Autor Thema: Selbstverbrennung  (Gelesen 1245 mal)

Erich Kykal

Selbstverbrennung
« am: Juni 04, 2019, 18:33:54 »
Die Frau betrat sich selbst und wusch die Laken,
und wechselte im Kopfe die Tapeten,
doch alte Sünden kamen ungebeten,
und hängten Hüte an gewohnte Haken.

Die Frau ging tief in sich, bis in den Keller,
und legte Feuer an ihr Schuldgebäude,
besah die Flammen in verschämter Freude
und lief davon – jedoch der Brand war schneller!

Die Frau sitzt heute still und starrt ins Leere,
und mancher noch beneidet sie darum,
der wünschte so wie sie zuvor, dass stumm
der Innenraum mit all den Stimmen wäre.
« Letzte Änderung: Juli 27, 2022, 11:51:47 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Selbstverbrennung
« Antwort #1 am: August 13, 2019, 10:33:06 »
Hi eKy!
Da entdecke ich eine richtige lyrische Perle und wundere mich, dass dieses gedankenreiche, wunderbar gefügte und originelle ("schöne" will man angesichts des traurigen Themas nicht so recht schreiben) Gedicht noch nicht kommentiert wurde. Überfordert es den Leser? Oder ist es einfach durchgerutscht?
Auf alle Fälle ein Gedicht, dass ich noch mehrmals lesen werde! Ein ganz und gar ungewöhnlicher Ton, der späte Rilkeklänge mit einem Schuss Kästner würzt.
Sehr sehr gern gelesen!
S.

Erich Kykal

Re: Selbstverbrennung
« Antwort #2 am: August 13, 2019, 11:15:37 »
Hi Suf!

Vielen Dank für die kundigen Gedanken!

In letzter Zeit sind erstaunlich viele meiner Werke unkommentiert "durchgerutscht" - man nimmt mich wohl schon für selbstverständlich ...

Um ehrlich zu sein - ich hatte bis vor ca. einem Monat eine sehr lange uninspirierte lyrische Durststrecke. Es mag sein, dass man sich daran gewöhnt hatte und gar nichts mehr von mir erwartet hat. Zumindest nicht so viel in so kurzer Zeit.

Ich bin froh und dankbar, dass diese Arbeiten doch langsam bemerkt zu werden scheinen!  :)

LG, eKy

Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Selbstverbrennung
« Antwort #3 am: August 13, 2019, 11:18:43 »
Ich glaube nicht, dass hinter der Kommentarfaulheit (meiner eingeschlossen) viel mehr steckt als Sommerträgheit... wenn es so heißt ist, fällt mir zumindest einfach nix Gescheites ein... der Herbst wird also hoffentlich kühler und produktiver! :)

Erich Kykal

Re: Selbstverbrennung
« Antwort #4 am: August 13, 2019, 11:44:11 »
Hi Suf!

Ich hinwiederum glaube nicht, dass es am Wetter liegt. Ich konstatiere eine allgemeine lyrische Flaute in den Foren: wenige Autoren sind aktiv, noch weniger davon wirklich gute, und kaum eine Hand voll kommentiert überhaupt noch andere.

Dass in unserer prosaisierten Epoche die Dichtkunst  - gerade die klassische - einen megaschweren Stand hat, war mir schon immer klar, aber dass neuerdings selbst in den ureigenen Foren nichts mehr los ist, überrascht mich doch negativ, und ich verstehe es auch nicht.
Handelt es sich um eine natürliche Schwankung, oder stirbt die hohe Kunst der Sprachmagie demnächst gänzlich aus?

Traurige Zeiten für akklamationsabhängige Poeten!  ::) :-[

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Martin Römer

  • Gast
Re: Selbstverbrennung
« Antwort #5 am: August 13, 2019, 12:50:15 »
...... ich hatte es gelesen damals, wie auch die wirkliche Kostbarkeit
"....sich für dich aufzugeben.".

