Autor Thema: Probleme (mit) der (modernen) Lyrik  (Gelesen 2448 mal)

hans beislschmidt

Re: Probleme (mit) der (modernen) Lyrik
« Antwort #15 am: Mai 13, 2020, 16:37:50 »
Hi Erich,
Jaaaa, Werbetexte....
Wenn einem soviel Gutes widerfährt,
Ist das einen Asbach Uralt wert.
 ;D ;D ;D Gruß vom Hans
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

Erich Kykal

Re: Probleme (mit) der (modernen) Lyrik
« Antwort #16 am: Mai 13, 2020, 16:49:13 »
Hi Hans!

Der genaue Wortlaut ist:

"Wenn einem so viel Gutes widerfährt,
dann ist das einen Asbach-Uralt wert."

Um ehrlich zu sein, ich hab das Zeug nie gekostet - schmeckt sehr wahrscheinlich so grauenhaft wie jede Form von Alkohol, zumindest für mich. Aber als Kind hat sich dieser Spruch unauslöschbar in mich eingeprägt, vor allem dank der sonoren, zutiefst feierlichen, emotionalen Herrenstimme, die da sprach.
Genau diese unauslöschliche Einprägung wie in den tiefsten Wesenskern beweist die Macht von gereimter Lyrik: Es sind im Grunde Zaubersprüche ...  ;)

Ich finde es höchst bedauerlich und arrogant, dass sich die Dichter um einer avantgardistischen "Moderne" willen davon losgesagt haben. Warum? Weil ihnen sonst nichts mehr einfiel, um sich abzuheben, etwas Neues zu generieren, um im Gespräch zu bleiben an ihrer jämmerlichen kleinen Avantgardefront. Klüngelgekleister, verklebter Zeitgeist, holperndes Possenspiel, ein hampelnd um erlechzte Bedeutung strampelnder Zerrbildschatten einstiger wahrer Tiefe!

So, das saß!  ;) ;D 8)

LG, eKy
« Letzte Änderung: Mai 13, 2020, 23:04:32 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

hans beislschmidt

Re: Probleme (mit) der (modernen) Lyrik
« Antwort #17 am: Mai 13, 2020, 19:13:51 »
Hi Erich, richtig ist, dass ich das Werk gerade vorhin auf meinen Blog stellte, um urheberische Differenzen hier auf der Wiese zu vermeiden und nicht weil ich mich damit identifiziere. So schlecht ist meine Metrik wirklich nicht.  ; ;D . Du urteilst ein bißchen vorschnell. Gruß vom Hans

Zitat
Denk mal drüber nach! Und wenn du ihn in deinen Blog stellst, scheinst du ja inhaltlich damit übereinzustimmen
« Letzte Änderung: Mai 13, 2020, 19:16:25 von hans beislschmidt »
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

Erich Kykal

Re: Probleme (mit) der (modernen) Lyrik
« Antwort #18 am: Mai 13, 2020, 23:07:46 »
Hi Hans!

Ist ja gut, ist ja gut. Ich nehme alles zurück.

Aber klär das mal ganz schnell in deinem Blog, ehe andere Leser dort denken, was sie nicht sollen. Es sollte dort dabeistehen, von wem der Text ist, und was du davon hältst.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

AlteLyrikerin

Re: Probleme (mit) der (modernen) Lyrik
« Antwort #19 am: Mai 25, 2020, 14:24:03 »
Eisenvorhang schrieb:
Zitat
Ich kenne kein modernes Gedicht, was das bisher bei mir erwirken konnte.
und meinte damit das innere tief emotional berührt werden.Ich schlage vor, als kleinen Beitrag zu diesem Faden, die Gedichte von Hilde Domin zu lesen und zu bedenken. Für mich sind sie der Inbegriff für eine hochwirksame Lyrik ohne Reim aber mit ungeheuer starken Metaphern. Ich denke da u.a. an das Gedicht "Wen es trifft".
Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.

Sufnus

Re: Probleme (mit) der (modernen) Lyrik
« Antwort #20 am: Mai 26, 2020, 11:11:56 »
Hi!

