Die letzte Gabe

[Erich Kykal]

Ich sah dereinst auf eines Hügels Kuppe
ein Väterchen so seltsam sinnend stehn,
im welken Arm geborgen eine Puppe,
verloren und zerfleddert anzusehn.

Er stand sehr lange dort und sah in Fernen
ein fernes Leben wohl vorüberziehn.
Der Abend grüßte uns mit ersten Sternen
vom Alten unbemerkt, so wie es schien.

Ich fasste mir ein Herz und ging ihn fragen
nach dem Geheimnis, das die Puppe barg,
und wie von weither hörte ich ihn sagen:
"Ich lege sie heut nacht in ihren Sarg..."

[gummibaum]

Lieber Erich,

das ist sehr traurig und anrührend. Der entrückte Zustand des Väterchens, der die Sterne nicht mehr wahrnimmt, weil sich das Gesicht seines Kindes über die ganze Welt gebreitet hat, passt genau so hierher, wie das alte, animistische Verhaltensmuster, dem Toten einen ihm verwandten Gegengang, hier alte Puppe, mit auf die Reise zu geben.

Bewegt gelesen
gummibaum   

[Erich Kykal]

Hi, Gum!

Ich habe das Bild bewusst offen gelassen: Beerdigt der Alte seine Frau? Tochter? Enkelin? Jeder Leser kann sich hier ein eigenes Bild machen.

Vielen Dank für deine teilnahmsvollen Zeilen!

LG, eKy

[gummibaum]

Ja, das stimmt. Ich habe das "Väterchen" zu wörtlich genommen.

[cyparis]

Lieber Erich,


wie düster!
Hier stört auch nicht die "fern"-Doppelung, weil zwei Bedeutungen dahinterstehen.
Das Gedicht erinnert mich von ferne an eine Kurzgeschichte von Gabriel Garcia Marquez.
Schaurig ists's, auf den Hügel zu gehn.
Ja, die Phantasie wird angeregt.
Ein Märchenstoff.


Lieben Gruß
von
Cyparis

[Erich Kykal]

Hi, Cypi!

Das sind die Geschichten, die einem einfach so zufliegen - und keiner weiß, woher...

Die von dir erwähnte Kurzgeschichte samt Autorin sagt mir nichts, von daher kann's nicht sein.

Vielen Dank für deine Gedanken.

LG, eKy

[Thomas]

Lieber Erich,

Das Ist wirklich gut. Was soll man mehr sagen. Chapeau!

Liebe Grüße
Thomas

[Erich Kykal]

Hi, Thomas!

Bei solchen Sachen muss man höllisch aufpassen, nicht pathetisch oder moralisierend zu werden. Hier offenbart sich die ganze Tragweite erst mit der letzten Zeile - ein willkommener Kunstgriff, der den Leser sozusagen kalt erwischt.

Vielen Dank für das Lob!

Lg, eKy

[Phoenix-GEZ-frei]

Hallo Erich K.

Drei Strophen a vier Verse, wo andere Wälzer schreiben,
und Tiefenpsychologie vermitteln wollen – scheitern!

Du nicht.

Brillant!

Ich erlaube mir bei aller Ahnungslosigkeit
Dein Lieblingsdichter R.M.R würde er noch Leben
fände wie du in ihm - in deinen Gedichten Inspiration.

Ich finde diese - in Euren!

Phoenix  -

Alles Gute für DICH!

[cyparis]

Lieber Erich,

der (nicht die) Gabriel Garcia Marquez schrieb eine Kurzgeschichte, ähnlich geheimnisvoll wie Dein Gedicht, in dem ein Vater? Onkel? Bruder? Großvater?
jahrelang mit einem Sarg reiste, in dem eine Mädchenleiche? Puppe? lag.
Von daher die vage Erinnerung.

Im Gegensatz zu Phönix erinnert mich Dein Gedicht nicht an R.M.R.
Ist das schlimm?


Grüße aus der Ferne von
Cyparis

[Erich Kykal]

Hi, Phönix!

ICH bin es, der in den Gedichten von Rilke Inspiration findet! Ein solcher Wortmagier wie er fände mein Bemühen bestenfalls..."interessant".

Aber vielen Dank für die freundlichen Worte!


Hi, Cypi!

Nein, gar nicht. Ich würde mich ohnehin niemals mit ihm zu vergleichen wagen!


LG, eKy

[cyparis]

Ich würde mich ohnehin niemals mit ihm zu vergleichen wagen!

Aber ich (Dich).
Du bist  als sein Adept seiner Spur gefolgt und in seine Fußstapfen getreten.
Und konntest ihn auf Deiner ganz eigenen Spur überholen.

Vergleiche verbieten sich.



Bewundernd:
Cyparis

[Erich Kykal]

SCHNURR-R-R-R-R-R-R-R-R-R-R-R-R-R-R-R-R-R-R-R-R-R-R-R-R-R-R-R-R-R!

[Curd Belesos]

Erich, sie sagte Spur, nicht Schnur