Autor Thema: Vergebliche Liebesmüh  (Gelesen 1181 mal)

Erich Kykal

Vergebliche Liebesmüh
« am: Juli 19, 2021, 13:41:45 »
Die hehre Kunst, sie kann der Welt kein Klingen geben,
und bleibt an Versen, die ins Ohr nie gingen, kleben,
wo der am nackten Sein Erkrankte Affenscheiße
nur produziert, wenn ihn die Kunst am Werkeln findet,
auf dass, wenn er das unbedankte Schaffen kreiße,
das Wort sich nur befleckt wie unter Ferkeln windet,
bis jener Narr erkennt, dass all sein Feines schwächelt,
und aller Welt den Ruch nur eines Schweines fächelt.




Ich möchte ausdrücklich betont wissen, dass sich der Inhalt dieses Werken NICHT auf die Kunst des im Werk angewandten Schüttelreimens bezieht, sondern ganz allgemein nur unfähige Möchtegernlyriker kritisiert!)
« Letzte Änderung: Juli 21, 2021, 11:59:20 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Vergebliche Liebesmüh
« Antwort #1 am: Juli 19, 2021, 15:33:48 »
Wow eKy!

Du zeigst wirklich Talente zum Schüttelmeister! Irgendwo hatte irgendwann ein gewisser User (wir nennen diese Geistesamöbe einfach mal S.) insinuiert, Du möchtest vielleicht kein besonders gutes Schüttelhändchen haben... tja... wo ist dieser Vogel jetzt?! Hoffentlich schämt er sich ordentlich!!!
Nur ein unsauberer Schüttler: Affenscheiße / schaffen kreiße hier ist der Konsonantentausch nicht ganz durchgehalten. Vorschläge wären Affenschleime(n) / Schaffen leime(n) oder Affenschritt / Schaffen ritt oder Affenschlitt / Schaffen litt. :)

LG!

S.

Erich Kykal

Re: Vergebliche Liebesmüh
« Antwort #2 am: Juli 19, 2021, 18:09:55 »
Hi Suf!

Ich gebe zu, beim Affenschüttler ein klein wenig geschummelt zu haben, allerdings nicht so wie du denkst. Es ist nämlich ein versteckter Dreifacher. Versteckt deshalb, weil der dritte Teil nur aus den letzten beiden Silben eines jeweilig anderen Wortes besteht, nämlich "erkrankte" und "unbedankte". Ich mache das mal mit Fettdruck ersichtlich:

wo der am nackten Sein Erkrankte Affenscheiße

auf dass, wenn er das unbedankte Schaffen kreiße


Keine Ahnung, ob das statthaft ist, aber mir gefiel es.  ;D

LG, eKy


PS: Diesem von dir so derb herabgesetzten Amöben-S kann ich nicht böse sein. Schließlich gab es bis zum nunmehrigen (wenn auch noch leicht unbeholfenen) Gegenbeweis keinerlei (oder sehr wenige und gut im Archiv versteckte) Anzeichen dafür, dass mein Talent sich auch auf diesen Bereich der Wortakrobatik erstrecken könnte.

S. wird die Lektion, kein vorschnelles Urteil zu fällen, mit Sicherheit verinnerlicht haben, und meine Person muss fürderhin mit dem Damoklesschwert leben, dass sie sich in ähnlicher Weise verstiegen haben könnte, was den lyrischen Wert "moderner" Dichtung betrifft. Zumindest ein ganz klein wenig. Wirklich winzigst. Allermikroskopischst. Vielleicht ...  ;) ;D
« Letzte Änderung: Juli 21, 2021, 11:51:37 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Friedhelm

Re: Vergebliche Liebesmüh
« Antwort #3 am: Juli 21, 2021, 08:28:10 »
Hi Suf!

Ich gebe zu, beim Affenschüttler ein klein wenig geschummelt zu haben, allerdings nicht so wie du denkst. Es ist nämlich ein versteckter Dreifacher. Versteckt deshalb, weil der dritte Teil nur aus den letzten beiden Silben eines jeweilig anderen Wortes besteht, nämlich "erkrankte" und "unbedankte". Ich mache das mal mit Fettdruck ersichtlich:

wo der am nackten Sein Erkrankte Affenscheiße

auf dass, wenn er das unbedankte Schaffen kreiße


Keine Ahnung, ob das statthaft ist, aber mir gefiel es.  ;D

LG, eKy

Hi!
eKy, willkommen im Club der Schüttelreimer!

