Autor Thema: Praktisch  (Gelesen 492 mal)

Seeräuber-Jenny

Praktisch
« am: Oktober 04, 2021, 16:01:38 »
"Oh, wie praktisch!", sprach Klein Erna,
als sie sonntags unterwegs war
am Balkon von Altona
und nen Bengel pinkeln sah.

Musste sie mal Pipi machen,
hatte Erna nichts zu lachen.
Wieviel besser hat’s ein Mann,
der ganz einfach stehen kann.

Musste sie sich doch in Ecken
stets als lütte Deern verstecken,
balancieren mit dem Po
am verdreckten Bahnhofsklo.

Weil Klein Erna aber hell war,
kaufte sie ne Urinella
von nem Werk in USA,
wo man genderfreundlich war.

Fortan pinkelt sie im Stehen,
muss nicht in die Büsche gehen.
Tapfer steht sie ihren Mann,
hält die Urinella ran.

Kann im Park zehn Sterni saufen,
braucht ja nur ein Stückchen laufen,
souverän und ganz entspannt,
mit der Rinne in der Hand.

Kann wie‘n Hund nen Baum markieren,
Wege mit nem Kunstwerk zieren,
wenn ne steife Brise weht,
fluchen, wenn der Wind sich dreht.

Oh, wie praktisch für uns Frauen,
dass wir Urinellas bauen
und auf diese Art geschwind
nun auf Augenhöhe sind.
« Letzte Änderung: Oktober 04, 2021, 16:04:45 von Seeräuber-Jenny »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

a.c.larin

Re: Praktisch
« Antwort #1 am: Oktober 04, 2021, 18:33:40 »
Hallo jenny,
Auch so ein Problem, dass die Jungs nicht haben....😂
Ob ich aber mit so ner Schüssel spazieren rennen wollte, wenn ich noch jung wär ?

Augenhöhe her oder hin: Kabhäuschen mit Privatheit ist mir lieber!!😂

Aber wer weiß? Zeiten und Moden ändern sich.
Im Wien vor 200, 300 Jahren gab es einen eigenen Berufsstand: Menschen mit übergroßen Mänteln! Da konnte man sich - gegen Entgelt natürlich - mit einem Becherlein bewaffnet unter den  Mantel hocken und tun, was dringend nötig erschien....😂

So hat halt jede Zeit ihre Lösung.....

Lg larin
« Letzte Änderung: Oktober 04, 2021, 18:35:38 von a.c.larin »

Erich Kykal

Re: Praktisch
« Antwort #2 am: Oktober 04, 2021, 22:00:27 »
Hi Jen, larin!

Wenn ich an die armen Pisspagen am Hof von Ludwig dem Vierzehnten denke, die den besoffenen Adligen die Holzeimer hinhalten mussten, dann ist das Mitführen einer kleinen, womöglich faltbaren Plastikurinella wirklich kein Schicksal ...  ;) ;D

Eine gute Erfiundung - daher immer noch weitgehend unbekannt und ignoriert. Das Gedicht sagt alles dazu, was gesagt werden muss.

@ larin: Ich glaube, "Kabäuschen" schreibt sich nur mit einem "h".

Das mit den Manteltypen war mir neu - wie widerlich originell!  >:D

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Seeräuber-Jenny

Re: Praktisch
« Antwort #3 am: Oktober 05, 2021, 03:27:24 »
Hallo larin,

das mit den übergroßen Mänteln ist eine lustige Erfindung! In den Berliner Parks ließe sich damit ein gutes Geschäft machen. Denn in ganz Berlin gibt es leider zu wenig öffentliche Klos. Ich bin froh, dass ich meine Urinella habe. Draußen, aber auch in öffentlichen Toiletten, die meistens nicht so sauber sind, pinkelt es sich auf diese Weise ganz angenehm.

Lieben Gruß
Jenny

***

Hi Erich,

wirklich eine gute Sache, und so allmählich setzt sich die Urinella auch durch. Sie wurde für Festivals entwickelt, und wie ich im Internet gelesen habe, wird sie auch von Bergsteigerinnen oft genutzt.

Urinellas gibt es in den verschiedensten Ausformungen. Ein Freund bestellte mir Einweg-Urinellas aus Pappe, und weil das so gut funktionierte, habe ich mir eine aus Plastik bestellt. Ein einfache Rinne, sieht aus wie ein hochgebogener Schuhlöffel. Ich verstaue sie in einem Federmäppchen, zusammen mit einem Wasserfläschchen zum Ausspülen.

Wie sagte ein Freund: "Erst habt ihr uns beigebracht, im Sitzen zu pinkeln, und jetzt pinkelt ihr selbst im Stehen."

Lieben Gruß
Jenny
« Letzte Änderung: Oktober 05, 2021, 03:30:16 von Seeräuber-Jenny »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
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Carl Schurz

Erich Kykal

Re: Praktisch
« Antwort #4 am: Oktober 05, 2021, 12:27:43 »
Hi Jen!

Cooles Bonmot von deinem Kumpel: Kabarettreif!

