Autor Thema: Der lustige Zyniker  (Gelesen 1534 mal)

Erich Kykal

Der lustige Zyniker
« am: Februar 02, 2019, 14:15:14 »
Er fand sich gut dabei, wenn er mit Worten
die ganze Welt nach seinem Spott bemaß,
doch glich, wenn er sich ganz darin vergaß,
sein Mund der dunklen Mitte von Aborten.

Der stillen Weisheit unscheinbare Pforten
verschlossen sich vor seinem Übermaß,
und alle Hitze, die sein Witz besaß,
versengte jene, die darin verdorrten.

Er spürte nicht der trauten Augen Kühle
auf seinem Drang, der keine Zote scheute,
und nicht das leise Sterben der Gefühle,

die alle anderen für ihn empfanden.
Erst irgendwann, als er zu spät bereute,
erkannte er, weswegen sie verschwanden.
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Der lustige Zyniker
« Antwort #1 am: Februar 02, 2019, 15:53:23 »
Subtile Charakteranalyse, lieber Erich.

Sehr gern gelesen.

LG gummibaum


Letreo71

Re: Der lustige Zyniker
« Antwort #2 am: Februar 02, 2019, 16:39:51 »
Wer das so treffend wie du in Worte zu fassen vermag, lieber eKy, ist einfach ein begnadeter Poet!

Unglaublich starke Zeilen oder aber ein Hammer Text! 8)

Lieben Gruß

Letreo
« Letzte Änderung: Februar 02, 2019, 16:50:50 von Letreo71 »

Erich Kykal

Re: Der lustige Zyniker
« Antwort #3 am: Februar 02, 2019, 17:43:17 »
Hi Gum, Letreo!

Ein wenig Asche aufs eigene Haupt ...

Ja, der alte Spötter lässt kein Fettnäpfchen aus, wenn er mal ein Publikum hat und in Fahrt ist - da leiden Einfühlungsvermögen und Feingefühl!

Allzu lauter Humor, Brüllwitze auf Kosten der ganzen Welt, schneidender Zynismus, der alles entkleidet - das mögen viele nicht, teils aus Angst, selbst dranzukommen, teils, weil sie es oberflächlich und selbstgerecht finden, und leise suchen sie das Weite ...

Seltsamerweise erkennt die "Stimmungskanone", die sich ebenso distanzieren würde wie die anderen, stünde er auf deren Seite der "Bühne", selbst immer nie oder viel zu spät, dass das Fett aus den Näpfchen allzu weit gespritzt ist!
Wenn "der Schmäh fliegt", wie man bei uns sagt, ist es oft schwer, die feine Grenze dessen zu erkennen, was den noch augenzwinkernden Humor von ätzender Herabwürdigung trennt!

Zusätzlich schwer, da jeder diese Grenze woanders zieht - die sozial allgemein verträgliche Schnittmenge des kleinsten gemeinsamen Nenners menschlichen Witzes ist zuweilen recht schmal gestrickt ...

Wer also allzu hoch fliegt mit seinem Schmäh, der muss damit rechnen, sich unbemerkt ins soziale Abseits zu manövrieren, gerade in unseren Zeiten betulicher politischer Korrektheit in allen Lebenslagen.

LG, eKy

Vielen Dank für das profunde Lob!  :)

LG, eKy
« Letzte Änderung: Februar 03, 2021, 10:54:47 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Der lustige Zyniker
« Antwort #4 am: Februar 02, 2019, 20:15:19 »
Wunderbar verdichtet, lieber eKy! Und dabei nicht nur mit Gewinn zu lesen für diejenigen, die um den Besungenen wissen, sondern - des bin ich gewiss - auch für Leser reichlich Anknüpfungspunkte bietend (Gott drück ich mich heut wieder umständlich aus!), welchen das patenstehende Sujet (Subjekt?) fremd ist. Weiters find ich erbaulich, das der Geschmähte durchaus mit differenziertem, ja beinahe verstehendem, Blick betrachtet wird. Wahrlich also kein Schwarz-Weiß-Gemälde. Ich mags.

