Autor Thema: Vorschusslorbeer  (Gelesen 903 mal)

a.c.larin

Vorschusslorbeer
« am: Oktober 04, 2020, 10:11:19 »
Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben!
denkt mancher bang und lebt sein ganzes Leben,
als wär ihm jede Menge Zeit gegeben,
zu hinterfragen, prüfen und zu proben!

Als müsste jede Sache übel enden!
Voll Misstrau'n sieht er stets der Dinge Gang.
Er kontrolliert noch jeden Neuanfang  -
kein gutes Wort vorab hier zu verschwenden!

Doch: Wie es kommt - wer kann es letztlich wissen
von Anbeginn? Das Glück fliegt flüchtig fort!
Wer nur den Fehler sucht, sucht zwar beflissen,

doch Lebensfreude wird er bald vermissen,
sich selber des Genusses meist entrissen!
Ich lieb und lobe mir den Tag - und zwar sofort!


« Letzte Änderung: Oktober 04, 2020, 10:13:30 von a.c.larin »

hans beislschmidt

Re: Vorschusslorbeer
« Antwort #1 am: Oktober 04, 2020, 11:12:30 »
Liebe Larin,
Ich frage mich gerade, warum ich auf dein Werk so anspringe? Sicher, weil es mich in seiner Klarheit an den von mir geschätzten Erich Kästner erinnert, der nach aller Kritik stets ein Stück Lebensklugheit servierte. Das "vermissen" hätte ich zwar mit einem deutlicheren Reimwort garniert aber das hätte nicht zu dir gepasst  ;D ;D ;D
Schönen Sonntag, Gruß vom Hans
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

a.c.larin

Re: Vorschusslorbeer
« Antwort #2 am: Oktober 04, 2020, 11:28:20 »
hallo hans,

meintest du " die Lebensfreude wird sich ihm verpi**en"? 😁

das wäre durchaus auch eine möglichkeit  gewesen - aber weißt du, ich hab die erfahrung gemacht, dass gewisse pfui-ach-oje-achduschande-wörter  in diesem forum vom blechttrottel gleich mal auf "lieb"(wortwörtlich!) ausgebessert werden.

na , und wir wolln doch niemand zart besaiteten erschrecken?  zum glück versteht mans ja auch so!😉

ich finds immer gut, wenn schreiber so schreiben, dass leser (auch ohne angefügte 2-seitige erklärung) wissen, was gemeint ist.

das ist mir wohl geblieben aus meiner zeit als grundschulllehrerin.🤗

lg, larin
« Letzte Änderung: Oktober 04, 2020, 11:30:45 von a.c.larin »

hans beislschmidt

Re: Vorschusslorbeer
« Antwort #3 am: Oktober 04, 2020, 11:36:00 »
Hehe  .... es sprach die Mediatorin ... ::)
Meine Version wäre gewesen...
sich selber um Genuss zumeist beschissen!
Du wolltest es ja wissen ... hehe
Gruß vom Hans
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

a.c.larin

Re: Vorschusslorbeer
« Antwort #4 am: Oktober 04, 2020, 11:51:24 »
du hast mich durchschaut! 😁

Erich Kykal

Re: Vorschusslorbeer
« Antwort #5 am: Oktober 04, 2020, 12:43:24 »
Hi larin!

Wirklich (so-)nett!  ;) ;D

Ich schließe mich Hans' Kommi an und unterschreibe die dargebotene Lebensweisheit aus nur zu schmerzvoller eigener Erfahrung!  ::)

Ich weiß, ich hätte ein großer Künstler werden könnten, hätte ich nicht zuletzt den intensiven Zu- und Einredungen meiner Eltern von der brotlosen Kunst und deren Aufgabe zugunsten verbeamteter Einkommenssicherheit geglaubt und mich feige ihrem "sicheren" Lebensweg anheimgestellt. Sie meintes es gut, aber ich hatte mein Leben lang das Gefühl, innerlich abgebrochen zu sein, unvollendet, ungenutzt.
Ich redete mir immer ein, mich "später" zu verwirklichen, in der Freizeit, in den Ferien, in der Pension. Nach Schultagen und wochenlang in die Ferien hinein war ich dann aber zu abgeschlagen, zu ausgelaugt für Kreatives - der Beruf hat mir die Freude am Schaffen sukzessive ausgetrieben ...
Und mit den Jahren wurde der Wille dazu schwächer und schwächer, versandeten die großen Ideen, scheute meine Müdigkeit Aufwand und Unsicherheit. Ich beschied mich mit ein paar Gedichten ab und zu. Ein Maler und Bildhauer würde ich nicht mehr werden ...

Dein Gedicht hat mich sehr an mich erinnert, und an die wohlmeinenden, aber vernichtenden Einflüsterungen der Eltern, die sich eine größere Welt als die ihre nicht zu denken wagten und so auch mich davor ängstigten und klein machten, anstatt an mich zu glauben und mich zu ermutigen. Vergossene Milch ...

