Hi Curd!
Wie schön, Dich zu lesen!

Ich hab Dich hier schon vermisst!

Bei Deinem aktuellen Gedicht, einem schönen Sonett, fällt auf, dass sich die erste Zeile einem gebundenen Reden in definiertem Metrum verweigert. Der Rest ist ziemlich regelhaft als fünfhebiger Jambus angelegt, aber in Z1 wird durch das sperrige Wort "Nachdenklich" (metrisch am ehesten als etwas verwaschener Daktylus zu lesen) die metrische Festgefügtheit unterlaufen. Mir gefällt so etwas ja durchaus...
Ich gehe jetzt mal einfach davon aus, dass eKy eine metrisch geglättete Version entwirft (wenn nicht gerade, während ich dies schreibe, schon geschehen...

)
Aber mich würde es ja in den Fingern jucken, eine Version zu erstellen, bei der dieses Unterlaufen eines festen Metrums noch auf weitere Zeilen ausgedehnt wird, so dass sich deutliche Anklänge an "normales Alltagsreden" ergeben.
Ansonsten mag ich sehr den stolzen Ton Deiner Zeilen, vor allem in Strophe 2. In Verbindung mit der in Strophe 3 und 4 gefundenen Einsicht in die Begrenztheit allen Seins findet sich das LI in eine Geisteshaltung, die eines antiken Stoikers (oder meinethalben auch Epikureers) würdig wäre. Und meine Assoziation mit den alten Philosophen kommt natürlich nicht von ungefähr, sondern wird durch Deine Wortwahl, genauer: die einzelnen antiken Einsprengsel (Hypnos, Ovid, die alten Götter) von Dir anmoderiert.

Die germanischen Nornen, finde ich, passen da nicht so recht hin und "stellar" sticht für mich auch etwas unebenmäßig raus, weil es für mich eher etwas fachterminologisch nach Astronomen-Sprech klingt und damit einen etwas technischen Ton einbringt.
Unten jedenfalls, wie angedroht, mal ein Versuch (nur als Etüde!) einer insgesamt "ungebundenen" Sprache weitgehend ohne definierte Metrik, kein Verbesserungsvorschlag, sondern nur als eine Studie, was sich aus dem Zusammenprall von regelmäßigem Reim und unregelmäßiger "Metrik" ergibt.

Sehr gern und angeregt gelesen!
S.
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Nachdenklich schreibe ich oft viele Zeilen,
wenn mir, wie jetzt, der Tag in Stille endet
und meine Gedanken noch im Moment verweilen,
bevor Radio Dopamin mir Deltawellen sendet.
In dieser Stimmung höre ich mich sagen:
ganz egal womit mich Kaffeesatzleser bedenken,
ich werd mein Schicksal immer ungebeugt tragen,
denn ich bin frei und lasse mich nicht lenken.
Lies deinen Ovid! Der Wandel ist festgeschrieben.
Auf der Welt wird nichts dauerhaft bestehen,
auch wenn Menschen noch so gerne davon träumen.
Ich weiß, die alten Götter hat man vertrieben,
aber was man heute glaubt, wird genauso vergehen,
denn wir sind Staub: eine Erinnerung aus fernen Räumen.