Autor Thema: Das Schweigen der Kunst  (Gelesen 1257 mal)

hans beislschmidt

Das Schweigen der Kunst
« am: M?RZ 12, 2021, 15:57:46 »
Das Schweigen der Kunst ...
Die letzten Monate haben gezeigt, dass die Künstler und die Kunst nicht systemrelevent sind und das hat viele Kollegen nach ungläubigem Staunen an den Rand ihrer wirtschaftlichen Existenz geführt, denn nach den vollmundigen Versprechungen von Seiten der Politik ist wenig bis gar nichts passiert. Auf der einen Seite ertönen unorganisierte Hilferufe und auf der anderen Beschwichtigungsformeln und Durchhalteparolen. Der Plan, den Künstlern nach der Pandemie als handlungsfähige Menschen wieder einen Neustart zu ermöglichen, ist durch das völlige Versagen und Verletzung des Gleichheitsprinzips zerstört worden. Wir stehen vor einem Scherbenhaufen und sehen zu, wie einzelne Entscheidungsträger und große Firmen sich die Taschen vollstopfen. Jetzt rächt sich bitter, dass die Künstler keine Verdi hinter sich haben und Musikrat oder Kulturrat keine Lobby und Durchschlagskraft besitzen. Wie kann es sein, dass ein Staat mit einer Untertanenpolitik Hunderttausende auf das Abstellgleis schiebt und aushungert? Ganz einfach, weil die Politik nichts zu befürchten hat vor einem Grüppchen, das sich lediglich mit ein paar Kerzen zur Mahnwache formiert. Warum ist kein Geld da, dort wo es dringend gebraucht wird? Aber an anderer Stelle mit vollen Händen ausgegeben wird von Politikern, die längst die Bindung zu ihren Bürgern verloren haben.

Leute, es liegt zum großen Teil an unserem System und der Art wie Kunst als etwas von-oben-herab delegiert wird. Man nennt das "administrativ" und diese mir unverständliche Arroganz hat sich seit 1812 vom ersten Kulturminister Karl vom Stein über Bernhard Rust 1933 bis zu Egon Reinert 1956 erhalten, wobei diese Zeitspanne sehr grob gespannt ist. Allen gemeinsam ist der allumfassende Zuständigkeitsbereich einer omnipräsenten Politik von Kaiser-Gottesgnaden und seinem Minister bis zum heutigen Tage. Kultur wird einfach durchregiert und die Künstler gehorchen, denn ansonsten fallen sie in Ungnade. Auch die entsprechende Repressalien gehören dazu und verhinderten unliebsamen Künstlern damals den Zugang zur königlichen Akademie, 1933 wurden Bücher und Bilder verbrannt und auch die BRD hat mittlerweile mit Cancel Culture die Mittel Künstler komplett auszugrenzen. Das hat sich bei uns allen in den Köpfen festgesetzt, als gäbe es die Kunstfreiheit im Grundgesetz Art. 5 als Grundrecht gar nicht. Ich will damit sagen, dass das sinnstiftende Element Kunst in der Gesellschaft kurz davor steht aufgelöst zu werden, wenn die Kulturpolitik der Pflege des Kulturellen nicht mehr nachkommen will. Ich möchte keine Wendehälse und Schönsprecher, keine Rühmänner, Riefenstahls, die nach der Pandemie wieder devot beim Kulturamt rumlungern, um Gigs abzuchecken. Ich möchte selbstbewusste Künstler, die Ross und Reiter nennen, die sagen ... "hey, IHR habt das vergeigt. Steckt euch eure Verfallskunst sonst wo hin".
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

Erich Kykal

Re: Das Schweigen der Kunst
« Antwort #1 am: M?RZ 13, 2021, 09:43:44 »
Hi Hans!

