Autor Thema: Seltsam  (Gelesen 497 mal)

gummibaum

Seltsam
« am: Mai 04, 2021, 12:29:11 »
Am Boden ruht ein Birkenstamm,
und wie ein großes Schneckenhaus
ragt, magisch schön und hart und stramm,
die Holzgeschwulst aus ihm heraus.

Ist Krankheit, die zum Tode führt,
der Grund, dass ein Symptom entsteht,
das jenen wie ein Kunstwerk ziert,
der leidet und zugrunde geht…?

Erich Kykal

Re: Seltsam
« Antwort #1 am: Mai 04, 2021, 13:27:06 »
Hi Gum!

Schön bedichtet! Auch ich habe schon oft im Wald solche Bäume gesehen, meist noch stehend. Diese "Baumtumore" muten oft wie magisch an, seltsam und ungewöhnlich, verführen sie das Auge zum Staunen und schicken den Geist auf Wanderschaft. Vielleicht muten sie gerade darum wie Kunst an, wie eine moderne Skulptur - sozusagen "unnatürlich natürliche" Kunst.

Und natürlich liegt das Gleichnis zum menschlichen Krebs nahe - wer könnte die Parallele nicht wahrnehmen!?

Sehr gern gelesen!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Seltsam
« Antwort #2 am: Mai 04, 2021, 17:11:13 »
Genau, Erich,

ich finde sie auch beeindruckend, interessant und zum Denken anregend.

Gruß von gummibaum

Sufnus

Re: Seltsam
« Antwort #3 am: Mai 10, 2021, 16:29:52 »
Lieber gum,

sehr beeindruckend und gleichzeitig auch anrührend, Deine Verdichtung eines von einem sogenannten "Baumkrebs" befallenen Birkenstamms. Ob wohl der Tumor schuld am Absterben der Birke war? Solche Fälle gibt es.
Dem Laien drängt sich da die Frage auf, ob wohl auch Bäume (oder andere Pflanzen) "Krebs" bekommen können. Die Antwort ist ein klares "jein" mit Tendenz zum "nein".
Tatsächlich finden sich in Pflanzentumoren Hinweise für die Umwandlung ("Dedifferenzierung") von vermehrungsinaktiven Pflanzenzellen in sich vermehrende sogenannte Stammzellen (das hat nichts mit Stamm = Baumstamm zu tun, sondern meint Zellen, die als "Ersatzzellen" fungieren, um im Falle einer Wunde durch vermehrte Zellteilung die entstandene "Lücke" zu schließen). Solche Stammzellen, die sich u. a. durch ihre hohe Zellteilungsfähigkeit auszeichnen, sind auch eine typisches Element in einer Krebsgeschwulst bei einem tierischen Organismus. Weiterhin zeigen auch Pfanzentumoren das Phänomen der Einsprossung von Pflanzengefäßen, also kleinen röhrenartigen Strukturen, die der Nährstoffversorung des Pflanzengewebes dienen, ganz ähnlich unseren Blutgefäßen. Auch hier gibt es eine Parallele zu Krebserkrankungen in tierischen Organismen, bei denen die Neubildung von Blutgefäßen ein wesentliches Element für die Nährstoffversorgung des Tumors darstellt.

Es gibt aber auch zwei ganz wesentliche Unterschiede zwischen Pflanzentumoren und Krebs bei Tieren:
1. In Pflanzentumoren hat man bis jetzt kein Äquivalent für die in tierischem Krebsgewebe typischen Mutationen in sogenannten Onkogenen oder Tumorsuppressorgenen gefunden. In tierischen Krebszellen sind solche Mutationen, also Veränderungen der DNA der jeweiligen Zelle, ganz typisch und definieren auch, welche Art von Tumor sich aus der betroffenen Zelle bildet. Die Tatsache, dass die Bildung von Tumoren in Tieren ihren Ausgangspunkt typischerweise bei Veränderungen der DNA nimmt, erklärt auch, warum äußere Einflüsse, die zu einer DNA-Schädigung führen können (z. B. DNA-schädigende Substanzen im Tabakrauch oder die Exposition gegenüber radioaktiver oder UV-Strahlung) das Auftreten von Krebs u. U. begünstigen. Bei Pflanzen scheint dies so nicht aufzutreten. Warum ist letztlich noch etwas unklar. Vielleicht haben wir einfach noch nicht nach den "richtigen" Mutationen in Pflanzen gesucht, die hier relevant sind.
2. Pflanzentumore metastasieren nicht. Das ist ein fundamentaler Unterschied zu Krebs bei Tieren. Hier ist die Fähigkeit zur Metastasierung das entscheidende Kriterium, das die Erkrankung potentiell gefährlich macht, weil sogenannte Fernmetastasen sich an vielen Stellen des Körper ausbreiten können und so zahlreiche wichtige Organe in Mitleidenschaft zu ziehen vermögen. Die Unfähigkeit von Pflanzentumorzellen zur Metastasierung hängt vielleicht mit der starren Zellwand zusammen. Pflanzenzellen gleichen einem Ritter in einer gewaltigen Rüstung und sind entsprechend unbeweglich - vielleicht ist das ein gewisser Schutz vor der Ausbreitung von Metastasen. Vielleicht hat es aber auch Gründe, die mit dem anders gearteten Immunsystem von Pflanzen und Tieren zu tun haben.

Summasummarum sind Tumore in Pflanzen "ungefährlicher" für den Gesamtorganismus als Krebsgeschwulste in Tieren, jedoch kann es schon einmal vorkommen, dass ein Pflanzentumor so gewaltige Ausmaße annimmt, dass er die Pflanze mechanisch instabil macht und ein befallener Baumstamm z. B. in einem Sturm geknickt wird oder dass ein Pflanzentumor sekundär von Pilzen oder anderen Pflanzenparasiten besiedelt wird, die dann die Pflanze zum Absterben bringen.

Spannendes Thema... und... große Rolle zurück zum Gedicht: Sehr schöne Verse, lieber gum! :)

LG!

S.

gummibaum

Re: Seltsam
« Antwort #4 am: Mai 11, 2021, 13:02:16 »
Lieber Sufnus,

ich habe "Geschwulst" geschrieben, um mich nicht über den äußerlichen Eindruck hinaus festzulegen. Sie mit dem Tod in Verbindung zu bringen, war natürlich heikel. Daher ist deine Information über Tumoren hier wichtig und ich habe sie mit Interesse und Gewinn gelesen.

Vielen Dank.

Beste Grüße von gummibaum     

Agneta

  • Gast
Re: Seltsam
« Antwort #5 am: Mai 11, 2021, 18:36:49 »
ich denke, lieber Gum, wir sind doch viel mehr mit der Natur verbunden als wie es uns klarmachen. darum berührt uns dieser "Baumtumor" so. LG von Agneta

gummibaum

Re: Seltsam
« Antwort #6 am: Mai 13, 2021, 13:02:52 »
Ja, liebe Agneta.

Das macht die Identifikation verständlich. Danke.

Dir einen schönen Tag.

Grüße von g