Frühe Heimkehrer

[gummibaum]

Vom Kreuzzug Desertierte sind gekommen.
Gott strafte sie mit Flecken auf der Haut
und hat, dass uns bei ihrem Anblick graut, 
die Nase aus dem Antlitz fortgenommen.

Entstellte sind es jetzt mit Löwenfratzen.
Auch wurden ihre Finger, Zehen taub
und fielen ihnen schmerzlos ab wie Staub.
Es blieben den Verstümmelten nur Tatzen.

Der Priester kommt, der Arzt, sie zu betrachten,
und „Aussatz!“ heißt es. - Raunen füllt den Ort.
Die Menge fordert zornig im Verachten:

„Ins Leprosorium!“ - Man treibt sie fort.
Mit Klappern vor sich warnend dort zu schmachten
ist nun ihr Los und ihres Sterbens Hort…
 

[Erich Kykal]

Hi Gum!

Morbide, aber treffend! Die Angst der Menschen vor Ansteckung ist verständlich, das Schicksal der Verstoßenen dennoch grausam und menschenunwürdig. Wir sollten aber nicht verurteilen, die wir uns heute so gern aus der gemütlichen Kanzel der von moderner Medizin Geschützten lehnen, um über die Panikreaktionen und aus heutuger Sicht brutalen Reaktionen der damaligen Leute die Nase zu rümpfen. Sie hatten vor Ansteckung keinen Schutz, und bei Ansteckung keine Aussicht auf Heilung - und hatten selbst Gemeinschaften, Familien und Kinder zu behüten. So unmenschlich uns das aus heutiger Sicht erscheinen mag - wir hätten damals wohl nicht anders gehandelt.

Sehr gern gelesen!

LG, eKy

[Curd Belesos]

Lieber gummibaum,

da hast du wieder etwas ins lyrische Licht gerückt, was sonst der Dunkelheit des Vergessens anheim gefallen wäre.

Ja, ja, Lepra, Pest, HIV sind die Strafen Gottes für die Kleingläubigen.

Feine Ironie, die ich gerne bei dir lese.

LG
CB

[gummibaum]

Nein, wir hätten damals genauso gehandelt, lieber Erich. Vielen Dank.

Danke, lieber Curd. Ja, ein bisschen Ironie dabei.

LG gummibaum

[Agneta]

Brutal und lakonisch setzt du die Heuchelei der Menschen in Szene, lieber Gum. Einerseits sollten sie Helden werden, dann wollten sie nicht mehr morden ( denn Soldaten sind Mörder). Mit Krankheit gestraft wurden sie ausgestoßen. Hätten sie weiter gemordet, wären sie vielleicht Helden geworden.
Ich denk an die vielen Humpelnden und die mit den Greifarmen aus Stahl, vor denen uns als Kinder gruselte. Sicherlich ist Lepra noch einmal ein anderer Fall. Aber die Aussage bleibt dieselbe.
LG von Agneta

[Sufnus]

Eine bildstarke, detailgenaue und kenntnisreiche Darstellung der Lepra vom Kollegen gummibaum! Sehr gerne gelesen.
Interessant übrigens eine Gegenüberstellung Deiner nosologischen Gedichte mit den Morgue-Gedichten von Herrn Benn. Man merkt, finde ich, deutlich, dass Benn seine poetischen Betrachtungen des menschlichen Leids aus einer noch relativ unreifen Perspektive schreibt und in den Morgue-Gedichten zwischen einem geradezu "schwelgerischen" Pathos angesichts der körperlichen Zerstörungen und tiefer Erschütterung hinter der Maske des Zynikers hin- und herwechselt. Demgegenüber sind Deine Gedichte, lieber gummibaum, in ihrer inneren Haltung weitaus gefestigter und kombinieren eine durchaus warmherzige Empathie mit dem nüchternen Auge des Chronisten.
Lg!
S.

[gummibaum]

Danke, liebe Agneta,

für den einfühlsamen Kommentar, der auf Gefühle beim Anblick von Kriegsopfern in der Kindheit zurückgreift.


Danke, lieber Sufnus,

für den Vergleich mit Benns Gedichten, der meines erfreulich gut abschneiden lässt.

Viele liebe Grüße an euch.
gummibaum

 

[wolfmozart]

Das Poem geht unter die Haut, gummibaum.

Tiefgründig ausgeführt, wies für so ein ernstes Thema gehört.

Lieben Gruß wolfmozart