Dazu die Frage: Warum wundert es Kunstschaffende aller Art immer noch und immer wieder, dass sie letztlich nicht den Stellenwert genießen, der ihnen ihrer Ansicht nach zukommt? Mag es sein, dass sie ihn für sich als zu groß bemaßen? Trauten sie einer banausenhaften Bevölkerung von je mehr Kunstsinn zu, als vorhanden war?

Der Stellenwert der "Kultur" in einer Gesellschaft hängt immer davon ab, wieviel davon man sich leisten kann oder will. Der Wohlhabende gefällt sich als Mäzen oder Operngänger, als Kabarettbesucher oder als Adabei auf angesagten Vernissagen und Premieren - dem Otto Normalverbraucher reicht das Leiei vom Fasching und die Kirmes.
Dazu muss man aber auch wissen, dass die Kunst für die Reichen von je entweder Geldanlage oder "social event" zum Sebstabfeiern und Sichherzeigen darstellte, die wenigsten schätzen Kunst um ihrer selbst willen.

Wem wird also zuerst der Hahn zugedreht in Notzeiten? - Natürlich dem "Entbehrlichen", dem Kunst- und Kulturschaffenden! Das war immer schon so.

Zudem genießen die "Künstler" erst seit relativ kurzer Zeit die gesellschaftliche Anerkennung ihrer Sparten. Früher galten sie "nur" als bezahlte Handwerker oder fahrendes Gesindel, dem man seine Findelkinder aufdrücken konnte. ZB Schauspieler galten als unterste Schicht, ihr Beruf als unzüchtig und wertlos. Warum denkst du nahmen es die Senatoren Nero so übel, dass er als Imperator zugleich Schauspieler sein wollte?
Und Maler, mochten sie noch so talentiert sein, waren bis zu Michelangelo und da Vinci (und anderswo noch lange danach) reine (und meist abschätzig behandelte) Angestellte des Adels oder der Kirche, denen man Motiv und Maltechnik diktierte, und die nach getaner Arbeit still und heimlich die Örtlichkeit zu verlassen hatten.

Fazit: Das jeweilige System hat kaum was damit zu tun. Es sind die Menschen, die sich Kunst nur leisten wollen, wenn Überfluss herrscht und man sich damit gesellschaftlich hervorheben kann. Computer und Glotze bieten heutzutage genug Unterhaltungswert, um all das zu ersetzen, weswegen man früher Theater, Kinos, die Oper oder Museen besuchte. Der Kunstbetrieb vor Corona war doch schon jahrzehntelang ohnehin nur noch dank massiver staatlicher Subventionierung lebensfähig, mal abgesehen von angesagten Live-Konzerten, oder?
Ich sage das nicht in abwertender Absicht, ich bin selbst ja ein kunstinteressierter und kunstschaffender Mensch. Aber die Menschen sind nun mal so, und wenn es eng wird, ist sich jeder plötzlich wieder selbst der Nächste.

Dass man die Künstler jetzt schmählich im Stich lässt, ist natürlich fies und absolut schlechter Stil - aber kann es, wenn man die Natur des Menschen kennt, wirklich verwundern? Mich jedenfalls nicht.

LG, eKy


« Letzte Änderung: M?RZ 13, 2021, 09:47:32 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

