Autor Thema: Mit Leid los  (Gelesen 863 mal)

cyparis

Mit Leid los
« am: September 04, 2014, 14:32:15 »

Dezennien her: die muntren Schnellen
fühl ich heute noch an meinen Zehen,
wie sie sich meinen Fingern zugesellen
im Bücken, Tanzen, lachend Gehen
dann meine Schritte zärtlich überquellen.
Das war vor Deinem Tod.

Dezennien her: Da warst Du noch Dein wahres DU,
da war Dir noch die sanfte Hand zueigen,
die mir im Zueinanderneigen
Zukunft bot und Kraft und Ruh;
ein klares, helles IMMERZU!
Das war vor Deinem Tod.


Dezennien her: Da drücktest Du noch Deinen Mund
an meiner Stirne junges, Dir gegebnes Rund
in dieser Wälder grünen Fülle.
Du bautest mit an meinem Sein-Gerüst,
an dem die Zeit nicht frisst,
nicht festgefügter, strenger Wille.
Das war vor Deinem Tod.


Dezennium her: Ich mußte Dich begraben.
Du wolltest sehr, das SEHR zu wild;
Du wolltest alle Sterne, alle Himmel haben.
Dir ward an meiner Seite dieses Wollen nicht gestillt.
Ich mußte Dich begraben.

Dies war doch m e i n e Not!
Wann bleibst Du endlich tot?






(Fundus)




Hier Erichs Überarbeitung:






Die neue Version:

Dezennien her: Die muntren Schnellen,
ich fühl sie heute noch an meinen Zehen,
wie sie sich meinen Fingern zugesellen
im Bücken, Tanzen, lachend Gehen,
wenn meine Schritte zärtlich überquellen.
Das war vor Deinem Tod.

Dezennien her: Du warst noch DU,
da war Dir noch die sanfte Hand zueigen,
die mir im Zueinanderneigen
so viel an Zukunft bot und Kraft und Ruh;
ein klares, helles IMMERZU!
Das war vor Deinem Tod.

Dezennien her: Du drücktest Deinen Mund
an meiner Stirne übervolles Rund
in dieser Wälder dunklen Fülle.
Du bautest mit an meinem Sein-Gerüst,
an dem kein reuiges Erinnern frisst
und auch kein festgefügter, strenger Wille.
Das war vor Deinem Tod.

Dezennien her: Ich mußte Dich begraben.
Du wolltest sehr, das SEHR zu wild,
und alle Sterne, alle Himmel haben.
Ich war zu klein, dein Durst blieb ungestillt:
Ich mußte Dich zu früh begraben.
Dies alles ist doch m e i n e liebe Not!
Wann bleibst Du endlich tot?
« Letzte Änderung: September 22, 2014, 22:20:57 von cyparis »
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re:Mit Leid los
« Antwort #1 am: September 04, 2014, 17:29:45 »
Hi, Cypi!

Schönes Gedicht. Man lässt sich von den lyrischen Bildern der Erinnerung mit überfluten - und wird von den letzten beiden Zeilen brutal ausgebremst!

Der spezielle Zauber ergibt sich auch aus der lockeren Abfolge 4- und 5-hebiger Zeilen (mit unbetontem Auftakt), die zuletzt jedesmal vom 3-hebigen Schlusssatz untermalt werden, der fast immer gleich lautet und erst in der Conclusio aufgelöst wird - dann aber mit Knalleffekt!


Dezennien her: die munt'ren Schnellen "muntren" bedarf eigentlich keines Apostrophs. "Die" groß nach Doppelpunkt.
fühl ich heute noch an meinen Zehen, Betonter Auftakt. Altern.: (Komma am Ende der Vorzeile) "ich fühl sie heute noch an meinen Zehen,"
wie sie sich meinen Fingern zugesellen
im Bücken, Tanzen, lachend Gehen Komma am Zeilenende.
dann meine Schritte zärtlich überquellen. Das "dann" klingt komisch. Besser "wenn".
Das war vor Deinem Tod.

Dezennien her: Da warst Du noch Dein eignes DU, Zeile überlang. Altern.: "Dezennien her: Du warst noch DU,"
da war Dir noch die sanfte Hand zueigen,
die mir im Zueinanderneigen
Zukunft bot und Kraft und Ruh; Betonter Auftakt. Altern.: "so viel an Zukunft bot..."
ein klares, helles IMMERZU!
Das war vor Deinem Tod.

Leerzeile zuviel.
Dezennien her: Da drücktest Du noch Deinen Mund Zeile überlang. Altern.: "Dezennien her: Du drücktest Deinen Mund"
an meiner Stirne junges, Dir gegebnes Rund Zu lang. "an meiner Stirne übervolles Rund"
in dieser Wälder dunklen Fülle.
Du bautest mit an meinem Sein-Gerüst,
an dem die Zeit nicht frisst, Zu kurz im Strophentakt. Altern.: "an dem kein reuiges Erinnern frisst,"
nicht festgefügter, strenger Wille. Betonter Auftakt. Altern.: (Komma weg am Ende der Vorzeile) "und auch kein festgefügter, strenger Wille."
Das war vor Deinem Tod.