Allerdings hast du da nicht dreifach geschüttelt, es ist ja nur ein Schüttelreim, zu einem Dreifachen bräuchte es zu deinem Endreim noch einen Binnenschüttelreim und zusätzlich einen weiteren Schüttelreim, und das ist hier nicht der Fall.

Was du gemacht hast: du hast über mehrere Silben geschüttelt. Das ist durchaus statthaft und ich habe davon auch schon  Gebrauch gemacht. Allerdings ist deiner nicht ganz korrekt, denn bei

wo der am nackten Sein Erkrankte Affenscheiße

auf dass, wenn er das unbedankte Schaffen kreiße,


fragt sich, wo das "d" von unbedankte herkommt.

Der Vollständigkeit halber will ich noch erwähnen, dass beim Schütteln über mehrere Silben zwischen den Reimwörtern die Silben gleich sein müssen. Klassisches Beispiel:

Die Ratten verlassen das sinkende Schiff.
Die Schatten verlassen das sinkende Riff.

Also, lieber eKy, auf zu neuen Ufern!

Schon bald die Welt du lachen siehst,
die deine Schüttelsachen liest.

LG Friedhelm







Erich Kykal

Re: Vergebliche Liebesmüh
« Antwort #4 am: Juli 21, 2021, 11:57:39 »
Hi Friedhelm!

Vielen Dank für deinen Besuch hier!  :)

Wie du weißt, befleißige ich mich deiner Paradedisziplin eher selten, und ich werde das wohl auch weiterhin so halten - ist halt einfach nicht so sehr ein inneres Herzensbedürfnis wie die Lyrik, die ich sonst so verfasse.

Vielen Dank für die Erklärung bezüglich des "Dreifachen" - ich dachte, wenn drei wechselnde Stellen beteiligt sind, wär das schon einer. Sorry, Anfänger eben ...

Das überschüssige "d" habe ich selbst bemerkt und in meinem Erklärungskommi aus dem Fettgedruckten genommen. Ja, ich weiß, das teilt die Silbe selbst, aber so hatte ich es mir eben ausgedacht. Anfänger eben ...  ;)

LG, eKy
« Letzte Änderung: August 05, 2021, 08:48:19 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Vergebliche Liebesmüh
« Antwort #5 am: Juli 28, 2021, 09:30:53 »
S. wird die Lektion, kein vorschnelles Urteil zu fällen, mit Sicherheit verinnerlicht haben, und meine Person muss fürderhin mit dem Damoklesschwert leben, dass sie sich in ähnlicher Weise verstiegen haben könnte, was den lyrischen Wert "moderner" Dichtung betrifft. Zumindest ein ganz klein wenig. Wirklich winzigst. Allermikroskopischst. Vielleicht ...  ;) ;D

Lieber eKy!
Aus gut informierter Quelle ward mir zugetragen, dass besagter S-Punkt seine Lektion brav gelernt hat und Dich pflichtschuldig in der Riege der Schüttelmeister vermerkt sieht! :) Ganz gerührt, um nicht zu sagen: überwältigt, lese ich überdies von Deinem Beitrag zur angewandten Nanotechnologie im Bereich des (hypothetischen) Stellenwerts moderner Lyrik. Davor verbeuge ich mich!
Mir ist in dem Zusammenhang immer Dein Urteil im Ohr, dass es nach Rilke quasi "bergab" gegangen ist mit der Lyrik und nach Hesse (also noch einem Kind des 19. Jh.) Dir eigentlich nichts so ganz und gar zu gefallen Wissendes "nachgekommen" sei.
Dieser Sachstand ist mir immer Ansporn nach Kindern des 20. Jh. zu fahnden, die wenigstens das ein oder andere Werk hervorgebracht haben, welches Dir gefallen könnte. :) Dabei will ich aber keineswegs an Deiner Vorliebe für metrisch gebundenes Reimen rütteln. :)
Hier also extra für Dich ein paar konkrete Links zu Texten von Beiträgern (allesamt von namhafter bis Champions League-hafter Statur), die klar Post-Hessianisch zu verorten sind. Womöglich bereitet das ein oder andere Gedicht Dir ja Freude - nebst dem für Dich hoffentlich schönen Signal, dass der Reim auch in aktuelleren Lyrikbeiträgen durchaus sehr präsent ist. :)
Viel Vergnügen! :)
S.