Vielen lieben Dank, gute AL, dass Du diesem Thread Deine Gedanken leihst! :)

Ich glaube, Du greifst einen wirklich wichtigen kritischen Gedanken von EV zu reimloser und metrisch ungebundener, "moderner Lyrik" auf (ich gebrauche den Begriff "moderne Lyrik" mal noch, bis wir eine Bessere Bezeichnung gefunden haben, Martin und eky haben ja erklärt, dass für sie dieser Begriff einen Widerspruch in sich selbst darstellt).

Jedenfalls hat EV darauf hingewiesen, dass für ihn die Verwendung von Reim ganz wesentlich ist, um eine emotionale Berührtheit herzustellen. Reimlose, "moderne Lyrik" wäre demnach tendenziell immer eher "verkopft" (da spricht eKy dann von Hirnwixerei  ;) ) und hätte nicht diese emotionale Unmittelbarkeit, die ein (gut gemachter) gereimter Text erzeugen kann.

Du widersprichst nun, liebe AL, und führst als Beispiel das Gedicht "Wen es trifft" von Hilde Domin auf. Ob dieses Beispiel nun als Beleg für die berührende Wirkung ungereimter Lyrik taugt oder nicht, ist natürlich wieder von Leser zu Leser sehr unterschiedlich, aber was ich wirklich eklatant fand, war die schiere Länge dieses Gedichts! Das gibt mir Gelegenheit einen wesentlichen Anspruch zu formulieren, den ich an Lyrik (und Gedichte - ich verwende die beiden Begriffe ziemlich synonym) stelle: Sie müssen (für mich - persönliche Meinung!) ziemlich kurz sein.

Einige meiner liebsten Gedichte (ob nun "modern" oder "traditionell") sind sogar ganz kurz, teilweise nur einstrophige Vierzeiler und ein Grund, warum ich Sonette so liebe, liegt in ihrer relativen Kürze. Gedichte, die den Rahmen einer üblichen Normseite sprengen, haben bei mir schon einen etwas schwereren Stand und alles, was den Umfang der zweiten Seite überragt, ist für mich fast sicher raus.... dass dieses private Kriterium durchaus anfechtbar ist, will ich natürlich nicht leugnen, aber ein bisschen liegt es sogar im Zug der Zeit... hier kommen mir die meisten modernen Gedichte eher entgegen, die auch häufig zu einer gewissen Knappheit neigen. Zwar ist das Langgedicht nie ausgestorben (der Begriff "Langgedicht" ist im Deutschen sogar ausgesprochen eng mit Diskussionen um "moderne Lyrik" verknüpft), aber in meiner Wahrnehmung hat mit dem Niedergang erzählender Lyrik ab dem Eingang des 20. Jahrhunderts die Bedeutung langer (willkürlich: bis 3-10 Normseiten) und überlanger (> 10 Normseiten) Gedichte abgenommen, auch wenn sich natürlich nach wie vor auch moderne Vertreter finden lassen (Maren Kames als wohl jüngste, bekannte Beiträgerin zu diesem Thema).

Ich glaube, ein langes Gedicht fühlt sich für mich in der Regel einengend an, es enthält fast immer "zu wenig weißen Rand", der mich dazu einlädt, die Bilder weiterzuträumen. Es geht mir also bei "kurzer Lyrik" nicht um Verdichtung (ein häufiges, aber m. E. falsches Wortspiel, Gedicht mit "dicht" zu verknüpfen), es geht mir um das Unausgesprochene, Unentwickelte, um das Fragmentarische im Gedicht. Darum liebe ich auch die Fragmente antiker Dichter so sehr, die ursprünglich sicher sorgfältig ausgearbeitete Verse waren, "bis zum Rand ausgemalt", und die sich nur durch die Verwitterung der Schriftrollen ins Fragmentarische gewandelt haben, nicht immer zu ihrem Nachteil! :)

LG!

S.