Leerzeile zuviel.
Dezennien her: Ich mußte Dich begraben.
Du wolltest sehr, das SEHR zu wild;
Du wolltest alle Sterne, alle Himmel haben. Zu lang im Strophentakt. Altern.: (Komma am Ende der Vorzeile) "und alle Sterne, alle Himmel haben."
Dir ward an meiner Seite dieses Wollen nicht gestillt. Zu lang. "Ich war zu schwach (klein), dein Durst blieb ungestillt:"
Ich mußte Dich begraben. Zu kurz. "Ich musste dich zu früh begraben."
Diese Leerzeile zu streichen, wäre überlegenswert.
Dies war doch m e i n e Not! Zu kurz. "Dies alles war doch meine liebe Not!" Da sich die Erinnerung bis heute fortsetzt, wäre ein "Dies alles ist..." nicht passender?
Wann bleibst Du endlich tot?


Die neue Version:

Dezennien her: Die muntren Schnellen,
ich fühl sie heute noch an meinen Zehen,
wie sie sich meinen Fingern zugesellen
im Bücken, Tanzen, lachend Gehen,
wenn meine Schritte zärtlich überquellen.
Das war vor Deinem Tod.

Dezennien her: Du warst noch DU,
da war Dir noch die sanfte Hand zueigen,
die mir im Zueinanderneigen
so viel an Zukunft bot und Kraft und Ruh;
ein klares, helles IMMERZU!
Das war vor Deinem Tod.

Dezennien her: Du drücktest Deinen Mund
an meiner Stirne übervolles Rund
in dieser Wälder dunklen Fülle.
Du bautest mit an meinem Sein-Gerüst,
an dem kein reuiges Erinnern frisst
und auch kein festgefügter, strenger Wille.
Das war vor Deinem Tod.

Dezennien her: Ich mußte Dich begraben.
Du wolltest sehr, das SEHR zu wild,
und alle Sterne, alle Himmel haben.
Ich war zu klein, dein Durst blieb ungestillt:
Ich mußte Dich zu früh begraben.
Dies alles ist doch m e i n e liebe Not!
Wann bleibst Du endlich tot?


Ich hoffe, nirgendwo deine Intentionen verletzt zu haben. Ein sehr schönes Gedicht! Du solltest wirklich mal eine "Mappe der Besten" anlegen! ;)

Allergernst gelesen und bearbeitet!

LG, eKy


« Letzte Änderung: September 04, 2014, 17:32:57 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re:Mit Leid los
« Antwort #2 am: September 04, 2014, 20:50:39 »
Hallo Cyparis,

das Gedicht macht den Eindruck eines Tanzes durch die Erinnerungen, und der Leser geht alle die Schritte wie von einer Melodie bewegt durch die vier Strophen mit, bis ihn am Ende das Gewicht der letzten Verse zu Boden reißt. Die Überarbeitung von Erich nimmt gelegentliche Stolperschritte gekonnt heraus.

Sehr gern gelesen.

LG gummibaum

cyparis

Re:Mit Leid los
« Antwort #3 am: September 04, 2014, 22:56:43 »
Lieber Erich -

lediglich die "liebe Not" ist mir zu zahm.
Meine liebe Not kann ich mit ungebärdigen Kindern oder widerspenstigen Wurzeln im Garten haben.
Aber in einer tragischen, letzten Endes todgeweihten Beziehung?
Eher nicht.


Vorerst lieben Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re:Mit Leid los
« Antwort #4 am: September 04, 2014, 23:58:54 »
Na, dann so: "Dies ist doch alles einzig m e i n e Not."

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:Mit Leid los
« Antwort #5 am: September 21, 2014, 22:52:08 »
Lieber Erich,

ich bin erst jetzt auf Deine gefälligere Version gestoßen.
Ich stelle sie unter mein Original.

Hab Dank!

von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

charis

  • Gast
Re:Mit Leid los
« Antwort #6 am: September 22, 2014, 21:56:05 »
Liebe Cyparis,

Ich kann nur wieder sagen, große Lyra!  Für mich sehr ungewohnt antiquiert, aber keinesfalls in
einem negativen Sinne, ganz im Gegenteil, ich mache eine Zeitreise.
Es gefällt mir, auch wie du sozusagen "Altes" mit "Neuem" vermischt.  Aber das nur am Rande.

Das ist ein unglaublich tiefempfundener, trauriger und trotzdem so wunderschöner (Erinnungs)Tanz,
den ich mittanzen und -fühlen konnte.

Ich verstehe auch allzu gut, dass du die "feingeschliffene" Version nur "darunter" gestellt hast:
Das alles ist DEINER Liebe Not!

Liebe Gruß
charis

cyparis

Re:Mit Leid los
« Antwort #7 am: September 22, 2014, 22:37:56 »
Hallo Erich, Gummibaum und charis:

Ich habe Änderungen übernommen. Dort, wo sie mir angeraten schienen.

Lieber Gummibaum:

ein Totentanz.
(Einst schrieb Strindberg ein Theaterstück. Durfte ich noch sehen mit Kurt Meisel - naja - und Alexander Kerst).

Liebe charis -

welch ein Lob!
Aber was erscheint Dir antiquiert?
Das Thema? Die Sprache kann es nicht sein, oder...? :)


Euch Freunden liebe Grüße
in die Nacht
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
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