Autor Thema: Du  (Gelesen 4058 mal)

Eisenvorhang

  • Gast
Du
« am: Dezember 09, 2019, 22:00:34 »
Du bist für mich wie eine Landschaft und
ein Ausblick über Weite, Tal und Hang,
der Regen nässt im Grau die Bäume wund,
und aus der Tiefe steigt der Flüsse Klang.

Ich seh die Wiesen und ich sehe dich
und bin berührt von deinem Angesicht,
als wärst du Porzellan und königlich,
doch einen Namen? Nein, den hast du nicht.

Ich warte auf die Ebbe und die Flut.
Ich seh mich selbst in dir versanden,
bin tief verschüttet und auch ohne Mut -
nie hab ich dich im Ansatz je verstanden.
« Letzte Änderung: Dezember 10, 2019, 11:01:37 von Eisenvorhang »

Erich Kykal

Re: Du
« Antwort #1 am: Dezember 10, 2019, 01:22:44 »
Hi EV!

Wow - ein hervorragender Text! Das hat Tiefe, ist voller mystischer Symbolik und toller lyrischer Bilder! Allerdings will mir scheinen, als würden diese Qualitäten mit jeder Strophe zum Schluss hin leicht abnehmen. Nicht tragisch, aber merkbar.

Es könnte eine geheimnisvolle Frau sein, eine wahre Liebe, nie ganz ergründet - oder irgendetwas anderes wie ein Traum, den wir jagen, eine Idealfigur unseres Begehrens oder so.

Peanuts:

Das "wohl" in S3Z3 erscheint mir etwas deplatziert angewendet. Wie wäre es stattdessen mit "tief"?

Die letzte Zeile will so formuliert eigentlich betont beginnen. Wie wäre es so: "als hätt ich dich im Ansatz nie verstanden."


Sehr gern gelesen!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Eisenvorhang

  • Gast
Re: Du
« Antwort #2 am: Dezember 10, 2019, 11:01:17 »
Hallo lieber Erich,

ich danke Dir für Deinen Kommentar und Dein Lob.  O0
Deine Vorschläge übernehme ich sehr gerne und kitten die Schwachstellen des Gedichts.

Ich danke Dir!

vlg

EV

gummibaum

Re: Du
« Antwort #3 am: Dezember 10, 2019, 15:36:11 »
Sehr schön, lieber Eisenvorhang,
diese Darstellung der Geliebten als Landschaft, zu groß, um sie auszudeuten und mit der Konsequenz, in ihr aufzugehen.

Mit Genuss gelesen.

Herzliche Grüße von gummibaum

Eisenvorhang

  • Gast
Re: Du
« Antwort #4 am: Dezember 10, 2019, 18:06:04 »
Hallo gummibaum!

Schön von dir zu lesen.
Ich freue mich sehr, dass dieses kleine Ständchen dir ein Genuss sein konnte.

Danke fürs Rumguggen! :D

vlg

EV

Agneta

  • Gast
Re: Du
« Antwort #5 am: Dezember 15, 2019, 11:27:54 »
berührende, starke Zeilen. LG von Agneta

Eisenvorhang

  • Gast
Re: Du
« Antwort #6 am: Dezember 15, 2019, 20:05:26 »
Hallo Agneta!

Vielen lieben Dank für das Vorbeischauen und kommentieren und auch fürs gefallen!

vlg

EV

Curd Belesos

Re: Du
« Antwort #7 am: Dezember 26, 2019, 23:11:06 »
Moin Eisenvorhang,

ein wunderschönes, trauriges Gedicht, das ich gefühlsmäßig nicht mehr erleben möchte, da ich diesen Gedanken kenne.

Sehr gerne gelesen und geträumt.

LG
CB
Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

Eisenvorhang

  • Gast
Re: Du
« Antwort #8 am: Dezember 27, 2019, 00:13:46 »
Hallo Curd,

ich danke Dir - im Leben kann man auf einiges verzichten. Trotzdem gehört Verzicht dazu.