hans beislschmidt

Re: Das Schweigen der Kunst
« Antwort #2 am: M?RZ 13, 2021, 15:45:23 »
Lieber Erich,
jetzt bist du aber tief in die Psyche und die deutsche Volksseele eingestiegen. Das ist sehr gut beobachtet und schließt den Kreis, bei dem ich mich hauptsächlich auf gesellschaftspolitische Betrachtungen eingelassen habe. Es ist ein unerschöpfliches Thema. Mit wenigen Ausnahmen revolutionären Aufbegehrens der 68ger hing die Kunst tatsächmich schon immer am Tropf von irgendwem. Päpste, Medici, Bayernludwig, Preußenfritz, SissiFranz usw  ... ohne Unterstützer wäre Hochkultur auch nicht möglich gewesen. Das war schon immer so und diejenigen, die heute im staatlichen Orchestergraben sitzen, haben Glück gehabt, weil sie das Notwendige und die Mindestabsicherung bekommen. Der Rest macht die bittere Erfahrung dem Spiel der Staatsvergabe nichts entgegensetzen zu können. Also abwarten, im Zweit und Drittjob über die Runden kommen, mit der Hoffnung, dass es irgendwann wieder rund läuft.
Im Gegensatz zu früher, wo Schauspieler und Musiker den Status von Schiffschaukelbremsern hatten, also auf der untersten Stufe der Gesellschaft rumdümpeln mussten, hat die Unterhaltungsbranche über die Medien mächtig aufgeholt und wird
global vermarktet. Aber auch diesen Faktor können sie nicht für sich nutzen, weil sich die Topstars zurücklehnen, Fernsehauftritte machen und über Tantiemen Geld verdienen. Der kleine Jazzer aber mit zwei Privatschülern und wenig Live Gigs schaut in die Röhre und von den Großkopferten ist keine Solidarität zu erwarten. Das Publikum der Live Veranstaltungen nimmt es eben hin, dass im Moment tote Hose ist und hat für die Hungerleider nur ein Achselzucken oder Hach Gott wie schlimm beizusteuern.
Die Branche braucht eine Gewerkschaft aber es ist illusorisch, dass man so viele Einzelakteure davon begeistern könne. Es wird wohl alles so bleiben wie es ist.
Danke für deine sehr guten und richtigen Überlegungen. Schönes Wochenende. Gruß vom Hans
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

Sufnus

Re: Das Schweigen der Kunst
« Antwort #3 am: M?RZ 16, 2021, 13:49:35 »
Hi Hans,
wichtiges Thema. Wird leider nicht nur von der Politik in seiner Tragweite völlig unterschätzt, sondern auch von einem gewissen, bildungsfernen Teil Allgemeinbevölkerung.
Und mit bildungsfern meine ich in dem Zusammenhang: Juristen, Ärzte, Banker, Leitende Verwaltungsangestellte, Unternehmensberater usw. usf. also die Mehrzahl der "Säulen der Gesellschaft", die schlicht und einfach von Kunst keine Ahnung haben (schmückende Ausnahmen ändern nichts an der Regel).
Wie gesagt: Ein paar wenige Ausnahmen gibt es, aber die Mehrzahl der "Leistungsträger" inklusive derjenigen, die sich mit einem Theaterabo schmücken und eine halbwegs Literatur-bestückte Bücherwand vorweisen, haben einfach keinen blassen Dunst von allem Kulturellen.
Und aus dieser Missachtung resultiert die Unfähigkeit, Kunst in ihrer Wertigkeit einschätzen zu können ("ist das Kunst oder kann das weg?"). Die ersten Ergebnisse dieser Haltung dürfen jetzt schonmal besichtigt werden. Aber die Folgen werden noch ein paar Generationen nachwirken.
Grüße,
S.

hans beislschmidt

Re: Das Schweigen der Kunst
« Antwort #4 am: Januar 22, 2022, 15:21:07 »
Lieber Sufnus,
Beim Durchblättern dieser vielen Diskussionsbeiträge, stelle ich fest, dass trotz widersprüchlicher Darstellungen insgesamt eine Wahrnehmung, sowie der Wille zu einem Wissensaustausch vorhanden war, auch wenn vieles mittlerweile ein Anachronismus ist.
Gruß vom Hans
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

Sufnus

Re: Das Schweigen der Kunst
« Antwort #5 am: Januar 25, 2022, 15:40:38 »
Hi Hans! :)
Schön, dass Du dieses Thema wieder ausgegraben hast - und ich würde Deine Einschätzung teilen, dass unser Austausch hierzu - inklusive der Wechselrede von Dir und eKy - sehr inhaltsbezogen und den Mitstreitern zugewandt war. Eine Fortspinnung der Gedanken könnte sich also durchaus lohnen. Die aktuelle Idee, einen Parlamentspoeten zu installieren, böte ja eine gute Anknüpfung. Ich wäre sehr gespannt zu erfahren, ob Du schon ein Bewerbungsgedicht an den Bundestag geschickt hast, lieber Hans... das wären sicher... interessante... Töne in den Ohren der hohen Abgeordneten.  ;D
LG!
S.

