Autor Thema: Verlorene Werbung  (Gelesen 1447 mal)

wolfmozart

Verlorene Werbung
« am: Oktober 06, 2018, 18:39:06 »
Du riechst so wunderbar nach Gold
Süßselige Verniedlichung
Dein ernster Kummer leuchtet hold
So hold in meiner Dämmerung

Ich seh Dir schräg in die Pupille
Auf dieses braune Diadem
Was fern erscheint wie Stolz und Wille
Wird nah zu Sorge, Herz und Lehm

Oh, Mutter aller Redlichkeit
Ich bin Dein Geld nicht wert!
Bin nur ein Kind an Deinem Kleid
Ein Murmeltier um Deinen Herd

Verzeih mir jetzt für meinen Tand
Den ich in Unbesonnenheit
Um Deinen Glanz mit leichter Hand
Mit dummer Hand um Dich gestreut

Du bist das Leben, unverbrüht
Ich bin die Sterne, heißerglüht
Da huscht ein Lichtstreif durch die Nacht
Doch niemand irgendjemals wacht

Sufnus

Re: Verlorene Werbung
« Antwort #1 am: Oktober 08, 2018, 15:58:54 »
Dieses Gedicht habe ich jetzt wiederholt und durchaus mit Genuss gelesen und mich an seinen sehr originellen Formulierungen erfreut. :)

Allerdings kann ich mir noch nichts unter dem lyrischen Du vorstellen. Eine reale, angebetete Person scheint es nicht zu sein (obwohl man erfährt das dieses "Du" braune Augen hat), denn für eine reale Person kommt es mir zu wandelbar vor: goldglänzend, mit herrschaftlichem Diadem und voller Stolz, aber doch auch niedlich (oder ist hier wirklich eine Verniedlichung durch das lyrische Ich gemeint?) und dann wieder als liebevolle Muttergestalt erscheinend... zumindest ist der Adressat weiblich.

Es könnte natürlich das gemeint sein, was wortwörtlich dasteht: "Du bist das Leben", aber was meint dann "Leben"? Den "Geist" alles Lebendigen? Die Schöpfung? Die Lebenslust? Und wenn hier "das Leben" besungen wird, was muss man sich dann unter dem lyrischen Ich vorstellen? Und ist das hier wirklich ein Lobgesang oder sogar eine ironische Verhohnepipelung? Da ich im Hinblick auf das "Ich" und das "Du" des Gedichts etwas (oder vielmehr gar sehr) im Dunkeln tappe, kann ich auch den Tonfall nicht so richtig einordnen

Eigentlich schreie ich bei Gedichten nicht gerne nach einer Interpretationshilfe und finde es auch normalerweise gut, wenn sich die Zeilen einer eindeutigen Deutung verweigern, aber in diesem Fall wäre ich ausnahmsweise für einen kleinen Hinweis dankbar. :)

wolfmozart

Re: Verlorene Werbung
« Antwort #2 am: Oktober 13, 2018, 15:07:25 »
Hallo Sufnus,

dank dir für deinen Kommentar und die Mühe eine Interpretation zu geben.

Also das Gedicht beschreibt in meiner ursprünglichen Absicht eine besondere Frau, die ich einmal getroffen habe.

...sehr blumig und stark formuliert, aber ich schrieb meine Gefühle auf die ich empfand.

Aber es gibt natürlich auch andere interessante Interpretationen von verschiedenen Lesern.

Lieben Gruss wolfmozart

Sufnus

Re: Verlorene Werbung
« Antwort #3 am: Oktober 15, 2018, 11:28:34 »
Vielen dank wolfmozart für die Erläuterung!
Das hilft mir sehr dabei, das Gedicht zu erfassen. Beim rhetorischen Überschwang geht es Dir also offenbar keinesfalls um ironische Brechung (was ich "Verhohnepipelung" genannt habe), sondern darum, möglichst ungefiltert den Gefühlen Ausdruck zu verleihen, richtig?
Ein bisschen fließt hier also ein Element der écriture automatique ein, was die "gewagten" Vergleiche, Sinnbrüche und Reimfindungen erklärt. :) Interessant ist dabei, dass der relativ freie Gedankenfluss (mit all seiner Inkonsistenz) formal durch den Zwang zum Reim wieder etwas eingeschränkt wird.
Was die Technik angeht, so mag ich persönlich es im Allgemeinen schon, wenn zumindest nach Abschluss der ersten "ungebändigten" Fassung nochmal "nachgeschliffen" wird (außer bei genialen Köpfen wie unserem Martin, der kann schreiben wie der Vogel fliegt). :) Nun, diese nachträgliche "Bändigung" wolltest Du hier offenbar gerade vermeiden. Das ist natürlich völlig legitim! :)
Mit Gewinn gelesen! :)
S.

wolfmozart

Re: Verlorene Werbung
« Antwort #4 am: Oktober 20, 2018, 13:45:06 »
Lieber Sufnus,

Dank für deine Antwort.

Eine ungebändigte erste Fassung nochmal nachschleifen zu müssen passiert auch mir immer wieder, vor allen in Foren wenn geniale Köpfe Verbesserungsvorschläge machen.
Die eigene Lyrik kann nur dadurch gewinnen und man ist bei seinen eigenen Gedichten ja auch manchmal "betriebsblind"

Lieben Gruß wolfmozart