Autor Thema: Hölderlin  (Gelesen 650 mal)

Sufnus

Hölderlin
« am: Mai 26, 2020, 16:32:24 »
Na sowas... hab bei Aufräumarbeiten in meinem PC ein ziemlich altes Gedicht von mir ausgegraben... so habe ich vor > 15 Jahren geschrieben... :)

Hölderlin

Ihm gab kein Abschied einen Trauerort,
das Glück trieb wortlos seine Schulden ein.
Was trägt die Seele ins Alleinesein
und Weiterleben tröstlich mit sich fort?

Er hatte die Geliebteste verloren,
vergaß davon, was wir Vertrautes nennen
und lernte, fremd zu sein, als Heimat kennen,
ein Kind, aus reiner Traurigkeit geboren.

Doch wuchs ein Trost ihm in der weißen Weite
der Einsamkeit und seine scheuen Stunden
verwanderte er fern vom Hier und Heute,

hat wohl auch Stille für das Herz gefunden,
als wir noch standen dumm und himmelweit
von seinem Ufer der Geborgenheit.

Eisenvorhang

  • Gast
Re: Hölderlin
« Antwort #1 am: Mai 26, 2020, 17:42:26 »
Das ist wirklich ein sehr schönes Sonett, über das sich Hölderin sehr freuen würde.
Formal weicht es vom klassischen Sonett ab, hat diese Form nicht sogar einen eigenständigen Namen?
Wo las ich das erst? Hm..

Absolut bezaubernd ist folgende Stelle:

Doch wuchs ein Trost ihm in der weißen Weite
der Einsamkeit und seine scheuen Stunden
verwanderte er fern vom Hier und Heute,

Die weiße Weite der Einsamkeit und die scheuen Stunden...
Grenzgenial!

Eine Stelle mit Regelbruch als Vorschlag, schau mal:

und lernte, fremd zu sein als Heimat kennen,
ein Kind, aus reiner Traurigkeit geboren.

Das Komma herausnehmen und so einen engeren Sinn herstellen. Außerdem beschleunigt die fehlende Zäsur den Lesefluss.
Erich würde hier wohl irgendwas von obstruktionsfreiem Dichten schreiben.

vlg

EV




Erich Kykal

Re: Hölderlin
« Antwort #2 am: Mai 26, 2020, 18:55:26 »
Hi Suf!

Ich schließe mich EV an: ein sehr gutes Sonett!

Ich würde weder vor noch nach "fremd zu sein" ein Komma benutzen.

Sehr gern gelesen!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Agneta

  • Gast
Re: Hölderlin
« Antwort #3 am: Mai 26, 2020, 22:27:22 »
ich denke, Hölderlins Weg in seine Geborgenheit war ein weiter. Seine Werke sind kein Leichtgewicht. Wie dieses hier auch. Schönes Sonett, Sufnus,
LG von Agneta

Sufnus

Re: Hölderlin
« Antwort #4 am: Mai 27, 2020, 18:12:00 »
Vielen lieben Dank für die Anmerkungen! :)
Bei der Kommafrage muss ich nochmal ran... da habt Ihr einen guten Punkt! :) Jetzt bin ich grad zu müd...
Bis bald, Ihr Lieben! :)
S.