Aber nicht immer gehen mir auch die Worte einfach über die Lippen
oder die Stimmung ist zu melancholisch.
Eigentlich ist das Thema Romantik bei unsern Hintergründen ja doch sehr diskussionswürdig,
aber im Augenblick ermangele ich des rechten Impetus.

Gewisserweise komisch:
der unberührbare Eremit beklagt die seelische Eiszeit?
Klar, dass der Jüngling wider das Dekadente sofort aus seinem Loch springt.....
Aber ich hatte ja angemerkt schon vor paar Tagen: außer alter Weiber Aggression nichts los.
Eine echte Schweuuuhnerei fürwahr, Frust aus stalinistischen Verhältnissen.

Die hohe Kunst der Sprache verknüpfe ich zuvörderst mit einem kultivierten Geist.
Wir sind ganz einfach gestrandet.....
Prosaisiertes Zeitalter? Der Durchschnittspsychopath von Heute ist doch kaum mehr in der Lage,
einen sinnvollen Satz jenseits journalistischen Niveaus zu notieren.

Es ist dem Menschen nicht gegeben, sich aufzuteilen. "Die SMS hat ja nur den Zweck".....
Alles ist jetzt tot und faul und krank - so ist es die Realität.
Verborgene Sehnsüchte reden mir von Gosse und Schlacht.... - also das, was eigentlich das thematische Material bedeuten würde.
Leider nicht der singuläre Zustand, der mich auf gelinde Weise zur wandelnden Leiche werden lässt.

Nicht in der Zeit von Verwahrlosung, sondern in der Zeit von Verwildung befindet sich unsereins
und jene vollzieht sich in mondscheinvoller Blässe.
Oder, auf Deutsch: Psychopathie, verzuckert und nobel gemacht.

Neulich hat sich ja Sufnus echauffiert über die Verquickung der Zerrottung von Umwelt und Mensch.
Da sind wir diesmal nicht d'accord - ich finde das durchaus passend.......
Die Verrottung ist geschehen, das "Bombastische" mit den modernen Ideen ist bloß ein Gezucke
und alle vernünftigen Augen schauen auf das letzte "Wie?"......


Wir werden uns noch für einige Zeit treu bleiben, spricht mein fester Glaube!
Ich habe so eine seltsame Tugend in mir.....
Standhaft. Augen für das Eine. Usw....


Dies sei mein Wort dazu - empfange meinen Gruß!
M.



gummibaum

Re: Selbstverbrennung
« Antwort #6 am: August 13, 2019, 14:54:36 »
Lieber Erich,

die Seele als kontaminiertes Haus zu gestalten, das man betritt und vergeblich zu reinigen versucht, finde ich mehr als originell, zumal dies Bild hier gekonnt zur nächsten Stufe der rigorosen Flammendesinfektion weiterleitet, die nun schicksalhaft in Branntstiftung, innere Selbstverbrennung und seelische Auslöschung umschlägt. Indem der Erzähler nicht moralisierst, sondern nur davon berichtet, dass eine allgemeine Moral das düstere Geschehen noch gutheißt, muss der Leser wohl Stellung beziehen.

Sehr gern gelesen. Chapeau
gummibaum

Erich Kykal

Re: Selbstverbrennung
« Antwort #7 am: August 13, 2019, 22:45:07 »
Hi Martin!

Du gehst in deinem Kommi auf meinen Kommi darüber ein, nicht auf das Gedicht. Ist okay, auch wenn die ersten beiden Zeilen deines Textes sich scheinbar auf ein anderes meiner Werke beziehen - was mich hier doch etwas verwirrt hat (aber das können deine oft sehr schwierig zu lesenden Satzgirlanden ja immer gut!  ;)).


Hi Gum!

Das Bild ist mir so zugeflogen ...

