Autor Thema: Ein neuer Tag  (Gelesen 4343 mal)

Erich Kykal

Ein neuer Tag
« am: April 27, 2013, 10:31:59 »
Die junge Welt verblasst im Dunst der Ferne,
ein neuer Tag schlägt seine Lider auf.
Ich atme ein und freue mich darauf -
in solchen Augenblicken bin ich gerne!

An allen Dingen, die ich heute lerne,
erwachse mir ein Geist, der sie versteht
und manche Jahre freundlich mit mir geht,
und weiter endlich in den Staub der Sterne!

Wir sind geboren, um uns zu verlassen,
doch in der Zeit, die wir bewusst erfahren,
in allen Bildern, die wir um uns scharen,

sei tiefes Weltbegreifen und -ermessen,
und alle Weisheit, die wir darin fassen,
versöhne uns mit Scheitern und Vergessen.
« Letzte Änderung: Mai 09, 2020, 01:00:16 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:Ein neuer Tag
« Antwort #1 am: April 28, 2013, 19:22:30 »
Welch eine herrliche Hymne an das Leben!
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re:Ein neuer Tag
« Antwort #2 am: April 28, 2013, 19:33:24 »
Hi, Cypi!

Natürlich wieder mit kleinen Schönheitsfehlern: Wieder 3 Reime in den Quartetten - aber für "auf/darauf" gibt es nicht viel, vielleicht noch "Lauf/zuhauf" oder so, aber damit ließ sich nichts lyrisch Hochwertiges zurechtbasteln, was zu meiner Intention gepasst hätte, daher nahm ich lieber den Regelverstoß in Kauf.

Danke für dein Lob!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Daisy

Re:Ein neuer Tag
« Antwort #3 am: April 29, 2013, 21:03:49 »
Hallo Erich,

was für ein wundervoller neuer Tag!  :)

Ich bin sehr erleichtert, dass du deine Überlegungen,
uns mit schlechten Gedichten auf die Probe stellen zu wollen, doch nicht verwirklicht hast - zumindest bisher noch nicht.
Lass dich doch bitte einfach weiterhin loben und gönn uns die Freude an deinen herrlichen Gedichten!  :-*

Und für die "kleinen Schönheitsfehler" wirst du ganz bestimmt nicht an den Pranger gestellt!  ;)

LG Daisy

cyparis

Re:Ein neuer Tag
« Antwort #4 am: April 29, 2013, 21:27:22 »
daher nahm ich lieber den Regelverstoß in Kauf.

Du Schäker, Du!
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re: Ein neuer Tag
« Antwort #5 am: Mai 09, 2020, 01:02:51 »
Ach, das waren noch Zeiten ...
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Martin Römer

  • Gast
Re: Ein neuer Tag
« Antwort #6 am: Mai 09, 2020, 04:49:42 »
Schönes Nachtgezitter!

Weltpolitisch war noch nicht jedes Gerüst eingefallen.
Die Technik war noch nicht ganz im Irrsinn angekommen.
Enthemmungen waren gesellschaftlich noch etwas verpönt.
Lady Anneliese sang noch unbedarft: "nur soll das Sterben keinen Schmerz bereiten...."

Der Vollständigkeit halber noch die persönliche Notiz: o holde Jugendzeit!
Wie doch das dunkle Blut dich überströmte und anitzt wird die Schlucht immer tiefer.


Was das Gedicht anbelangt:
das Incipit erquickt...! Für so einen mystisch angehauchten Klang bist du sonst eigentlich zu bieder, zu agnostisch, wie auch immer.
So siehst du mir nach, wenn ich zärtlich klage: "hymnisch" mag es in der Aura weitergehen, die Tonart aber wird vernunftsbeseelter.