Peter Hacks (1928 - 2003)
"Die Hydra"
https://www.peter-hacks-gesellschaft.de/gedichte/archiv/13-die-hydra.html

Peter Rühmkorf (1929 - 2008) => Unterhalb der Grafiken
"Aufwachen und Wiederfinden"
http://kunstraum-schlomm.com/Seite_20.html

Günther Kunert (1929 - 2019)
"Schachtelhalm - Botschaft"
https://www.lyrikline.org/de/gedichte/schachtelhalm-botschaft-3662

Ror Wolf (1932 - 2020)
"Im Zustand vergrößerter Ruhe"
https://www.lyrikline.org/de/gedichte/im-zustand-vergroesserter-ruhe-8253

Kornelia Koepsell (*1955)
"Ich mache mir ein Kind"
https://www.feuilletonscout.com/neue-sonette-von-kornelia-koepsell/

Heinrich Detering (*1959) => etwas runterscrollen
"Kilchberg" => Der Name des Friedhofs, auf dem Thomas Mann bestattet ist
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/frankfurter-anthologie/gedicht-interpretation-lesung-kilchberg-von-heinrich-detering-12014752.html

Durs Grünbein (*1962)
"Schädelbasislektion" => Man beachte, dass es sich um einen regelmäßigen Anapäst handelt, eine gehobene metrische Übung! :)
https://www2.klett.de/sixcms/media.php/229/347466_0029.pdf

Steffen Jacobs (*1968)
"Kindertodtenlied" => Die altertümliche Schreibweise mit "dt" spielt auf Friedrich Rückerts Kindertodtenlieder an.
https://www.lyrikline.org/de/gedichte/kindertodtenlied-11836

Marion Poschmann (*1969) => etwas runterscrollen, ein waschechtes (sic!) Alexandriner-Sonett aus dem 21. Jh. :)
"vage Einsichten"
https://lyrikzeitung.com/2011/04/04/17-laudatio-auf-marion-poschmann/

Erich Kykal

Re: Vergebliche Liebesmüh
« Antwort #6 am: Juli 28, 2021, 12:19:20 »
Hi Suf!

Was du dir immer für Mühe machst! Sagenhaft! Ich, bar jeder Möglichkeit einer Gegengabe, stehe beinahe beschämt und dankbar vor diesem Bemühen, diesem Eifer und Fleiß für anderer Wohlergehen und Bildungshorizont! Ich verneige mich vor dir!

Ich habe sie alle gelesen - bis auf Heinrich Detering, da wollte diese Seite gleich ein Abo von mir. Wenn er aber jener ist, der in einem anderen Forum als "Walther" auftritt, dann kenne ich ihn ohnehin schon. (Hat damals auch sattsam angegeben mit seinem "offiziellen" Lyrikpreis!)

Die meisten haben mir gut bis sehr gut gefallen, besonders Marion Poschmann.

Ich selbst bin eigentlich zu faul, um mich groß in der Lyrikszene umzutun, und der illusionären Selbstbestätigung eines potentiellen "kleinen Ruhmes" als Poet nachzulaufen.
Auch habe ich es satt, mich vor diversen Verlagen quasi zum Bittsteller zu erniedrigen, nur um mich danach mit ihrem höflichen Desinteresse konfrontiert zu sehen - oder einfach gänzlich ignoriert zu werden.
Bei Wettbewerben ist mir schon das Anmelden und Einsenden zu aufwändig - oder scheitert an meinen unterirdischen Fähigkeiten am Computer. Reisen für Lesungen mag ich auch nicht mehr - höchstens Tagesfahrten in die nähere Umgebung, und da will eh keiner was wissen von der Lyrik - Bauernland eben. Handfeste Leute.
Ich kenne weder Organisatoren noch mediale Möglichkeiten in der österr. Literaturszene.
Zudem halte ich das mögliche Publikum für meinen "altmodischen" Dichtungsstil für zu klein für ausreichendes Echo, oder meine Lyrik meist grundsätzlich für ohnehin nicht ausreichend "künstlerisch" für den gereiften Anspruch der modernen lyrischen Szene.

Das können andere besser - siehe Marion Poschmann.

In jedem Fall vielen Dank für diese Beispiele, die meine Wortkunst teils deutlich übertreffen (was mir meinen mediokren Stellenwert in der Welt der künstlerischen Sprachfindung um so bewusster macht).

LG, eKy


« Letzte Änderung: August 05, 2021, 08:49:14 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
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Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Vergebliche Liebesmüh
« Antwort #7 am: August 04, 2021, 21:47:08 »
Hi eKy!