Hab Dank, dass du hier warst.

Vlg

Ev

Sufnus

Re: Du
« Antwort #9 am: Januar 15, 2020, 10:34:03 »
Interessante Verse! :)
Strophe 1 zielt erst effektvoll gen schmachtiges Fin de Siècle-Elysium, kippt dann aber in Zeile 3 in einen frühexpressionistischen Gestus. Das ist durchaus mit Überwältigungsanspruch komponiert und stellt die Messlatte für die folgenden Strophe auf ein ziemliches hohes Niveau ein.
Strophe 2 löst dann für mein Gefühl die Erwartungshaltung nicht ein, sondern ist vergleichsweise banal, der inhaltliche Sprung von Wiesen (wo kommen die her?) zum Angesicht des lyrischen Du ist unmotiviert, Porzellan ein ziemlich abgedroschener Vergleich in der Liebeslyrik und das "königlich" eher etwas hilflos.
Strophe 3 hebt den Anspruch wieder deutlich an. Dabei führen die Zeilen mit der Versandung des LyrIchs im Gegenüber ein bis dato nicht anmoderiertes, durchaus kräftiges, Bild ein. Vergleichsweise ist dann jedoch der Schluss wieder flach und konventionell.
Insgesamt also für mich eine lyrische Berg-und-Tal-Fahrt. Ich glaube, das konzeptionelle Problem des Gedichts besteht darin, dass die starken Bilder, die Strophe 1 und 3 dominieren, einer vergleichsweise banalen Selbstanalyse des lyrischen Ichs gegenübergestellt werden: "Ich habe keinen Namen für Dich und Dich auch nie verstanden" ist vor dem Hintergrund der mächtigen Seelenlandschaft in Strophe 1 und der beklemmenden Verschüttungsfantasie in Strophe 3 zu schwach gefühlt und gedacht.
Dennoch angeregt gelesen! :)
VG!
S.

Eisenvorhang

  • Gast
Re: Du
« Antwort #10 am: Januar 26, 2020, 18:22:55 »
Hallo Sufnus,

schön, dass du wieder da bist, ich dachte schon, du seist entschwunden...

Danke für Deine Kritik - das angesprochene Porzellan und die Königlichkeit sind im Grunde kulturelle Begriffe, die von der Natur ablenken sollen und so einen anderen Bezug erhalten.
Trotzdem schaffe ich bewusst in meinen Gedichten immer einen gewissen Freiraum.
Wenn mir die erste Zeile vor die Augen schwebt, ist der Rest nur dahinfließende Emotion.
Manchmal sind die Bilder stärke, manchmal schwächer.

Vlg

EV

Sufnus

Re: Du
« Antwort #11 am: Januar 27, 2020, 14:39:38 »
Hey EV!
Ich war nur temporär abgetaucht, aber nicht entschwunden. :)
Grüße!
S.

wolfmozart

Re: Du
« Antwort #12 am: Februar 15, 2020, 15:51:21 »
Da ist es mir auch so ergangen, Eisenvorhang, mit meiner Ex-Partnerin.

Interessant geschrieben, gut formuliert.

Ein schönes kleines Gedicht.

LG wolfmozart

Eisenvorhang

  • Gast
Re: Du
« Antwort #13 am: Februar 16, 2020, 12:00:43 »
Ich danke Dir Wolfmozart!

AlteLyrikerin

Re: Du
« Antwort #14 am: Mai 30, 2020, 11:56:01 »
Habe ich nun hier zum zweiten Mal gelesen und bin immer noch, oder schon wieder, entführt in eine Sehnsucht, die in sich das Potential hat zu mehr Lebendigkeit als sie die Erfüllung vielleicht geschenkt hätte. Das Unvollendete, oder wie Rilke sagte, das Schöne als der Schrecken, den wir gerade noch ertragen, lässt uns leben, nicht die Sattheit!

Liebe Grüße, AlteLyrikerin.