P.S.:

Ein ellenlanges Plädoyer für die Knappheit... ist es nicht ironisch... wir lieben immer das, was uns am meisten fehlt... O0

AlteLyrikerin

Re: Probleme (mit) der (modernen) Lyrik
« Antwort #21 am: Mai 26, 2020, 12:59:51 »
Lieber Sufnus,

ja, sehr lange Gedichte sind ein Problem. Besonders dann, wenn sie es nicht schaffen, den Spannungsbogen aufrecht zu erhalten, so dass der Leser geradezu gefesselt weiterlesen mag. Bei "Wen es trifft" ging es mir so, dass ich beim ersten Lesen gar nicht aufhören konnte. Dieses Gedicht schafft es ja, gegen die Aussage von Adorno, nach Auschwitz sei keine Lyrik mehr möglich, in unerwarteten Bildern von dem zu sprechen, was geringer Begabte sprachlos zurück lässt.

Eigensinnig widerspreche ich der Aussage "berührende" Poesie erfordere den Reim. Als Beispiel möchte ich die erste Strophe eines kurzen Gedichtes von Hilde Domin zitieren.
Zitat
Aussaat

                                 In das Blumenbeet
                                 meiner Hüften
                                 will ich deine Augen säen
                                 ehe die goldenen Blätter fallen
                                 und uns zudecken.
Wenn diese Zeilen keinen Widerhall in einem Leser finden, liegt das nicht am fehlenden Reim.

Hier müssen wir auch auf die Rezeption eingehen, die ja auch literaturwissenschaftlich untersucht wird. Meine These hierzu ist. Der Leser schafft das Gedicht mit. Anders gesagt, es kann, und sei es auch ein Meisterwerk wie Rilkes Gedichte, nur dann wirken, wenn im Leser ein Resonanzraum vorhanden ist, der auf die verwendeten Stilmittel und Inhalte reagieren kann.

Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.

Erich Kykal

Re: Probleme (mit) der (modernen) Lyrik
« Antwort #22 am: Mai 26, 2020, 15:22:03 »
Hi AL!

Ich kann da nur entgegnen: Um wieviel noch ergreifender wäre dieses wunderschöne lyrische Bild wohl, hätte man es mit passenden Klangharmonien verbunden?  ;)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

AlteLyrikerin

Re: Probleme (mit) der (modernen) Lyrik
« Antwort #23 am: Mai 26, 2020, 16:44:24 »
Da müssen wir, lieber Erich, unsere Differenzen wohl aushalten, denn das Diskutierte ist nichts, was man auf der faktischen Ebene ein für alle Mal klären könnte.
LG AlteLyrikerin.

Sufnus

Re: Probleme (mit) der (modernen) Lyrik
« Antwort #24 am: Mai 26, 2020, 16:51:26 »
 :) Naja... aber klären lässt sich da schon eine ganze Menge! :) Natürlich nicht, wer "recht" hat und wer sich "irrt"... klaro... aber im Diskurs lernt jeder zunächst einmal seinen eigenen Standpunkt besser verstehen (das ist zumindest für mich gesprochen keine Selbstverständlichkeit... oft habe ich vor einer Diskussion noch gar keinen so richtigen Standpunkt) und als Dreingabe versteht man dann vielleicht auch noch die Poetologie der anderen Teilnehmer... ist doch fein sowas! :)
Ich würde - nur als Übung im ästhetischen Abgleich, nicht mit Missionierungsanspruch - zum Beispiel für mich sagen wollen, dass die beiden disktutierten Domin-Beispiele mich zwar sehr (sehr sehr sogar!) beeindruckt haben, aber nicht wirklich emotional berührt... hätte man bei mir beim Lesen dieser Zeilen irgendein fancy-funktionelles Kernspingedöns  veranstaltet, hätte man wahrscheinlich meine rationalen und analytischen Hirnareale (gibts die überhaupt?) aufleuchten sehen und weniger die emotionalen (gibts wahrscheinlich auch nicht... dann ist das jetzt eben metaphorisch gesprochen.. ;) )....
Es gibt aber sehr wohl ungereimte Gedichte, die mich emotional packen und berühren... ich werf mal Gelegenheit Beispiele in die Runde, dann kann AL kontern und fragen: "Was isn das für Käse?!"  ;D ;D ;D
LG!
S.

