Die Schicksale von Menschen "mitzuerleben", die ich nur virtuell "kenne" und höchstens einen Teil von ihnen über ihre Gedichte erspüren kann, ist eine Erfahrung für mich, die ich noch nicht wirklich einordnen kann, die mich aber sehr betroffen macht.
Cyparis ist schwer krank, Pitti hat geheiratet und strahlt, Letreo feiert ihren Geburtstag...und Ingo ist gestorben....
Als Ingo - für mich nur ein Name, Gedichte, ein Foto....damals schrieb, er habe unheilbaren Krebs und müsse jetzt ins Krankenhaus, entstand unter dem Eindruck dieser Mitteilung mein Gedicht "Neue Wege". Ich habe es ihm nicht gewidmet, das wäre mir einfach zu distanzlos erschienen, aber es war als Zuversichts- und Kraftgedicht für ihn gedacht...wie naiv....als hätten Worte (noch dazu einer Fremden) irgendeine Bedeutung...wie naiv...
Und nun?...ich denke an seine Familie und seine Freunde, die um ihn trauern und das macht mich wohl deshalb traurig, weil es mich an meine eigenen Verluste erinnert und es macht mir Angst vor dem Leid, das in diesem Leben noch auf mich zukommen wird - und das mit Sicherheit...und ich frage mich wieder einmal: Wie geht man damit um? Wohl jeder auf seine Weise. Und ich frage mich auch, wie sich "Annehmen", "Vertrauen" und im "hier und jetzt leben", wohl anfühlen würden, wenn das nicht bloß Worte wären, an die sich unser Verstand festklammert, sondern ein echtes Fühlen. Das Wort ist nicht das Ding...
So meisterlich, humorvoll und leicht wie Ingo kann ich ich es leider nicht, aber es kommt von Herzen. Seine Marrakeschiaden zählen zu meinem Lieblingsgedichten.
In Marrakesch im Orient es hieß,
da stünde dieser große Baum
- in Wien nennt man ihn Buche -
im Garten hinterm Platz el Fna,
da tanze Ingo Walzer mit der Eva.
Die Schlange klappre oder fluche,
denn dort sei - man glaubt es kaum
in Marrakesch im Orient - das Paradies.