Hi Erich,
auf meiner Reise durch Andalusien konnte ich mich mit dem Flamenco vertraut machen. Er geht direkt ins Blut. In der Gegend um Málaga gibt es viele Gitarrenbauer, und in der Stadt leben viele Künstler von der Straßenmusik. So auch mein Gitano, der mit einem blonden Hippie zusammenspielte. Vorher hatte ich schon in Sevilla einen Tablao besucht und Tränen vergossen. Aufgewühlt, verzaubert und mit Musik im Kopf komme ich zurück.
Übrigens war ich auch in Ronda, wo Rainer Maria Rilke in einem noblen Hotel seine Ferien verbrachte.
Lieben Gruß
Jenny
***
Lieber gummibaum,
hübsch im eigentlichen Sinne war er nicht, mein Gitano. Er war ganz dunkel und wild, mit wirren schwarzen Haaren. Doch seine Ausstrahlung, sein Lachen, seine wunderschönen Augen waren hinreißend. Und natürlich sein Gitarrenspiel. Beim Flamenco kommt es auf klassische Schönheit gar nicht an. Wichtig ist die Dramatik. Und es war ja ein kleines Liebesdrama, das sich ereignete.
Ein Drama war es auch, dass ich schon fahren musste, denn ich liebe Andalusien! Vor allem das alte al-Andalus hat es mir angetan. Die riesige Moschee in Córdoba, mit ihren vielen Säulen aus Marmor, den kunstvoll geschnitzten Holzdecken, den bunten Fliesenornamenten. Córdoba, zur Zeit der Kalifen das Zentrum der Gelehrsamkeit in Europa, wo Menschen aller Religionen friedlich zusammenlebten - bis die katholische Isabella kam. Zugegeben, die gotischen Kirchen und barocken Kathedralen sind auch sehr schön anzusehen, abgesehen von einigen Gemälden, auf denen das Sünderblut nur so spritzt. Ich liebe die Städte mit ihren verwinkelten Gassen, mit ihren Basaren und Düften, mit Häusern und Höfen, über und über geschmückt mit Blumen. Und die Alhambra, die über Granada thront, mit ihren Brunnen und Gärten, inmitten grüner Hügel am Rand der Sierra Nevada. Die Strelizien, die Dattelpalmen und Orangenbäume, die seltene Igeltanne. Den Guadalquivir, an dessen grünen Ufern viele Vogelarten leben. Die Geburtsstätte des Flamenco, die Heimat von Seneca und Moses Maimonides, von Murillo und Pablo Picasso, von Federico García Lorca und Rafael Alberti. Ich liebe es, am Mittelmeer oder am Atlantik zu sein, wo frischer Fisch und alter Wein auf den Tisch kommen, denn in Andalusien dreht sich alles ums Essen und Trinken. Und ich liebe die leichte, fröhliche und temperamentvolle Art der Andalusier und Andalusierinnen. Wobei man nicht vergessen darf, dass Andalusien die ärmste spanische Provinz ist und als Agrarland auch sehr unter dem Klimawandel zu leiden hat.
Lieben Gruß
Jenny