... und habe nur folgende Details anzubemerken:
Z2 & Z3: Wiederholung von ganz(e); es scheint sich hier aber nicht um ein Stilmittel zu handeln, oder doch?
Z4: Die "dunkle Mitte" empfinde ich persönlich als etwas sperrige Formulierung; Vorschlag: "... sein Mund der dunklen Öffnung in Aborten"
Z12: Eigentlich ist diese Zeile eher im Plusquamperfekt zu setzen - nicht ganz zwingend m. E. bei einer Art Zustandsvergangenheit, aber vielleicht würde die Zeitenfolge zumindest durch ein eingefügtes "einst" noch etwas klarer: "die einst die anderen für ihn empfanden"?

Sehr gern gelesen!

S.

Erich Kykal

Re: Der lustige Zyniker
« Antwort #5 am: Februar 02, 2019, 21:49:12 »
Hi Suf!

Zu Z12 - Während des Sterbens der Gefühle war ja noch Empfindung vorhanden (auch wenn sie im Schwinden war), daher ist Vorvergangenheit nicht zwingend nötig.

Die Wiederholung von "ganz(e)" in S1Z2 und 3 war nicht geplant, ist einfach passiert, und mir fällt da auf Anhieb keine Lösung ein, die den Inhalt ähnlich exakt transportiert - allerdings finde ich die Wh. hier nicht so arg ins Gewicht fallend. Ist mir zuerst ja gar nicht aufgefallen.
Eine mögliche Alternative wäre "gänzlich drin" in Z3, aber "gänzlich" ist ja von "ganz" abgeleitet, und die Verkürzung von "darin" missbehagt mir.

S1Z4 - Ich finde die Umschreibung nicht sperrig, im Gegenteil - jeder weiß, was gemeint ist, ohne dass die "Öffnung" an sich und ihre Funktion benannt werden mussten. Ich finde das elegant gelöst.


Vielen Dank für Lob und Gedanken zur Sprachführung!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Der lustige Zyniker
« Antwort #6 am: Februar 02, 2019, 22:11:35 »
Die Wiederholung von "ganz(e)" in S1Z2 und 3 war nicht geplant, ist einfach passiert, und mir fällt da auf Anhieb keine Lösung ein, die den Inhalt ähnlich exakt transportiert - allerdings finde ich die Wh. hier nicht so arg ins Gewicht fallend. Ist mir zuerst ja gar nicht aufgefallen.
Eine mögliche Alternative wäre "gänzlich drin" in Z3, aber "gänzlich" ist ja von "ganz" abgeleitet, und die Verkürzung von "darin" missbehagt mir.

Vorschläge:
 
die weite Welt nach seinem Spott bemaß,
doch glich uws.

die Welt ringsum nach seinem Spott bemaß,
doch glich usw.


Erich Kykal

Re: Der lustige Zyniker
« Antwort #7 am: Februar 02, 2019, 23:01:41 »
Hi Suf!

Daran hatte ich auch schon gedacht, aber das "weite" ist mir zu undifferenziert, zu wenig allumfassend.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Curd Belesos

Re: Der lustige Zyniker
« Antwort #8 am: Februar 02, 2019, 23:11:41 »
Moin Erich,

ein sehr selbstgefälliger, dein lustiger Zyniker.

Doch trefflich beschrieben, diese Mischung aus Erbsenzähler, Lehrer Lämpel und "Verachter".

Sehr begeistert gelesen.

LG
CB
Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

Agneta

  • Gast
Re: Der lustige Zyniker
« Antwort #9 am: Februar 03, 2019, 11:09:31 »
auf den Punkt, lieber Erich. Genau so ist es, wir sprachen ja schon von dem Unterschied zwischen empathischem Satiriker und verbittertem Zyniker.
Dennoch meinen diese Zyniker immer, sie wären dere Mittelpunt der Welt. Der traurige Schluss deines Werkes zeigt, wo sie enden.
Zustimmend nick und voll einverstanden mit LG Agneta

Erich Kykal

Re: Der lustige Zyniker
« Antwort #10 am: Februar 03, 2019, 11:38:46 »
Hi Agneta!