AlteLyrikerin

Re: Probleme (mit) der (modernen) Lyrik
« Antwort #25 am: Mai 26, 2020, 17:02:55 »
Na ja, mit Käse handele ich nicht, und mit wertenden Aussagen bin ich sehr vorsichtig geworden. Du hast Recht mit Deinen Bemerkungen über die Fruchtbarkeit eines Diskurses, wenn er ohne "Missionierungszwang" geführt werden darf.

Dass Dich die zitierten Beispiele von Hilde Domin sehr beeindruckt, aber nicht emotional berührt haben, ist für mich kein Hinweis, dass sie dich eher berührt hätten, wären die Verse gereimt gewesen. Gegen diese These opponiere ich ja.

Was Dich emotional berührt oder nicht hängt von unzählbaren Faktoren ab, u.a. von Deinen Erfahrungen, Prägungen, Erlebniswelten, …..
Das ist es ja, was ich mit dem Hinweis auf die Rolle des Rezipienten andeuten wollte. Wenn Verse auf nichts treffen, was im Leser mitschwingen kann, dann bleiben selbst Meisterwerke ohne Resonanz.

Liebe Grüße, AlteLyrikerin.

Eisenvorhang

  • Gast
Re: Probleme (mit) der (modernen) Lyrik
« Antwort #26 am: Mai 26, 2020, 17:14:12 »
Ich glaube, es sind weniger die Reime, viel mehr der Charme der alten Sprache, die mich zu rühren wissen.
Aber auch die Ehrlichkeit und Herzlichkeit - in der zeitgenössischen Lyrik herrscht oft Gekünsteltsein.

In dem Faden werde ich die Tage Gedichte posten, die mir nahe gehen, welche aber ohne Reime auskommen.

Für mich persönlich ist der Widerspruch "moderne Lyrik" komprimiertes kreatives Schreiben.
Unter anderem gefallen mir auch Arbeiten von Marina Zwetajewa.

Das erste freiere Gedicht von Rilke in Reim und Metrum, den abstrakten Bruch stelle ich in kursiv dar, welchen ich als sehr interessant empfinde, aber kaum klanghaft:

Zwischen den Sternen, wie weit;
und doch, um wievieles noch weiter,
was man am Hiesigen lernt.
Einer, zum Beispiel, ein Kind...
und ein Nächster, ein Zweiter –,
o wie unfaßlich entfernt.
Schicksal, es mißt uns vielleicht
mit des Seienden Spanne,
daß es uns fremd erscheint;
denk, wieviel Spannen allein
vom Mädchen zum Manne,
wenn es ihn meidet und meint.
Alles ist weit –,
und nirgends schließt sich der Kreis.
Sieh in der Schüssel, auf heiter
bereitetem Tische,
seltsam der Fische Gesicht.
Fische sind stumm...,
meinte man einmal. Wer weiß?
Aber ist nicht am Ende ein Ort,
wo man das, was der Fische
Sprache wäre, ohne sie spricht.


« Letzte Änderung: Mai 26, 2020, 17:46:25 von Eisenvorhang »

Erich Kykal

Re: Probleme (mit) der (modernen) Lyrik
« Antwort #27 am: Mai 26, 2020, 18:29:07 »
Hi EV!

Bist du sicher, dass das ein gewollt reimloser Gedichtteil von Rilke ist, oder kann es sein, dass wir es hier mit einem seiner unfertigen Werke (Spätphase) zu tun haben? Er schrieb seine Werke oft erst mal so als Gedanken- und Sprachbildersammlung, um einen grundsätzlichen roten Faden zu entwerfen. Erst danach brachte er nach und nach alles in gereimte Form.
Ich halte es für möglich, dass dies eines seiner nie ganz Vollendeten ist, das nur teilweise endgefasst wurde, und im letzten Teil verblieb nur das Grundgerüst seiner Ideensammlung dafür.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.