Ich kenne die Problematik - ich wurde von klein auf zum Sitzpinkler erzogen. Draußen natürlich nicht, aber eben auf dem häuslichen Lokus. Ich habe mir sagen lassen, dass es sonst unhygienische Spritzer gibt - was ich nie so recht nachvollziehen konnte, denn ich pieselte auch im Stehen immer so, dass eben nichts spritzte: an eine Schrägwand der Schüssel, sodass alles nach unten abgelenkt wurde. Zudem war ich schon immer selbst so hygienisch drauf, dass ich von ganz allein wegwischte, was an letzten Tröpfchen vielleicht doch mal den Rand traf - schon aus Rücksicht auf den nächsten Benutzer (obwohl ich mich zum Ende immer vorbeuge, um derlei zu vereiteln).
Ich habe als Kind nie verstanden, warum das nicht bei allen so gut funktionierte, schon gar nicht auf öffentlichen Toiletten. Aber es ist ein hübsches und augenfälliges Beispiel dafür, warum der Kommunismus niemals funktionieren wird: Wir achten nur auf das, was uns gehört, und selbst das nicht immer! Was uns aus sozialer Rücksicht unangenehme Arbeit aufnötigt, ignorieren wir gerne, vor allem, wenn wir ungeschoren damit davonkommen, und viele nutzen soziale Systeme sogar aktiv aus - Schmarotzer, Mietnomaden, Betrüger.

Einfache Regel: Zeige mir deinen Lokus, und ich sage dir, wer du bist.  ;D ;) Daran lassen sich perfekt Geisteshaltung, Sozialgewissen und Grad der Selbst- und Fremdachtung ablesen! Auch bei Gesellschaften und deren Leitungsorganen: Prüfe die öffentlichen Toiletten einer Stadt, und du weißt, wie sie zu ihren Bürgern steht.  >:D

LG, eKy



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gummibaum

Re: Praktisch
« Antwort #5 am: Oktober 05, 2021, 20:48:29 »
Erfrischend geschrieben, liebe Jenny

und in der Tat eine gute und preiswerte Erfindung, wenn man sich damit anfreunden kann.

Mit Freude gelesen.

Grüße von gummibaum


Danke für deine Rettungsaktion für die Lyrik-Wiese!

 

Seeräuber-Jenny

Re: Praktisch
« Antwort #6 am: Oktober 06, 2021, 03:16:45 »
Hi Erich,

oder wie die Bürger zu ihrer Stadt stehen. Abgesehen davon, dass es in Berlin definitiv zu wenig öffentliche Damentoiletten gibt, nimmt man es in der Feierstadt Berlin mit ihrer großen Fluktuation nicht so genau mit der Sauberkeit. Weil es fremdes Eigentum ist? Oder haben sie es nicht anders gelernt? Früher arbeitete ich in der Senatsverwaltung für Justiz. Dort wurden auch die Examensprüfungen abgenommen. Unsere Toiletten waren bevölkert von jungen Damen in schicken Businesskostümen. Die Klos hinterließen sie stets völlig verdreckt. Der Fußboden war mit Klopapier übersät. Ähnlich in diversen Bars, wo viel gesoffen wird, worunter die Zielgenauigkeit leidet. Da wird mir meine Urinella noch gute Dienste leisten. Die Berlinerinnen sind genauso angeekelt wie ich. Werde noch viel Werbung betreiben.

Lieben Gruß
Jenny

***

Lieber gummibaum,

sehr praktisch. Habe zu Hause ein bisschen geübt. Das gefiel mir so gut, dass ich sie tagelang ausschließlich benutzte.

Keine Ursache. Ich bin froh, dass mit dem Forum alles so gut geklappt hat. Erich und Hans haben mich nach Kräften unterstützt.

Lieben Gruß
Jenny
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Carl Schurz

Erich Kykal

Re: Praktisch
« Antwort #7 am: Oktober 06, 2021, 12:11:10 »
Hi Jen!

Das mit dem öffentlichen Toiletten ist so eine Kultursache, denke ich. Japaner sind völlig entgeistert, wenn sie hier ein öffentl. Klo besuchen - in ihrer Heimat sind diese IMMER blitzsauber, hygienisch und makellos. Man reinigt sie mehrmals täglich, alles andere wäre undenkbar.
Für sie sind wir deshalb barbarische, abgrundtiefe Ferkel - Gaijin eben ...  ::) :o

In Südfrankreich habe ich dereinst die Hocktoiletten kennen - und hassen - gelernt, die sind dort aber ganz normal, warum auch immer. Ein Loch im Boden ist wohl billiger als etwas zum Hinsetzen ... Aber wenn man nicht von kleinauf die richtigen Muskeln dafür trainiert hat, ist es jederzeit eine demütigende, zuweilen selbstbeschmutzende Qual!

Auch die Nomenklatur sagt einiges über die kommunale Wertschätzung aus. Begriffe wie "Scheißhaus" oder "Pissbude" werten den Ort bereits im Namen ab. Ist das nun "ehrlicher" als gepflegtere Benamsungen wie "Lokus", "Kabäuschen" oder "Toilette" - oder einfach nur derber?

Interessant übrigens, dass "Toilette" ursprünglich gar nichts mit dem menschlichen Bedürfnis zu tun hatte. Man bezeichnete damit ein Möbel, an dem sich die Frau zurechtmachte und schminkte (oder den Vorgang selbst). Es hatte einen Spiegel, Schmuckladen, eine Fläche für Parfüm, Büsten und Kämme usw.
Dadurch, dass in den kleineren Wohnungen der Arbeiterschaft dieser Spiegel später ins Bad wanderte, sowie auch der Lokus daselbst, und alles im gleichen Raum stattfand, übertrug sich dieser Name irgendwann auf den "Thron" - und blieb haften.

LG, eKy
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