Dass Dir die Links gefallen haben, freut mich wirklich sehr - immerhin ist es doch insofern ganz moderne Lyrik als ihre Schöpfer moderne Autoren sind. Natürlich kann man moderne Lyrik auch über ihre Haltung zu Reim und Metrum definieren, dann entsprechen meine Links natürlich nicht unbedingt der Definition von moderner Lyrik. Ich frage mich, ob es einen Mittelweg gibt. Ist nicht z. B. das Gedicht von Marion Poschmann irgendwie "modern", obwohl es in einem altehrwürdigen Gewandt daherkommt? Aber wenn dem so wäre - worin liegt dann die Modernität begründet? Darüber lässt sich wunderbar philosophieren. :)

Und noch zu Detering resp. Walther: Ich denke mit Letzterem meinst Du Werner Theis aka Walther Stonet https://www.literaturport.de/Walther.Stonet/ , den verdienstvollen guten Geist von zugetextet.de, ansonsten aktiv in poetry (wo ich immer mal passiv mitlese - das Niveau ist mir dort insgesamt zu niedrig, wenn ich das mal so arrogant sagen darf) und sicher noch einigen anderen Foren. Auf dem gedichte-eiland war er auch aktiv (ob immer noch?).
Heinrich Detering ist hingegen ein - in den entsprechenden Kreisen - durchaus berühmter Literaturwissenschaftler (mit etlichen akademischen Titeln), Kritiker, Lyriker, Bob-Dylan-Fan und wacher Chronist des Zeitgeistigen mit einer intellektuell betrachtet etwas antizyklischen Neigung zum Katholizismus (das meine ich jetzt durchaus nicht bös und auf diesen Punkt sollte man ihn wahrlich nicht reduzieren ;) ). Für mich gehört er zu den interessantesten Persönlichkeiten des Lyrikbetriebs. Seine Gedicht sind übrigens normalerweise ungereimt und einer konventionellen Interpunktion abhold, insofern also meist recht "modern", aber dabei durch die klare Rhetorik und die Wahl der Themen durchaus Publikumskompatibel. :)

LG!
S.

P.S.:
Und Deinem Licht-unter-den-Scheffel-stellen in Bezug auf die Gedichtbeispiele muss ich natürlich deutlich widersprechen! :)

Erich Kykal

Re: Vergebliche Liebesmüh
« Antwort #8 am: August 04, 2021, 22:44:53 »
Hi Suf!

Jemand mit "Neigung zum Katholizismus" (oder jeglicher anderen Religion soweit) - für mich ist das schon ein Marker für eingesdchränktes Urteilsvermögen aus Bildungsmangel, mangelnder geistiger Durchdringung des Faktischen und damit verbundene allzu subjektive Gewichtung gegebener Wahrscheinlichkeiten auf der Basis von bereits Erforschtem, oder charakterlichen Mängeln, die eine Leugnung oder Umdeutung erwähnter Wahrscheinlichkeiten oder klarer Fakten erlauben.

Soll heißen: Wer an einen Gott glauben WILL, kann oder möchte sein Gehirn nicht korrekt benutzen, oder er ist schwach und ohne so ein stützendes fiktives Konstrukt nicht lebensfähig.

Ein harsches Wort, ich weiß. Aber wenn ich sehe, wieviel offensichtlicher Blödsinn geglaubt wird, und wie viele Idioten daraus ein Recht ableiten, andere zu verführen, zu manipulieren, zu beherrschen, auszubeuten oder gleich abzuschlachten, nur weil ihr arroganter "Glaube" das erlaubt oder sogar fordert, kommt mir jedesmal die Galle hoch!
Dabei definiere ich politischen Fanatismus genauso als eine Glaubensform wie irgendwelche abstrusen Welterklärungsmodelle und kulturell induzierte Tabulisten diverser Gottheiten, erfunden nach menschlichem Maß und dem jeweiligen Wissensstand der Epoche!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Vergebliche Liebesmüh
« Antwort #9 am: August 05, 2021, 10:34:10 »
Moin eKy! :)
Deine wortmächtige Brandrede wider die Religiosität würde sich gar nicht so schlecht dazu eignen, einer eingeschüchterten Gemeinde von einer Kanzel entgegen gedonnert zu werden... bevor Du einen abschließenden Punkt hinter diese Aburteilung religiöser Menschen setzt, empfehle ich einen Kontrollblick in einen Spiegel, ob Dir aus diesem nicht ein wutverzerrter Prediger in Mönchskutte entgegenstarrt - allzu leicht wird aus Eifer Geifer. "Geben Sie Gedankenfreiheit, Sire!" Diese Forderung ist heute so aktuell wie je und zur Gedankenfreiheit gehört auch die Freiheit, religiös zu sein. Aufgabe der Gesellschaft (oder von geeigneten Präzeptoren) ist es, dem Menschen die Möglichkeit zu einer Außenperspektive auf sein Denken, Glauben und Fühlen zu ermöglichen, so dass selbiges kritisch hinterfragt werden kann. Dies Form einer gedanklichen Hebammenkunst hat aber durch den Gebrauch ebenso hartnäckiger wie sanfter Fragezeichen zu erfolgen, nicht durch die Argumentationskeule des Ausrufezeichens.
Mein Motto lautet daher nicht: "Gott ist tot!" sondern "Mein Gott ist tot - und jetzt?" ;)
Schlussendlich sind wir wahrscheinlich eh eine Computersimulation und grad sitzt ein pickliger Typ im Schlabbershirt an seinem Rechner, während aus dem Nachbarzimmer die Stimme dröhnt: "GOTT! Ich hab Dich jetzt schon vor 20 Milliarden Jahren gerufen! DAS ESSEN IST FERTIG! Mach endlich den Computer aus und schwing Deinen A r s c h rüber!!!" ;D
LG!
S.
« Letzte Änderung: August 05, 2021, 10:36:54 von Sufnus »