Rocco

Re: Das Schweigen der Kunst
« Antwort #6 am: Januar 25, 2022, 23:19:21 »
Hallo Leute,

passt vielleicht nicht ganz... Als Eugen Gomringer, wegen seines Avenida-Gedichtes, in die Schlagzeilen geriet, hatte er sich damit verteidigt, dass sein Gedicht nicht sexistisch sei. Der Punkt ist nur der: der Asta, der Alice-Salomon-Schule, hat ihm das auch nicht wirklich vorgeworfen. Konkret ging es den Studentinnen um ein "Bauchgefühl". Also um Ängste und Befindlichkeiten, die sie bei der Avenidas-Lektüre hatten.

Ganz unschuldig war Gomringer daran nicht. Denn er war schon immer dafür, dass Leser sich aktiv einbringen. Also: Weg vom Leser, der nur konsumiert.

Diese Haltung: Weg vom Leser, der nur konsumiert, hat den Nachteil, dass er - der Leser - sich stärker einbringt; und vielleicht auch nicht so, wie es der Autor gerne hätte.

Klar: KEIN AUTOR IST FÜR DIE GEFÜHLE SEINER LESER VERANTWORTLICH. Wenn der Autor aber emanzipierte Leser will, wo muss/kann/soll er die Grenze ziehen?

Und zum Fall Gomringer: Wenn man Frauen unter Blumen und Bäume einreiht, wirkt das (oioioi!) witzig. Ungefähr so, als wenn eine Frau ihren Mann zu den Haustieren zählt.

Ich meine nicht, dass Künstler an ihrem Verstummen selbst Schuld tragen, aber sie können auch nicht so tun, als seien sie lediglich Opfer widriger Umstände.

Was meint ihr?

Euch einen schönen Abend!

Rocco
« Letzte Änderung: Januar 25, 2022, 23:21:19 von Rocco »
"Erst in Rage werde ich grob -
aber gelte als der Hitzkopf?!"

Yusuf Ben Goldstein, aus Rocco Mondrians Komödie: Yusuf Ben Goldstein, ein aufrechter Deutscher

hans beislschmidt

Re: Das Schweigen der Kunst
« Antwort #7 am: Februar 01, 2022, 16:03:45 »
Hallo,
Ich kannte weder das Gedicht, noch den Autor.
Hier ein Artikel aus der NZZ....
https://www.nzz.ch/folio/ploetzlich-boesewicht-ld.1613134
Eine gewisse Dynamik, was die geframte Meinungsführerschaft derzeit anbelangt, ist überall zu erkennen. Überall - auch in den Schreibforen. Diskussion ist zwecklos. Es hilft nur die Ignortaste zu drücken und dagegen zu halten.
Beisgrüße
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

Sufnus

Re: Das Schweigen der Kunst
« Antwort #8 am: Februar 01, 2022, 16:52:30 »
Hi Hans,

dann ist es ja gut, dass mit Roccos Hinweis eine Bildungslücke geschlossen wurde!  ;D
Na... im Ernst: Eugen Gomringer ist ein wirklich bedeutender Lyriker, der die konkrete Poesie zu einem Höhepunkt (und etwas ketzerisch gesagt: womöglich auch schon wieder zu einem vorläufigen Abschluss) gebracht hat. :) In seinem Alterswerk hat er sich übrigens mit sehr schönen und, von der Kleinschreibung und dem Verzicht auf Zeichensetzung abgesehen, ganz klassisch anmutenden Sonetten zu Wort gemeldet. Leseempfehlung! :)

Eugen Gomringer - welt im sonett - sämtliche sonette (edition signathur)

Was das avenidas-Gedicht angeht... ich halte es tatsächlich für ein zeitgebundenes Werk und denke, dass die Aufgregung, die von Feministierenden im Namen der woke-ness und von Barrikadenstürmern im Namen der Kunstfreiheit (also beiden Polen dieser "Debatte") um diese Zeilen entfacht wurde, ihrer Bedeutung nicht gerecht wird. Und das sage ich als (s. o.) Bewunderer (hah!) von Eugen Gomringers lyrischem Werk (inklusive, wenn auch mit kleinem Vorbehalt) seiner konkreten Poesie. :)

LG!