Interessanterweise ist man ja nicht immer so ein unempathisches Ekel - und ja, natürlich spreche ich da oben von mir selbst - nein, meistens ist man, wie du sagst, ein freundlicher Satiriker, aber manchmal "fliegt" eben der Schmäh, und man steigert sich hinein, oder man ist einfach zutiefst erbost ob so offensichtlicher Dummheit oder Kurzsichtigkeit eines Gegenübers, dass man sich gehen lässt und so richtig zu ätzen beginnt!
Und dann ist es schwer, von dem einmal gewonnenen Drehmoment wieder runterzukommen! Dann übersieht man leicht den Punkt, an dem man einfach nicht mehr unterhaltsam ist, sondern nur noch fanatisch, engstirnig und verletzend rüberkommt. Als Grenzasperger tu ich mir zusätzlich schwer mit dieser feinen Linie - ich kränke oft, ohne es überhaupt zu bemerken!  ::) :-\ :-[

Vielen Dank für deine treffenden Einlassungen!  :)

LG, eKy
« Letzte Änderung: Mai 28, 2020, 15:08:31 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Der lustige Zyniker
« Antwort #11 am: Februar 03, 2019, 16:52:33 »
Hi eKy!
Also dann hab ich die Intention des Autors offenkundig äußerst gründlich missverstanden - als Selbstbeschreibung habe ich diesen Text wirklich nicht gelesen (und kann ihn immer noch nicht so lesen), sondern beziehe ihn eher auf eine... hm... umstrittene Person eines Nachbarlyrikforums... ich wüsste jetzt auch beim schlechtesten Willen nicht, wo Du Brüllwitze auf Kosten anderer reißt, erlebe ich Dich doch als warmherzigen, anteilnehmenden, engagierten, lyrikverrückten, Sucher nach dem Schönen. :)
LG!
S.

Erich Kykal

Re: Der lustige Zyniker
« Antwort #12 am: Februar 03, 2019, 20:24:49 »
Hi Suf!

Wir kennen immer nur wenige Facetten des anderen, meinen aber ihn beurteilen zu können ... - das ist nicht als Vorwurf gemeint, ergeht es mir doch ebenso. Wir lernen uns in einem ganzen Leben nicht einmal selbst ganz und gar kennen, sind aber bereit, sofort und aufgrund kleinster Indizien über andere zu mutmaßen ...

Ich bin mit Sicherheit nicht NUR der nette, verständnisvolle Ästhet, den du beschwörst - ich kann geradezu fanatisch werden, kaltherzig, ja soziopathisch sein ... alles eine Frage der Thematik, der Tagesverfassung, der Situation und der Vorgeschichte. Niemand ist nur gut oder böse, aber das muss ich sicher niemandem erklären, der eine Zeit lang gelebt hat.

Alles, was das obige Werk beschreibt, habe ich irgendwann unter irgendwelchen Prämissen getan, mit all der einhergehenden Blindheit oder Gleichgültigkeit. Ich war nicht immer ein reifer, selbstkontrollierter Mensch. Ich bin es nicht einmal heute jederzeit und überall ...  ::) Wer bei mir die richtigen Schalter umlegt, lernt mich vielleicht von einer Seite kennen, die er sich nie hätte träumen lassen - aber auch das bin ich dann, auch wenn ich hinterher nicht stolz darauf bin. Wir alle haben Schwächen, und der größte Fehler liegt darin, sie sich nicht selbst einzugestehen - und selbst dann ist man nicht per se für immer auf der sicheren Seite.

Wenn mich die Wut packt, kann ich zum Berserker werden - ich habe eindeutig eine gewalttätige Ader. Ich kann berechnend und manipulativ sein, aber auch mitfühlend und rücksichtsvoll - und ich kann beides benutzen, um eigene Ziele zu erreichen oder anderen zu helfen. Ich bin eindeutig fähig zu töten, wenn ich es trotz hoher moralischer Ansprüche für gerechtfertigt halte, und diese Ansprüche gehen nicht immer mit dem BGB konform. Ich kann auch feige sein und nenne es hinterher Vernunft, kann träge sein und nenne es hinterher Strategie - aber ich kann auch mutig sein und aufopfernd.

Was ich jeweils bin, bestimmen Lebensumstände, psychische Verfassung und mehr oder minder traumatisierende Erlebnisse. Liebe oder Hass, Härte oder Mitgefühl, Gleichgültigkeit oder Wärme - nicht immer Gegensätze, nicht immer das, was sie zu sein scheinen. So ist das Leben.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.