Das, was zuletzt das Geschehen gutheißt (eigentlich: sich auch nach Vergessen sehnt, weil selbst belastet), ist aber nicht eine allgemeine Moral, sondern nur das LyrIch des Erzählenden, der es bloß etwas allgemein formuliert, weil er davon ausgeht, nicht der einzige zu sein, dem es so ergeht ...  ;)


Vielen Dank für eure Gedanken!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Martin Römer

  • Gast
Re: Selbstverbrennung
« Antwort #8 am: August 14, 2019, 05:34:58 »
Guten Morgen, guter Erich!

was mich hier doch etwas verwirrt hat
hmmhmhm?? "Ich hatte es (dies hier) gelesen, wie auch..... das andere, das ich ebenfalls unkommentiert ließ",
nein, das kann unverständlich nicht sein.

Ist das der schroffe Wind eines Siebentausenders? ;)
Schau doch doch nur die neuste Deutung über die Entjungferungsverse -
ich war nicht bestürzt, aber ich war doch ein wenig komisch berührt.....

Du möchtest mich doch nicht in Schlamassel reinreiten!
Von d i e s e n Zeilen hier bin ich vielleicht im Geheimen zu sehr verwundet oder dergleichen
für die Möglichkeit angemessener Kommentierung.
Es hat ja schon fast einen psychiatrischen Hauch: betrat sich selbst, der Brand war schneller etc.
Vielleicht höchstens die Moral: kindliche Lösungswege machen das Verderben nur noch tosender.
Aber dieser Rahmen der Sünden und Schuld.....  :-\
Die malträtierenden Stimmen endlich fort. Wer wünscht sich das nicht.


Nochmals: guten Morgen!
Das Kindchen der großen Lady Annelies (ahmt natürlich alles nach....!  :D)

Sufnus

Re: Selbstverbrennung
« Antwort #9 am: August 14, 2019, 11:08:24 »
Neulich hat sich ja Sufnus echauffiert über die Verquickung der Zerrottung von Umwelt und Mensch.
Da sind wir diesmal nicht d'accord - ich finde das durchaus passend.......
Die Verrottung ist geschehen, das "Bombastische" mit den modernen Ideen ist bloß ein Gezucke
und alle vernünftigen Augen schauen auf das letzte "Wie?"......

Hi Martin! :)

Ich will nicht allzusehr von eKys Gedicht abschweifen, aber Dein Bezug auf die Vermischung von menschlicher Zerrottung (gut gegeben!) und Umwelt - also der Ruin von innerer und äußerer Welt (das eine bedingt tatsächlich das andere) - passt ja gar nicht so schlecht auch zu diesem Gedicht von eKy, wenn auch der Kontext etwas anders gesetzt ist. Ich glaube, Du und ich sind da gar nicht so weit auseinander. :)
Ein mögliches Problem sehe ich darin, wenn (ich rede wahrlich nicht von Dir!) manche Menschen ihre Empörung als Ventil benutzen und dann - emotional entleert - wieder in Passivität verfallen.
Das andere, zur Zeit gesellschaftlich sogar gravierendere, Problem ist, wenn sich Empörung mit Hilflosigkeit paart und eine Abwärtsspirale der Destruktivität entsteht. Wer sich über die Verhältnisse empört, aber vor den großen Problemen zurückscheut oder sie nicht erfassen kann, sucht sich leicht einfachere Opfer, um seine Aggression loszuwerden. Die Zweitschwächsten (Harz-IV-Empfänger) gehen dann auf die Schwächsten (Flüchtlinge) los und die wahren Sozialschmarotzer, nämlich die obszön gewinnfixierten Superreichen, können ihr Glück kaum fassen.
Jetzt bin ich doch etwas vom Thema abgekommen...
LG & nichts für ungut, eKy!
S.

Martin Römer

  • Gast
Re: Selbstverbrennung
« Antwort #10 am: August 14, 2019, 13:24:51 »
Hallo, mein Guter....

Ich habe nochmals geschaut, die Verquickung drehte sich um Islamfaschismus und Klimawandel.

