Autor Thema: Kinderlieb  (Gelesen 421 mal)

gummibaum

Kinderlieb
« am: Juni 06, 2021, 00:36:14 »
Am Weiher spielten Kinder Fangen,
doch standen sie auf einmal still,
als schliche um sie ein Verlangen,
das ihrer Unschuld wehtun will.

Sie gaben sich ein stummes Zeichen
und rannten miteinander weg,
das Kleinste fand nicht seinesgleichen
und nur am Wegrand ein Versteck.

Dort wurde es gesund gefunden,
und gleich daneben, früh zur Nacht,
der Täter, von den eignen Hunden,
die es beschützten, umgebracht…
« Letzte Änderung: Juni 06, 2021, 18:46:47 von gummibaum »

Erich Kykal

Re: Kinderlieb
« Antwort #1 am: Juni 06, 2021, 12:23:42 »
Hi Gum!

Ein sehr hartes "Urteil" - Ein Kindsverderber mag abominabel sein, aber hat er gleich den Tod verdient? Ein Kindermörder vielleicht, aber das wird hier leider nicht eindeutig definiert.

Formal:

Die beiden ersten Strophen lesen sich flüssig und rund, die Verse schmiegen sich wie in Seide aneinander, was den moralisch unerträglichen Inhalt konterkariert und ihn umso deutlicher hervorkehrt.
(Man könnte höchstens diskutieren, ob Kinder, im Spiel befangen, wirklich ein "sie umschleichendes Verlangen" wahrnhemen würden, vor allem, wenn sie noch völlig unschuldig sind und nicht mal ansatzweise in so eine Richtung denken können.)

Leider können sich durch die Formulierungen in S3 Falschbezüge beim Leser einschleichen:

Wenn das Kind in Z1 "gesund gefunden" wurde, dann geht der Leser davon aus, dass es "in dieser Nacht", also eindeutig NACH der Auffindung, im eigenen Bett nächtigt, und man erwartet, dass dann die Mutter bei ihm liegt oder so. Das vor allem, da zuvor nicht erwähnt wurde, dass die Suche nach dem Kind bis in die Nacht gedauert hat. Auch die Formulierung "und bei ihm lag" klingt eher nach "vertraulicher Nähe": Bei jemandem zu liegen hat inhaltlich eine andere Aussage als neben jemandem zu liegen, vor allem, wenn der "Beilieger" eine Leiche sein soll ...

In Z3 schafft das "seinen" Verwirrung, weil man es leicht auf den viel näheren "Päderast" bezieht als auf das "es" in Z1 (das Kind oder Kleinste wird in dieser Str. nicht mal direkt genannt). Waren es nun die Hunde des Kindes oder die des Triebtäters?
(In letzterem Fall ist ihr Verhalten unwahrscheinlich, denn die Treue der Rudeltiere ist stärker als der Trieb, eine fremde Brut zu beschützen - gegen den eigenen Rudelführer! Für die Story ist es dramatisch vorteilhaft: Das "gerechte", moralisch integre Tier, das sich zum Kindeswohl gegen das eigene Herrchen wendet. Die Realität sieht meist anders aus. Selbst wenn das Tier nicht einverstanden sein mag - es wird seinem Alpha im seltensten Fall offen opponieren ... nicht mal bei den eigenen Jungen. Das soll uns aber nicht weiter stören.)

Natürlich fallen, wenn man es erneut liest, die Bausteine irgendwann an ihren jeweils richtigen Platz - aber ebendas sollte gar nicht erst notwendig sein, wenn man es wirklich gut ausformuliert hat. So schön die Str. sprachlich gestaltet sein mag - sie lässt Fragen offen und hat Verwirrungspotential bezüglich der Kausalzusammenhänge und der zeitlichen Abfolge.

Mein Vorschlag:

Dort wurde es gesund gefunden,
und gleich daneben, früh zur Nacht,
der Täter, von den eignen Hunden,
die es beschützten, umgebracht…


Insgesamt sehr gern gelesen!  :)

LG, eKy
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gummibaum

Re: Kinderlieb
« Antwort #2 am: Juni 06, 2021, 18:45:51 »
Wunderbar, lieber Erich, dein Vorschlag, da er die Bezüge eindeutiger und die Strafe angemessener werden lässt. Ich habe ihn gern übernommen. Danke.

Liebe Grüße von gummibaum