Über den robotischen Sittlichkeitswächter hier habe ich mich auch schon geärgert und, wie du weißt, sogar Gedichte dazu publiziert.

Tipp:

S3Z3 - "Wer nur den Fehler sucht, wirkt zwar beflissen," - für den Fall, dass auch dir die direkte Wortwiederholung von "sucht" nicht so recht gefallen mag ...

Sehr gern gelesen!  :)

LG, eKy

Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

a.c.larin

Re: Vorschusslorbeer
« Antwort #6 am: Oktober 04, 2020, 13:44:15 »
hallo erich,

das sprücherl von der "brotlosen kunst" kenne ich auch, bei mir wäre auch die psychologie  eine leidenschaft gewesen ( auch "nix richtiges" in den augen meines vaters.)

was er im blick hatte: vereinbarkeit von beruf und familie ( merke: für zweiteres ist frau zuständig! mit oder ohne job).
daher : grundschullehrerin werden! (wurde damals und wird auch heute noch gerne als "halbtagsjob" gesehen. ach herrje!🙄)

ich war auch so ein braves kind und folgte der väterlichen diktion. für mich kam mein papa gleich nach dem lieben gott (wenn nicht sogar vor ihm 🤗)-warum also hätte ich sein urteil anzweifeln sollen?

fazit: meine berufswahl hat so manches verunmöglicht, zu anderem aber enorm beigetragen. lernen findet überall statt!

so oder so hätte mich das eine oder andere lebensthema eingeholt - auf welchem wege auch immer. meine leidenschaften sind meine leidenschaften geblieben, meine möglichkeiten meine möglichkeiten - meine begrenzungen hätten mir aber da wie dort schranken gewiesen, nur jeweils in anderer ausformung.

letztlich war ich es ja, der den weg so ging - manche entscheidungen traf ich rechtzeitig, andere zu spät. wieder andere wurden mir auferlegt, ohne wahlmöglichkeit für mich.
auch damit lernt man zu eben.

ehrlich gesagt bin ich im augenblick sehr froh, kein hauptberuflicher künstler zu sein.
nicht in dieser zeit!
es hat halt alles seine vor- und nachteile...

über die doppelsuche denk ich noch nach , "wirkt" trifft es für mich von der bedeutung her nicht so recht....

danke auch dir fürs beschmökern!
lg, larin




hans beislschmidt

Re: Vorschusslorbeer
« Antwort #7 am: Oktober 04, 2020, 14:51:49 »
Sehr gut Larin, genau so ....
.
Offtopic ... Ich muss den elterlichen Ratschlägen beihalten Erich, weil ich die andere Seite, die des künstlerischen "Murenabgangs" sehr genau kenne - aus eigener Erfahrung, wie auch bei Freunden und Bekannten.

Es ist so, dass man sich die das Künstlerdasein viel zu verbrämt vorstellt

Allein die Vorstellung, dass nix zum Essen im Kühlschrank ist, ist den meisten gar nicht gegenwärtig. Finanzieller Erfolg stellt sich bei geschätzten 1% ein, der Rest krebst mit Privatschülern durchs Leben und merkt erst im Alter, was eine Lebensabsicherung überhaupt bedeutet.

Ich kenne so viele, die von der Hand in den Mund leben und die jetzt in der Coronakrise merken, dass sie und ihre Kunst plötzlich nichts wert sind. In Ö gibt's wenigstens 1200 € - pro Künstler, im Saarland gibt's leider föderalistische Hundsforze. Da liegen bei vielen die Nerven blank.

Erfolg bedeutet, neben einer finanziellen Vergütung auch die Wertschätzung des Publikums: - gesehen, gelesen oder gehört zu werden, doch ist es nicht so, dass du dich selbst entschieden hast in der Enklave der altmodischen Sprache zu schreiben? Welcher zeitgenössische Dichter kann sich dergleichen Luxus erlauben? T. Kling, W. Wondratschek? Nein, alle haben den Zeitgeist ausgeschöpft und waren Ikone der 68er Generation und da sucht man Sonette vergeblich.  Was ich sagen will, ist, dass derjenige, der einen künstlerischen Weg einschlägt, sich und die Kunst neu erfinden muss oder es seinem Publikum als solches verkaufen muss.

Wir aber wollen und müssen nix verkaufen und das ist das Positive daran, andererseits sollten wir uns dann auch nicht beschweren.

Gruß vom Hans
« Letzte Änderung: Oktober 04, 2020, 14:53:56 von hans beislschmidt »
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

Erich Kykal

Re: Vorschusslorbeer
« Antwort #8 am: Oktober 04, 2020, 19:37:04 »
Hi Hans!

Als ich davon sprach, dass ich ein Künstler hätte sein können, dachte ich nicht an jene Definition, die besagt, dass man davon leben können muss. Zum einen dachte ich natürlich automatisch, dass ich erfolgreich sein würde - die eigene Hybris wie üblich ..., aber ich definierte auch sonst den Begriff wirklich nie über die sich andienende Auslegung, sprich ein zahlendes Publikum gewinnen zu müssen, sich sozusagen intellektuell zu prostiuieren. Für mich bezeichnete der Ausdruck eigentlich immer den Zustand an sich, ohne die Untiefen der täglichen Brotfindung: Man IST ein Künstler oder eben nicht. Und als solcher habe ich mich in den Sparten Malerei und Plastik eben leider nie verwirklicht.

Aber klar: Wenn man davon als BERUF spricht - und nichts anders habe ich in meinem Kommi ja angedeutet - dann spielt auch der tatsächliche Verdienst eben eine Rolle, und eine nachgerade wortwörtlich lebenswichtige obendrein!

Ich muss zugeben: Der unkündbare Beamtenstatus hat in solchen Zeiten seine Vorteile, und ich hatte das Glück, zur letzten Generation zu gehören, die noch in den Genuss der Pragmatisierung kam, wie es in Österreich genannt wird! Das bedeutet: so lang ich meinen Job mache und nicht straffällig werde, bin ich unkündbar. Auch in der Zeit meiner Freistellung wegen Corona bekam ich jeden Monat pünktlich mein Gehalt.
Der Nachteil: Man bleibt ein Niemand, und niemand ist beeindruckt. Wenn man aber das Bedürfnis hat, zu beeindrucken, warum auch immer, dann mag Sicherheit allein zuweilen zu wenig sein.

Nun ja - wirklich durchweg glücklich ist wohl kaum einer mit seinem Lebensweg, und leider ist er zu kurz, um wirklich alles zu tun, was man tun könnte - oder wollen. Man hat Demut zu lernen, und den Mut zu klaren Gedanken.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

a.c.larin

Re: Vorschusslorbeer
« Antwort #9 am: Oktober 04, 2020, 20:31:11 »
hallo erich,

also, wenn  "jemanden beeindrucken"  das ziel deiner wünsche war, dann kann ich dir eins verraten: ruhm als künstler hätte dich nicht glücklich gemacht. für den moment ja, aber dieser moment ist flüchtig.
selbst wenn du es auf die ganz große bühne geschaffst hättest ( mit gedichten? selten bis nie - da müsste man schon die unterhaltungsschiene, witz , humor dazunehmen) - du gehst ab von der bühne und dahinter bist du allein!
wenn du dann nicht ein gutes soziales umfeld hast, das dich auffängt , einen guten psychologischen unterbau, der dich auch trägt, wenns mal nicht so läuft(das publikum ist launisch!) dann reißt dich der wechsel von bejubelt werden - einsam sein in stücke.
nehmen wir als beispiel falco. er war on top- ein weltstar. denkst du, dass er glücklich war?

jetzt wirst du sicher einwenden: ja , aber alle welt spricht von ihm.
mag sein - nur nützt ihm das jetzt gar nichts. er hat einen frühen tod gefunden. das findest du erstrebenswert?
du wirst sagen : er hat sich selbst gefunden, sich selbst verwirklicht!
stimmt . das hat er

aber das hast du auch: du hast 5 wunderschöne bücher geschrieben!
(da hast du mir schon mal was voraus)

und was , verflixt nochmal, hindert dich daran, zu bildhauern und zu malen. dein haus ist groß genug. nichts und niemand steht dir im wege! (außer vielleicht du dir selber - aber sowas lässt sich ändern 😉)

heute ist der erste tag vom rest deines lebens!
worauf wartest du noch?

ich leg dir jetzt mal ein kleines vorschusslorbeerblatt hin.....

lg, larin
« Letzte Änderung: Oktober 04, 2020, 20:34:13 von a.c.larin »

Erich Kykal

Re: Vorschusslorbeer
« Antwort #10 am: Oktober 04, 2020, 21:21:26 »
Hi larin!

Das weiß ich alles HEUTE - bloß nicht damals, als es mir so wichtig war. Ich weiß ja auch warum:

Weil ich, was die Anerkennung durch Gleichaltrige angeht, die für junge Menschen so eminent wichtig ist, um sich positiv zu definieren, damals in meiner Schulzeit immer zu kurz gekommen bin. Schmerzlich kurz, will sagen: Ich bekam (abgesehen von wenigen Einzelpersonen) nichts außer Unverständnis, Verachtung oder Gelächter. Ich WAR eine lächerliche, nicht gruppentaugliche Figur für jene, deren Meinung mir damals so wichtig war wie jedem Heranwachsenden in dieser Phase.
Dieses Defizit hat mich lebenslang begleitet, selbst als ich schon, gereift am Leben, geistig längst drüber weg war. Das Bedürfnis nach Bestätigung ist mir geblieben, und die unbewusste Angst, nichts wert zu sein, wenn ich sie nicht ständig erhalte. Daher meine Bedürftigkeit nach Bewunderung und Applaus, die ich offiziell natürlich verleugne, denn unbescheiden und selbstgefällig will ich ja nicht sein und wirken.

Es ist wie jede Sucht ... - eine Abhängigkeit von etwas, ohne das man besser dran wäre. Aber ich arbeite dran, wie schon die letzten 40 Jahre ...

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.