Erich Kykal

Re: Vergebliche Liebesmüh
« Antwort #10 am: August 09, 2021, 15:01:17 »
Hi Suf!

"Geben die Gedankenfreiheit, Sire! - Auch wenn die Gedanken himmelschreiender Unsinn sind oder längst widerlegter Aberglaube! Auch wenn viele unter den rassistischen, intoleranten und beharrenden Ideen solcher Idioten unsäglich zu leiden haben, auch wenn diese Verbohrten die Menschheit um Jahrhunderte hinter ihrem wahren intellektuellen und moralischen Potential herhinken lassen!"

"Geben sie Gedankenfreiheit, Sire! - Jeder, der möchte, darf glauben, die Erde sei flach oder hohl, die Wissenschaft Lüge, und das Universum erst viereinhalbtausend Jahre alt, und jedes fühlende Wesen habe ab ovo der sklavische Diener eines "einzig wahren Gottes" zu sein! Wer mag, dränge seine infantilen Gottheiten und deren Dogmen auch noch anderen auf, denn bei Gedankenfreiheit bleibt es ja nie - so gut wie alle Deppen verwechseln dies mit der Freiheit, ihre dummen Gedanken aggressiv verbreiten zu dürfen!"

"Geben sie Gedankenfreiheit, Sire! - Aber achten sie darauf, dass dies wirklich NUR für Gedanken gilt! Gelebte Realitätsleugnung sollte als Verbrechen wider die Menschheit geächtet werden! Über erwiesenermaßen Gegensätzliches zu naturwissenschaftlich Bewiesenem sollte schon in der Schule aufgeklärt werden - in einem eigenen Fach."

"Geben sie Gedankenfreiheit, Sire! - Aber wenn das fair sein soll, entfernen sie alle potentiell indoktrinativen und gesellschaftsmanipulativen Symbole aus der Öffentlichkeit. Keine Kirchen, Moscheen, Tempel, Synagogen, Kreuze, Halbmonde, Davidssterne usw. - keine Staatsflaggen, Parteifarben und Signets, keine Abzeichen, Orden, usw.
Denken darf jeder, was er will - aber dabei sollte es auch bleiben!
Und so lange die Menschheit das noch nicht drauf hat, werde ich weiter meine Stimme erheben und genauso predigen wie die Prediger der Dummheit, des Wahnsinns und der Machtgier, in der Hoffnung, dass sich die Stimmen gegenseitig wenigstens einen Hauch weit neutralisieren, und die Welt so zumindest ein paar Millimeter weit in Richtung Vernunft und Klarheit der Gedanken gerückt wird!"



Das ist es, was mich als "Prediger" von den echten solchen unterscheidet: Ich biete keine fertige ultimative Wahrheit an, der man sich halt- und kritiklos auszuliefern und willenlos zu unterwerfen habe, sondern ermuntere zur uneigennützigen Nutzung eines Sensoriums und Instrumenariums zur beweisbaren Erforschung des Unbekannten. Das hat die Menschheit weiter gebracht als jedes "heilige Buch". Ich fordere keine Hingabe, Selbstaufopferung und Missionierung ein, sondern lade dazu ein, das eigene Gehirn korrekt zu gebrauchen, sich zu bilden und das Gewusste objektiv zu evaluieren - die Wahrscheinlichkeit für die religiösen Welterklärungsmodelle (mitsamt deren Geiselnahme und unlauterer Vereinnahmung allgemein gültiger Regelns sozialen Miteinanders) ohne das Gewicht der eigenen Sehnsüchte oder Ängste abzuwägen.

Erst Religionsfreiheit - aber letztendlich Freiheit von Religion!

LG, eKy



« Letzte Änderung: August 09, 2021, 15:13:19 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.