Ich meine das Große, das Ungeheure: die Welten versinken, die Welten gehen unter.
Kein Grund, schamvoll zu sein und sich damit wiederum neues Leiden anzutun:
Auflösung aller Prinzipien, Auflösung sämtlicher Gesetze und Sitten, meine Tante und das Gehirn, die fünfzig Ärzte, Tier-Mensch-Mischwesen aus Japan, Japan sowieso, Roboter, Digitalisierung, Virtualisierung, Bevölkerungsexplosion und so weiter.

Die Koranseuche ist gegen diese Barbarei eigentlich als wohlschmeckender zu interpretieren, denn dieser Brutalität wohnen wenigstens noch Bild und Willensstärke inne.

Es ist sozusagen der "Schleim", der als Massensterben mit der Natur vergehen möge.
Lady Annelies verkündete niemals Bedauern darüber: ob des Menschen Aggressivität.
Mein angefügter Grund ist sicher süßer.

Schön, wenn wir uns da einig sind.
So haben sich also die ehrenwerten Fische im Aquarium der Nazi-Zeit gefühlt.

Ich bin nicht besonders bewandert über das, was du aus gesellschaftlichen Kreisen anbringst.
Emotional gesteuerte Kleingeister sind insbesondere in der Machtposition grauslich, das weiß jedes Kind.
Abwärtsspirale.... mir bleibt hier nur ein laues Wort: der Mensch ist doch immerzu von Abgründen umgeben!.....
Die Superreichen machen selbstverständlich Gram.
Ich versuche, mich wider die Hilflosigkeit zu stemmen.
Verborgene Rachegefühle gehören nicht zu meinem Wesen, ja.

Vom Thema abkommen...... wir wollen uns nicht allzu steif gebärden!
Sondern die Fäden sollen glühen, die Fäden sollen platzen. Momentan ist doch alles welk und kindlich genug.
Lady Annelieses grinsendes Gesicht, als das Thema zu musikalischen Genüßen kam
und das bei ihren vielen Plagen und bei ihrer schweren Krankheit: da wird mir immer noch ganz warm ums Herz.
Aber nicht alles auf einmal: mit Weltuntergängen, mit Politischem, mit Zärtlichkeit
und diesen Zeilen über ein in der Anlage bloß als weiblich beschriebenes Subjekt, das im eigenen Unbehagen wühlt und wallt.
Wir werden schon zu freudenreichen Plauderrunden finden, ich bins gewiss.


Sonnenschein und Grüße dir
M.

Sufnus

Re: Selbstverbrennung
« Antwort #11 am: August 14, 2019, 13:49:43 »
Vielen Dank für Deine Erläuterungen, guter Admiral! :)
Ich denke auch, eine vorsichtige thematische Abschweifung ist statthaft und macht das Spielbein locker zum Tanze. :)
Einzig bei der - Du schreibst das sehr schön! - Koranseuche bin ich starrer: Brutalität gewiss. Willensstärke wohl auch. Aber kein Bild, nirgends. Nur Geistlosigkeit: Die Köpfe dieser selbstgefälligen Angeber sind implodierende Hohlkugeln, mühsam von einer ganz dünnen Schicht Hass in Form gehalten; wo sie keine Angst verbreiten können, ist die pure Hilflosigkeit.
Liebe Grüße!:)
S.

Martin Römer

  • Gast
Re: Selbstverbrennung
« Antwort #12 am: August 14, 2019, 21:23:42 »
Ja, so sind heuer die intellektuellen Angelegenheiten beschaffen....
Bei diesem speziellen Vergleich würde bspw. dieses Alexa-Dingens die schön aufgeschriebene Koransure n i c h t "vernebeln"...?
Nun gut, es gibt immer wieder neue Kronjuwelen des Wahnsinns.

Auf das beidseitige Hohlsein kann man sich verständigen.
Der IS ist meines Wissens zumindest an der Oberfläche dahin, die Erzeugung eines neuen Menschenwesens wird dagegen von Geisteskranken ohne erkennbares Gewand ekstatisch vorangepeitscht.

Für heut genug des Kopfabschneidertums!....
Schönen Abend!