S.

« Letzte Änderung: Februar 01, 2022, 17:00:41 von Sufnus »

hans beislschmidt

Re: Das Schweigen der Kunst
« Antwort #9 am: Februar 19, 2022, 18:50:06 »
Du bist echt sehr belesen mein lieber Sufnus. Etwas weit ausholend aber sehr unterhaltsam. Du solltest mehr schreiben, deine klugen Gedanken posten.
Sonst können wir bald das Forum in Ekybaum umbennen. Schönes Wochenendende. Gruß vom Hans
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

Sufnus

Re: Das Schweigen der Kunst
« Antwort #10 am: Februar 21, 2022, 12:57:38 »
Dankesehr für das freundliche Lob, lieber Hans, das ich mir natürlich sehr zu Herzen nehme, weshalb ich mich in meinem letzten Kommentar zu gums schöner Reflexion über die Autarkie auch extra einer ausgeprägten Prägnanz, ja geradezu einer die Leselust des Lesers beleidigenden Kürze befleißigt habe.
Und der vollständige Titel des Forums ist derzeit natürlich "Die Suffbeisel 'Zum eKy-Baum' ".
Je nun. Eine gewisse  personelle Erweiterung täte hienieden wahrscheinlich durchaus Not... hoffen wir zunächst mal (neben aktuell offiziell wohl abgemeldeten früheren Mitstreitern) auf Jenny, Rocco, Copper, WM, Curd und vielleicht auch mal wieder die Alte Lyrikerin, die ich immerhin ab und an im schönen Wiesengrunde erspähe und die vielleicht ja doch mal wieder die Lust überfällt, hier etwas einzustellen, trotz eKys doch manchmal ein wenig  die Höflichkeitsgrenze überschreitender Axthiebe gegen die Religion im Allgemeinen und das Christentum im Besonderen (ich stelle mir eKy dann immer wie einen das Beil schwingenden Bonifatius vor, der einem "heiligen Baum" mit wuchtigen Schlägen zu Leibe rückt - auch Atheisten oder Agnostiker können von einem Furor beseelt sein, der einem Allah-erglühten Imam zur Ehre gereichte...  ;) ).
Du siehst Hans, ich kann mich darchaus jeder Weitschweifigkeit enthalten und ganz eng beim Thema bleiben...  ;D
LG!
S.

Erich Kykal

Re: Das Schweigen der Kunst
« Antwort #11 am: Februar 21, 2022, 18:06:06 »
Müsste es nicht lauten: "Das Suffbeisl zum Eky-Baum"?  ;) ;D

Mit Bonifazius möchte ich mich nicht verglichen sehen, Heiliger hin oder her. Mein "Furor" gegen jede Form unreflektierten und unbeweisbaren Glaubens wurzelt vielmehr im stur-dummen Beharrungsvermögen unterwürfiger oder schwacher Geister, weil sie so offenkundig eines fiktiven Vorgesetzten oder Herrn bedürfen.

Und ungerechtfertigt ist mein Zorn gewiss nicht, betrachtet man, was Religion auf der Welt an Tod, Leid und Unterdrückung verursacht, und er stellt der Wut hemmungsloser Fanatiker gleich welchen Glaubens auch nur einen entsprechenden Widerpart entgegen, der eben nicht bereit ist, "die andere Backe hinzuhalten".

