »
...
und gürtet grün ein unbewachtes Haus.
Dort gehen selten Menschen ein und aus
am Rande eines immergrünen Hages.

Durch dieses Haus geht eine schwere Stille,
die nie nach draußen mündet in die Welt,
als hätte man es nur dort hingestellt,
weil irgendwann ein Plan war und ein Wille.

Dort lebt der alte Dichter ohne Worte,
als leide er am ausgesperrten Sein
und fände alle Dinge um sich klein
wie sein Verhalten an der schlichten Pforte.

Er hat sich lange aus dem Drang genommen,
sich auszutauschen. Seine Einsamkeit
ist wie ein Schweigen, das zum Himmel schreit,
doch unbeachtet bleibt und unvernommen.

Es ist ihm recht, er hadert nicht mit Dingen,
die einst zu suchen ihn ein Trieb beschwor,
der lange seine Gültigkeit verlor
wie jeder Wunsch in dauerndem Misslingen.

Das Haus behütet seine alten Tage,
als wüchse es um seinen Rest von Zeit
und rücke ihn in die Entlegenheit
von Fabelwesen aus dem Reich der Sage.



Das zum Himmel schreiende Schweigen finde ich zu verbraucht.
Der "Rest":
Wieder einmal zum Niederknien!
Neu? Alt? Ganz gleich: Gedanklich zieh ich meinen Hut!

Liebe Grüße
von
Cypi
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re: Refugium
« Antwort #6 am: Juni 28, 2018, 19:27:21 »
Hi Cypi!

Vielen Dank für dickes Lob und Gedanken!  :)

Allerdings: Wohin soll die Einsamkeit denn sonst schreien!?  ;)

Ich wollte dort gar nichts so Drastisches, denn der Dichter ist ja zufrieden mit seiner Art zu leben, aber ich fand keinen passenden Reim. Werde die Stelle irgendwann wohl noch überarbeiten, aber im Augenblick fällt mir dazu nichts ein.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re: Refugium
« Antwort #7 am: Juni 30, 2018, 15:44:24 »
Es geht nur im das schreiende Schweigen,
schließt das eine nicht das andre aus, lieber Erich?

Ganz lieben Gruß
von
Cypi
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re: Refugium
« Antwort #8 am: Juni 30, 2018, 19:15:08 »
Hi Cypi!

Gerade der scheinbare Widerspruch macht die Phrase so interessant, finde ich. Es gibt ja auch das "beredte Schweigen", das mehr sagt als tausend Worte - warum also sollte ein Schweigen nicht sogar schreien können?
Zudem erinnert die Formulierung an die Wendung vom "Unrecht, das zum Himmel schreit" - das impliziert die Vorstellung, dass dem Poeten ein Unrecht getan wird, weil die Welt ihn nicht wahrnimmt. Ein bescheidener Seelenseufzer bezüglich der kümmerlichen Existenz, welche die Lyrik heitzutage fristet!  ;)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re: Refugium
« Antwort #9 am: Juli 01, 2018, 11:54:14 »
Lieber Erich,

das beredte Schweigen rangiert bei mir unter "vielsagendes Schweigen".
Aber Deiner Sichtweise möchte ich keinesfalls widersprechen.
Schön, daß es viel- und doppeldeutige Interpretationen gibt.

Lieben Gruß
von
Cypi
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte