Beiträge anzeigen

Diese Sektion erlaubt es ihnen alle Beiträge dieses Mitglieds zu sehen. Beachten sie, dass sie nur solche Beiträge sehen können, zu denen sie auch Zugriffsrechte haben.


Themen - gummibaum

Seiten: 1 ... 5 6 [7] 8 9 ... 82
91
Verbrannte Erde / Grabesruh
« am: Februar 22, 2022, 12:00:45 »
Wenn ich im Bett bleib wie im Grab
und mich am langen Säumen weide,
von Stein und Sarg kaum unterscheide
und von Verwesung nicht, so mag

die Welt zerbrechen oder nicht. -           
Ich habe mich verpuppt in Träumen
und lausch dem Wuchs von Friedhofsbäumen
und fühl das Wurzelhaar, das dicht

um mich geflochten aus mir trinkt. -
Hoch oben will ich aus den Blättern 
entweichen, wenn in Bombenwettern,
was mich gebar, im Rauch versinkt…

92
Im Gras wispert Hoffnung / So eigen
« am: Februar 20, 2022, 23:27:06 »
Du bist so anders, als ich dich erschaffe,
um dir das Licht auf deinem Weg zu sein,
so dunkel wie ein Schatten, so als klaffe
ein Abgrund auf und risse dich hinein.

Doch manchmal, wenn die Trauer mich verdunkelt,
und ich wie Nacht um dich vergessend schweb,
ist mir, als ob ein Stern darinnen funkelt,
dem ich den Raum zum Selberleuchten geb…

93
Das Blöken der Lämmer / Ende einer Beziehung
« am: Februar 13, 2022, 16:48:28 »
Er biss mich zärtlich einst beim Schwimmen
im Teich. Ich nahm ihn mit nach Haus,
um Art und Gattung zu bestimmen
und ließ ihn dann nicht mehr hinaus.

Jetzt muss er mich sehr häufig beißen,
ich spende ihm so gerne Blut,
denn das Gefühl, wie er mit heißen
Gelüsten saugt, tut richtig gut.

Als könnte ich durchs Fenster schweben,
ist mir danach stets federleicht,
und er kann kaum den Kopf noch heben,
weil er dem satten Säugling gleicht.

Und doch, allmählich sinkt mein Pegel
an rotem Blutfarbstoff, ich fühl
mich so verwirrt, dass ich den Egel -
oh nein! im Klo hinunterspül…




94
Das Blöken der Lämmer / Winnerword
« am: Februar 11, 2022, 17:02:10 »
Bei einer Wörtermodenschau
sah ich die schönsten Kleider wallen,
ein Wort nur stand am Rande grau
und wollte niemandem gefallen.

Doch weil die andern nichts verband,
und sie sich suchend nur verloren, 
nahm es sie freundlich bei der Hand
und plötzlich war ein Satz geboren.

Wie tat er tiefen Sinn uns kund,
gestrickt aus all den Wörterroben,
und grau, doch froh sah ich das „und“
aufs Siegertreppchen hochgehoben…

95
Im Gras wispert Hoffnung / Wende
« am: Februar 10, 2022, 09:55:55 »
Noch steigt der Rauch von allen Dächern,
und doch, was wagt der Februar?
Er ist zum Magier geworden,
und winkt, das Hoffen aufzufächern,
die Wolken fort und eine Schar
von ersten Kranichen gen Norden.

Der Wald hält seinen Atem an.
Die Flechten und die Moose leuchten,
und nackte Bäume schämen sich.
Und ganz wie er bin ich im Bann
der Wende, und mit tränenfeuchten
und großen Augen sehn ich mich…


96
Wo Enzian und Freiheit ist / Populismus
« am: Februar 09, 2022, 14:16:45 »
Geschwollene Worte der großen Emphase
verbergen nicht selten ein törichtes Denken,
und sticht sie ein Witz aus, zerplatzt diese Blase,
um Lauschern nur Wörterkonfetti zu schenken.

Wo immer die Rede wie Talmischmuck funkelt,
ist darum verächtlich, wer kritisch bewitzelt,
und tauglich die Masse, die brüderlich schunkelt
und jeden, der argwöhnt, mit Eifer bespitzelt.

Und mancher, der spitz sprach, ist plötzlich verschwunden,
um peinlich befragt seinen Witz auszuhauchen.
Die anderen aber, die Stumpfheit bekunden,
die lassen sich fleißig als Werkzeug missbrauchen…

97
Das Blöken der Lämmer / Ende des Drills
« am: Februar 08, 2022, 20:39:52 »
Er schritt von einem Ich zum andern,
bewohnte jedes wie ein Haus,
hielt aber keines lange aus
und war gezwungen fortzuwandern.

Nach einer Zeit war er dann wieder
am Anfang, bei dem ersten Ich.
Es grinste, und er schämte sich
und ließ sich kaum mehr darin nieder.

Und immer schneller lief sein Leben
auf einer Kreisbahn wie ein Drill
und stand dank Wiederholung still. -
Er hat es deshalb weggegeben…


98
Das Blöken der Lämmer / Der digitale Schüler
« am: Februar 04, 2022, 01:01:51 »
Als sie noch Gehirne hatten,
ging ihr Lernerfolg oft baden.
Kraniale Speicherplatten
lassen sich viel leichter laden.

Nichts mehr sickert ins Vergessen
oder scheitert am Verweigern.
Maschinelles Faktenfressen
lässt sich ohne Grenze steigern.

Keine Skrupel mehr durchs Denken,
keine Angst vor den Zensuren.
Willig lässt sich jeder lenken
und genießt, auf Klick zu spuren...

99
Verbrannte Erde / Lenz
« am: Februar 01, 2022, 22:42:55 »
Noch etwas Schnee liegt hoch im Wald.
Der Weg ist schlammig und verlassen.
Ein junger Dichter nur sucht Halt
im Stolpern durch die Wolkenmassen.

Wie plump und leer die Welt, wie tot!
Er möchte sie mit Fäusten schlagen,
und wenn sie nicht erwacht, zur Not
sich mordend in die Hölle jagen.

Da, plötzlich reißt ein scharfer Wind
den Nebel fort und lässt ihn Auen,
ein kleines Dorf am Hang und lind
den lichten, blauen Himmel schauen.

Und alles wirklich, greifbar, nah!
Er wirft sich jubelnd auf die Erde:
„Geliebter Gott, jetzt bist du da!“,
und eilt, dass davon Kunde werde.
 
Schon bald im Dorf. Im Abendschein
sieht er durch Fenster die Gesichter
so tröstlich fromm, und kehrt dort ein
und lacht, und alles lauscht dem Dichter.

Doch nachts allein im stillen Haus
verätzt ihm Angst des Himmels Gnaden.         
Sein Lärmen treibt das Volk hinaus.
Man sieht ihn wirr im Brunnen baden…


Nach G. Büchners/J.F. Oberlins Erzählung über J.M.R. Lenz
 


100
Wo Enzian und Freiheit ist / Mein Bett
« am: Januar 29, 2022, 12:22:23 »
Mein Bett aus Holz war einst ein Baum,
und manchmal spricht es nachts im Traum,
und lieg ich wach, um ihm zu lauschen,
so hör ich plötzlich Blätter rauschen

und fühle, wie der Wind mich wiegt,
und meinen Stamm zum Nächsten biegt,
wie unsre Kronen sich durchdringen
und Vögel in den Zweigen singen.

Dann ist der Wald aus tiefer Nacht
um mich zum hellsten Tag erwacht,
Die Luft ist lau, die Erde funkelt,
doch seltsam wird sie nun verdunkelt:

Es kreischt an meinem Stamm, es brennt,
weil eine Säge ihn durchtrennt,
ich schwanke, falle, große Räume
verwandeln sich in Fieberträume.

Nun lieg ich hier. Ist es noch Wald? -
Mir wird in meinem Zimmer kalt 
im warmen Bett, und seine Kissen
belagern fragend mein Gewissen…

101
Im Gras wispert Hoffnung / Hoffnung
« am: Januar 25, 2022, 20:12:37 »
Im feuchten Laub ein Birkenstamm.
Es hängt daran noch etwas Rinde.
Das blanke Holz zerbröselt klamm
in einer losen, weißen Binde.

Doch dieses Weiß macht alles licht,
was scheidend sich ins Dunkel wendet.
Ich pflück es mir, weiß ich doch nicht,
ob meine Zeit einmal so endet…

102
Zwischen Rosen und Romantik / Ein Gleiches
« am: Januar 23, 2022, 15:41:34 »
Die Hügelkuppe liegt im Wald
und ist in Nebelgrau gesponnen,
der Weg ist feucht, der Tag ist kalt,
doch etwas spricht von nahen Sonnen.

Sind es der Tisch und die zwei Bänke,
die ihm so treu zur Seite stehn,
dass ich an unsre Liebe denke,
die wir in unsrer Mitte sehn?…

103
Verbrannte Erde / Am Rand
« am: Januar 23, 2022, 14:44:13 »
Ich merke, wie sie ohne Halt verschwinden,
Gedanken, die ich eben erst gedacht.
Ihr Funkenflug erlischt in weiter Nacht,
und was er trug, lässt sich nicht wiederfinden.

Ich spüre, wie sie dämmern und erblinden,
Gefühle, bunt und reich in mir erwacht. 
Ihr Farbenspiel ist in ein Grau verflacht,
und wie verwischt von regenfeuchten Winden.

Was ich erinnern will, ist fortgegangen
und ließ nur leere Räume mir zurück.
In ihrem dunklen Labyrinth gefangen,

bin ich ein Irrender, und was ich pflück
noch hastig in den Nebeln, aus Verlangen
zu fassen und halten, bringt kein Glück…


 

104
Wo Enzian und Freiheit ist / Der Kreis
« am: Januar 18, 2022, 21:36:04 »
Wie fühle ich mich neu geboren
in eurem Kreis durch Blick und Wort.
Mir sprudeln Quellen immerfort
und öffnen meinem Herz die Poren.

Sobald ich euren Kreis verlasse,
versiegen sie, und einsam schrumpft
mein Herz, und traurig abgestumpft
begrab ich es in dunkler Masse…

105
Verbrannte Erde / Wechsel des Verstecks
« am: Januar 17, 2022, 03:41:55 »
Die letzte Nacht in feuchter Todeszelle.
Am Morgen vor der Mündung an der Wand.
Wir sterben schon vor Angst, und der Verstand
erstickt das Denken wie in dunkler Welle.

Ich höre einen der Gefährten beten,
es stinkt nach kaltem Schweiß und nach Urin.
Dann Stiefel, und mein Name wird geschrien.
Ich werde in den Hof hinaus getreten.

Sie wollen mich ein letztes Mal verhören:
„Wo hält sich euer Kommandant versteckt?“
Ich lüge unbeirrt und wohl bezweckt.           

Doch seltsam ist, dass sie sich nicht empören.
Entlassen hör ich später Zeugen schwören:
„Sie haben ihn tatsächlich dort entdeckt…“


Seiten: 1 ... 5 6 [7] 8 9 ... 82