Was aus Wiesen wird ...

[Aspasia]

Dort unten in dem alten Tal,
wo träumend unsre Wiese lag,
und morgens, wenn das Licht noch fahl,
das Käuzchen rief vom nahen Hag,

dort, wo das erste Liebesnest
in jugendfrischer Lust gebaut,
wo jeder Halmstich war ein Fest,
wenn wir uns hemmungslos getraut,

im Tal, das frei von jeder Schuld,
weil Liebe keine Sünde ist,
das uns umschloss in frommer Huld
und mit des hohen Wuchses List,

dort unten in dem alten Tal
steht jetzt ein neuer Supermarkt,
und wo wir liebten mal um mal,
wird lustlos ein- und ausgeparkt.

25. Februar 2014
© Aspasia

[Erich Kykal]

Hi, Aspasia!

Eine beliebte Thematik für uns Naturromantiker! Erinnert an eine Strophe aus einem Lied von Reinhard Mey: "So sinnlos, wie die Zeiger der Uhren // anzuhalten und zurückzudrehn, // so sinnlos ist es auch, auf den Spuren // lang vergangner Tage zu gehn."

Was mir ein wenig fehlt, sind einige Hilfszeitwörter, 2x in S2, 1x in S3. In solcher Menge wirken unvollständige Sätze leicht gespreizt und sprachlich gezwungen.

Das Bild, dass hoher Wuchs eine List sein soll, funzt für mich nicht. Man kann zum Behufe körperlichen Verkehrs listig im Grünen Deckung suchen, aber der Wuchs selbst hat kein Bewusstsein, dem man derartige Schläue unterstellen könnte, extra für Verliebte so hoch zu wachsen.

Gern gelesen!

LG, eKy

[gummibaum]

Hallo Aspasia,

dieses Gedicht lese ich gern mehrmals. Der Absturz aus heiligen Erinnerungen in profanste Gegenwart offenbart  köstlichen Witz. Besonders der letzte Satz hat es in sich.

Sehr gern gelesen
gummibaum

[Aspasia]

Das Bild, dass hoher Wuchs eine List sein soll, funzt für mich nicht. Man kann zum Behufe körperlichen Verkehrs listig im Grünen Deckung suchen, aber der Wuchs selbst hat kein Bewusstsein, dem man derartige Schläue unterstellen könnte, extra für Verliebte so hoch zu wachsen. Grin

Erich, Dir fehlt die Romantik, um zu erkennen, dass in gewissen Lebenslagen alles um einen Menschen herum plötzlich eine Seele bekommt, selbst ein Grashalm. Verliebte und Besoffene wissen das. Und sie wissen, dass alles um sie herum zu Verbündeten wird. Mit anderen Worten: Verliebte leben von der Illusion. Da geigt bekanntlich sogar der Himmel, obwohl - ganz heimlich unter uns gesagt - ich noch nie ein Orchester, geschweige denn einen einsamen Geiger auf einem der zahlreichen Wölkchen des guten Herrn Petrus entdecken konnte. Allenfalls den Alois mit seiner Harfe - aber Alois ist alles andere als romantisch (ich kann mir vorstellen, dass er Dir sympathisch ist).

Spaß beiseite: Ich wäre enttäuscht gewesen, von Dir keine Kritik zu bekommen nach dem Motto "hart aber ehrlich". Geht in Ordnung. Trotzdem bleibe ich bei der Illusion, dass die Natur mit uns im Bunde steht, weil es eine schöne Illusion ist. Als ich Kind war, hatten alle meine Stofftiere und meine Puppen eine Seele. Einige davon habe ich heute noch, nach mehr als 55 Jahren. Vielleicht bedichte ich sie mal, aber bestimmt nicht als mit Stroh gestopfte Fellsäcke oder als angemalte Plastikkörper. Das wäre schließlich keine Poesie.

Trotzdem: Ich verstehe Deine realistische Seite (meine ist dazu genügend ausgeprägt), und ich habe mich über Deine Beschäftigung mit meinem Gedicht sehr gefreut.

Einen schönen Abend wünscht Dir
Aspasia

[cyparis]

Des hohen Wuchses List gefällt mir gut -
man wollte sich ja keinen Blicken Fremder ausliefern.
Gefällt mir - als Romantiker - besser als der desillusionierende Endvers.

Wieder und wieder gern gelesen!

Lieben Gruß, Aspasia,
von
Cyparis

[Daisy]

Hallo Aspasia,

für mich ist dieses Gedicht ein sehr gelungenes, denn ich mag es, wenn sich Gedichte voneinander deutlich unterscheiden, so dass man auch oft auf Anhieb den Urheber erkennen kann. Damit ist es möglich, dass Texte mit gleichen Themen immer wieder neu und anders ausfallen und für den Leser nie langweilig werden.

Also mir gefällt's wirklich gut!

LG Daisy

[Curd Belesos]

wird lustlos ein- und ausgeparkt.

Es sind so romantische zarte Verse, die dieses Gedicht ausmachen. Ich finde es wunderbar gelungen. Allein der letzte Vers der letzten Strophe ist mir zu brutal und zerschlägt das feine Gespinst junger zarter Liebe.

Es wird deine Absicht gewesen sein, aber so brutal, es tut fast körperlich weh.

Einen lieben Gruß, Curd.