Gleichfalls scheint mir, hier wieder auf diese Weltanschauung vom Glück unter Tränen zu stoßen, die uns immer wieder zur freundlichen Diskussion treibt.
Mit der Sonettform lässt es sich natürlich schön ins Erhabene entschwinden, ins Unantastbare.
In meinem redlichen Herzen, ach..... kann ich mich mit dieser Verklärung von halben Dingen nicht anfreunden.
Was soll man tief die Welt begreifen, wenn die Welt dann doch verschwindet.
Der regelrechte Jubel zur eigenen Vergänglichkeit ist mir nur im Rahmen einer heiteren Widersagung des Religiösen erfühlbar.

Das wache Auge, welches den Dingen die Unschuld zurückgibt, will ich nicht verschimpfen.
Auch neuer (Lebens-)Gottheiten bedarf es, wenn ich so darüber nachdenke, eigentlich nicht.
Wo der eine der sogenannten Bildopulenz nicht auf die Schliche kommt,.........

Ich gehe mit meinem gewissen Ernst weiter durch den Schlamm des Alltags und des Geistigen,
ich habe mich noch nicht entschieden - und die Musen lieben die Unentschiedenen.....


Viele Grüße
M.


Erich Kykal

Re: Ein neuer Tag
« Antwort #7 am: Mai 09, 2020, 12:38:10 »
Hi Martin!

Religion - was habe ich nicht schon darüber geschrieben und mich ausgekotzt: Die größte Schwäche der Menschheit, diese unselige Bedürftigkeit nach Hut und Herrschaft, Regeln und Geboten ... - und die Hybris der Überzeugten, alle Welt bekehren zu müssen, sei es mit hingegebenem Gesäusel oder Feuer und Schwert, was wenigstens ehrlicher wäre ...  ::)

Nein, der Glaube und ich werden Freunde nicht mehr ...

Dabei finde ich die Erkenntnis und Einsicht, dass alle Existenz sinnfrei ist, gar nicht schlimm - im Gegenteil, es ist überhaupt erst wahrhaft befreiend!

Ich kann den neuen Tag genießen und mein Sein gestalten, wie ich will. Dass es nach dem Tod nicht weitergeht, ich nur vor dem Tod von Bedeutung, und davon lasse ich mich nicht beschränken. Dass ich keinem Schöpfer für mein Handeln verantwortlich bin und gegebenenfalls in einem Nachleben dafür büßen muss, bedeutet nicht, dass ich ein amoralisches Dasein präferiere.


Übrigens danke, dass du mich für bieder hältst.   ;) Das beweist, wie wenig du mich durchschaust - was immer du auch diesbezüglich glauben magst. (Was angesichts der Einschränkungen rein schriftlichen und sporadischen Verkehrs ja nicht verwunderlich ist)

Selten sind die Augenblicke,
da wir keine Masken tragen,
offen unsere Geschicke
zärtlich ineinander ragen.

Selten öffnen sich Visiere,
einen freien Blick zu wagen
aus der Rüstung, die der schiere
Eigensinn zu widersagen

lang um uns geschmiedet hatte
aus Verletzungen und Klagen,
und wie barg uns dieser glatte
Stahl so sicher, drin wir lagen!

Selten sind die Augenblicke,
da wir ehrlich sind und frei.
Wenn du einen fühlst, so schicke
ihn mir zu, wann es auch sei.


Danke für deine Einlassungen!  :)

LG, eKy
« Letzte Änderung: Mai 09, 2020, 12:42:44 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Eisenvorhang

  • Gast
Re:Ein neuer Tag
« Antwort #8 am: Mai 10, 2020, 11:42:05 »
Hi, Cypi!

Natürlich wieder mit kleinen Schönheitsfehlern: Wieder 3 Reime in den Quartetten - aber für "auf/darauf" gibt es nicht viel, vielleicht noch "Lauf/zuhauf" oder so, aber damit ließ sich nichts lyrisch Hochwertiges zurechtbasteln, was zu meiner Intention gepasst hätte, daher nahm ich lieber den Regelverstoß in Kauf.