Zudem vertrete ich nur eloquent meine eigene Überzeugung, wie es das Recht in einem freien Land gestattet. Niemand ist verpflichtet, sich ob meiner Argumente aufzuregen, wenn er sich denn schon nicht von ihnen überzeugen lässt. Fragt mich jemand, wie es mir geht, wenn ich schmalzig-inbrünstige Gedichte über Gottes Größe lesen muss, oder im TV über Fernsehprediger stolpere, oder mir in einer Doku ansehen muss, wie Abertausende täglich mehrmals devot Gotteskotau auf dem Teppich gen Mekka zelebrieren,so als würde ein tatsächlicher Gott das ernsthaft von ihnen verlangen, oder wenn ein beliebiger US-Präsident im aufgeklärten 21. Jhdt immer noch das Wohlwollen Gottes in jeder Rede herbeibeschwört?
Ich kann es euch sagen: Ich bin täglich niedergeschmettert, enttäuscht und angepisst über soviel gedankenlose tradierte Unterwürfigkeit!  ::) >:(


Trotz meiner zuweilen "schwierigen" Momente denke ich nicht, dass es an mir liegt, dass kaum noch jemand hier schreibt - oder zumindest nicht an mir allein. Viele Autoren scheinen doch ziemlich mimosenhaft zu reagieren, selbst wenn sie gar nicht Betroffene eines kleinen Forendisputs sind. Da wird ihnen dennoch immer gleich "das Klima zu schlecht", als wäre jedweder heftigere Diskurs eine persönliche Beleidigung ihrer Betroffenheitssphäre.
Meinungsverschiedenheiten kommen und gehen, aber viele Autoren halten scheinbar jeden Ort, an dem eine stattfindet, für auf unbestimmte Zeit verseucht oder so.
Dazu nur soviel: Wir sind ein Lyrikforum, wo es um Gedichte geht (und worum sich denn auch die meisten Streitverläufe drehen), und keine Wohlfühl-Kuschelecke für lebensüberforderte Sensibelchen, die sich beim ersten kräftigeren Seitenwind absentieren, nur damit ihre Gutmenschenfrisur nicht auch mal zerzaust werden kann - Gott bewahre!  ::)
Ich nehme kaum etwas persönlich, selbst wenn es so an mich adressiert war, vielleicht bin ich nur dank dieser Dickfelligkeit immer noch aktiv, wer weiß. Aber diese Kritik- und Konfliktflüchter nehmen scheinbar ALLES extrem persönlich, selbst wenn es nicht mal ansatzweise um sie selbst ging.

Ich finde das sehr bedauerlich. Ich habe mich oft entschuldigt, und bei weitem nicht immer, weil ich dachte, ich hätte wirklich etwas falsch gemacht, sondern in solchen Fällen aus sozialer Verträglichkeit und gutem Willen. Ich bemühe mich, nicht allzu "streng" zu sein, Kommentare in Zuckerwatte zu packen, und jene Texte zu ignorieren, die mich wirklich wütend oder konsterniert machen würden. Ich schaffe es nicht immer, aber meistens (in Hans' Fall hat es JAHRE gedauert, bis seine ewige Lernunwilligkeit bezüglich lyrischer Qualität und seine zuweilen recht vorurteilslastigen Texte ausreichend kumulierten, um mich endgültig auf die Palme zu bringen!). Was kann ich NOCH machen, damit man mich nicht als Wüterich oder arroganten Schnösel wahrnimmt? Beides WILL ich bestimmt nicht sein.

Andererseits gebe ich nicht viel auf das, was andere von mir denken (und diese Unabhängigkeit musste ich mir seit meiner frühen Jugend wirklich hart erarbeiten!), vielleicht nimmt man mich auch deshalb als so wenig sozial anpassungsfähig wahr: Ich bleibe mir letztlich treu, egal, was an mich brandet. Nehmt mich, wie ich bin, oder lasst es.

LG, eKy
« Letzte Änderung: Februar 21, 2022, 18:11:00 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.