Autor Thema: Dunkle Abgründe  (Gelesen 933 mal)

Curd Belesos

Dunkle Abgründe
« am: Oktober 08, 2020, 20:43:57 »

Es sperrt der See mit seinem glatten Spiegel
der Fluten Tiefe, die unendlich scheint,
in deren Dunkel Unheilvolles keimt,
doch hält der Glanz des Wassers wie ein Riegel,
was uns erschrecken könnte fern vom Licht,
nur in der Nacht hält diese Schranke nicht,
der Glanz verschwindet und es bricht das Siegel,
das vor Dämonen aus der Tiefe schützt,
weil nur der helle Sonnenstrahl uns nützt,
scheint er am Tage über See und Hügel.

Doch da bei Nacht die blanken Flächen fehlen,
steigen die Geister auf in großer Zahl,
mit ihnen kommen Ängste, Not und Qual,
wenn sie vom Höllenschlund im Traum erzählen,
denn Alben stellen unser Dasein bloß,
und unsre Furcht vor ihnen ist so groß,
weil sie den Glauben an das Gute stehlen,
sodass das Herz uns wild im Leibe schlägt,
da nur das Böse reiche Früchte trägt,
und so ergreift ein Schaudern unsre Seelen.

Sie können nur im Schlaf die Macht gewinnen,
wie es im tiefen Traumzustand geschieht,
da es dem Rationalen sich entzieht,
wenn wir hier Wunsch und Ahnungen verspinnen,
derweil der Körper tiefenseelig ruht   
und nichts zur Stressbewältigung mehr tut,
auf das wir uns dann später noch besinnen,
wenn man am Morgen schweißverklebt erwacht,
nach einer grauenschwer durchlebten Nacht
und so dem Albtraumwirken dann entrinnen.

© Curd Belesos
Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

gummibaum

Re: Dunkle Abgründe
« Antwort #1 am: Oktober 08, 2020, 21:24:44 »
Sehr schön, lieber Curd,

die Seele als See, aus dessen Tiefe im Traum die Seeungeheuer steigen.

Mit freudigem Grausen gelesen.
Grüße von gummibaum

Erich Kykal

Re: Dunkle Abgründe
« Antwort #2 am: Oktober 09, 2020, 00:22:00 »
Hi Curd!

Mal was Längeres aus deiner Feder!  :)

Tipps:

S2Z2 - Das "steigen" am Zeilenbeginn will betont angelesen werden, aber dieses Werk hat unbetonten Auftakt. Altern.: "erheben Geister sich in großer Zahl,".

S3Z1 - "an Macht gewinnen" gefiele mir sprachlich dort besser.

S3Z6 - Der Begriff "Stressbewältigung" ist dermaßen prosaisch und unlyrisch, dass er den Leser glatt aus der Stimmung wirft, die du mittels gehobener Sprache davor aufgebaut hast. Hier täte ein "edlerer" Terminus not, der nicht so hemdsärmelig nach Yogaseminar klingt.


Insgesamt gut, aber zum Ende hin denkt man sich doch, ob die Inhalte nicht mit etwas weniger Zeilen und weniger verschachtelten Sätzen auch hätten adäquat verdichtet werden können.

Gern gelesen!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Dunkle Abgründe
« Antwort #3 am: Oktober 09, 2020, 08:40:49 »
Hi Curd! :)
Deine Zeilen passen in der Tat mal vom ganz Formalen her zu dem kürzlich stattgehabten Austausch über die Länge von Gedichten... ich habe als (natürlich einigermaßen willkürliche) Grenze, ab der ein Gedicht nicht mehr als "kurz" eingestuft wird, auf die Vorgaben der Frankfurter Anthologie verwiesen, in der ab 42 Zeilen ein Gedicht als zu "lang" für den Anthologie-Rahmen eingestuft wurde. Dein Werk ist mit 30 Zeilen also noch deutlich unterhalb dieser Grenze und damit zumindest kein "langes" Gedicht.
Für unsere heutigen Lesegewohnheiten ist es aber doch auch kein ausgesprochen kurzes Werk und obwohl ich persönlich ja kürzeste und allerkürzeste Gedichte grundsätzlich am liebsten mag, habe ich Deine Verse mit großem Behagen gelesen und finde das Bild des tagspiegelnden Sees, der die Dämonen der Tiefe vor unseren Blicken (und damit vor der Welt) streng verwahrt hält, ganz wonniglich! :)
eKys etwas lauwarmes Lob möchte ich also nachdrücklich überbieten! Chapeau! :)
Ganz besonders vehement widerspreche ich eKys Vorschlag die delikate Reibung des Metrumwechsels in S2Z2 durch eine glattgebügelte Variante zu banalisieren (natürlich nur meine subjektive Ansicht hierzu!)... ich finde es, so wie es dasteht ganz wunderbar!
Und nur weil ein Sufnus ohne haarspalterische Minidetailanmerkungen ja irgendwie unvollständig rüberkommt: Ist "Alben" (S2Z5) wirklich der korrekte Plural für "Alb"? Ich hab jetzt nicht nachgeschaut aber gefühlsmäßig würde ich "Albe" für richtiger halten...
Sehr leseerfreute Grüße voller Hoffnung auf mehr von Dir! :)
S.