Danke für dein Lob!

LG, eKy

Hey Erich,

man könnte das mit einem rührenden Reim auch wie folgt schreiben, wenn du Umgangssprache vermeiden wölltest:

Die junge Welt verblasst im Dunst der Ferne,
ein neuer Tag hebt seine jungen Lider.
Aus Bäumen drängen leise Vogellieder -
in solchen Augenblicken bin ich gerne!

Sehr gern gelesen!

vlg

EV

Erich Kykal

Re: Ein neuer Tag
« Antwort #9 am: Mai 10, 2020, 11:50:20 »
Hi EV!

Auch schöne Version, aber das eigentliche Problem behebt es nicht: Das klassische Sonett hat ja nur 2 Reime in den Quartetten, entweder ABBA - ABBA oder ABBA - BAAB.

Hier haben wir aber drei Reime: ABBA - ACCA. Nur die umarmenden Reime sind strophenübergreifend die gleichen, die umarmten sind unterschiedlich. Das würde auch deine Variante nicht ändern.

Heute stört mich das übrigens nicht mehr - ich habe gelernt, gern mit der Form des Sonetts zu experimentieren und klebe nicht mehr so am klassischen Gerüst wie dazumals.

Vielen Dank für deine freundlichen Einlassungen!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Eisenvorhang

  • Gast
Re: Ein neuer Tag
« Antwort #10 am: Mai 10, 2020, 13:38:04 »
Du meinst beide beide Quartette in ABBA?

Ließe sich doch machen, kein Thema.
Oder verstehe ich das falsch?

vlg

EV

Erich Kykal

Re: Ein neuer Tag
« Antwort #11 am: Mai 10, 2020, 18:13:49 »
Hi EV!

Ja, ließe sich sicher machen - wenn ich bereit wäre, entweder in S1 oder S2 die jeweils mittleren Zeilen un zuschreiben. Wollte ich aber nicht, nahm - schon damals - lieber den unperfekten Rahmen in Kauf.  ;) 8)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Ein neuer Tag
« Antwort #12 am: Mai 11, 2020, 17:55:37 »
Sonett ist, was in der Regel 14 Zeilen hat und mindestens rudimentäre Reime erkennen lässt.  ;D

Aber bevor es ganz untergeht, lieber eKy: Du hast in Deine Antwort an Martin noch einen wunderbaren Vierstropher hineingemogelt... ist das was ad hoc entstandenes oder Altmaterial (oder zitierst Du da listig irgendeinen "Großen" ohne Quellenangabe)? Fragen, die dringlich der Aufklärung harren! :)

LG!

S.

Erich Kykal

Re: Ein neuer Tag
« Antwort #13 am: Mai 11, 2020, 18:23:03 »
Hi Suf!

Nett, dass du fragst. Ist was Älteres von mir, steht sicher auch hier schon irgendwo zu lesen. Es passte gut zu meinen Aussagen in diesem Kommi, also hab ich es reinkopiert, um meinen Aussagen lyrischen Nachdruck zu verleihen. Weiter nichts ...

Deine Definition von Sonett übrigens ist ausgesprochen "diplomatisch" verfasst: Nach dieser Eingrenzung können sicher sogar Fünfjährige Sonette kreieren ...  ;)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Ein neuer Tag
« Antwort #14 am: Mai 11, 2020, 20:51:29 »
Ein schönes Gedicht, lieber Erich, das das immer wieder neue Ergriffenwerden und Begreifen und ihren Wert gut verdeutlicht.

Oft scheint mir mein Leben eine Folge geistiger Häutungen und -als Ganzes und von außen betrachtet- ein Moment, in dem sich die Materie, Raum und Zeit ein bisschen aus nuancierten Perspektiven ihrer selbst bewusst werden.

Sehr gern gelesen.

Herzliche Grüße
gummibaum

« Letzte Änderung: Mai 11, 2020, 20:53:43 von gummibaum »