Hi gum!
Ich hab nochmal genauer nachgedacht.
Ich glaube in Fällen, bei denen das "wenn" im Sinne von "falls" (also in konditionalem Sinn) gebraucht wird, sollte der "wenn-Satz", der die Bedingung oder Voraussetzung enthält, normalerweise, wie oben bereits ausgeführt, im gleichen Modus stehen wie der "dann-Satz", der die Folge beschreibt:
"Wenn ich den Schlüssel nicht verloren hätte, dann stünde ich nicht so blöd vor der verschlossenen Tür."
und nicht:
"Wenn ich... verloren hätte, dann stehe (oder stand etc.) ich usw..."
ABER:
Bei Deiner Konstruktion ist es dann doch noch etwas komplexer. Der "dann-Satz" steht ja hier vor dem "wenn-Satz" (was erstmal egal ist) und (das ist jetzt der springende Punkt) besteht wiederum aus einem Mini-Satzgefüge: "Im Traum ist mir" und "als ob mein Geist ihn fände". Hierbei wird ja der Konjunktiv II nur im zweiten Teil verwwendet, denn "Im Traum ist mir" steht offensichtlich im Indikativ. Eine Satzperiode, bei der "Im Traum ist mir" sich auf "wenn groß ein Mond usw." bezieht ist voll ok, weil hier ja in beiden Fällen der Indikativ benutzt wird. Auch das beigeordnete "und etwas Unbegreifliches geschieht" ist insofern ok (allerdings dürfte dann vor dem "und" kein Komma stehen), indem es eine Erweiterung des "wenn groß ein Mond usw."-Konditionalsatzes ist.
Die Probleme stellen sich also m. E. erst dadurch ein, dass dann nochmal ein zweiter Konditionalsatz im Konjunktiv II folgt mit der letzten Zeile "wenn sich der Sinn usw." Diesen Konditionalsatz kann man aufgrund der Parallelkonstruktion kaum anders lesen, als eine Ergänzung zum ersten Konditionalsatz im Indikativ. Er müsste aber, damit es grammatisch korrekt ist, als Konditionalsatz zu dem von "Im Taum ist mir" abhängigen Konjunktiv II in S2Z1, also dem "als ob mein Geist in fände" gelesen werden. Und das wiederum würde bedeuten, dass wir ein Satzgeflecht hätten in der Reihung A-B-C+D-E, bei dem sich C+D (die beigeordneten Gedanken in S2Z2+3) auf A (im Traum ist mir) rückbeziehen und E (S2Z4) auf B rekurriert. Ich denke, im Lateinischen könnte man solche vetrackten Durcheinanderbezüge basteln, aber im Deutschen ist das vielleicht grammatisch im weitesten Sinne noch "erlaubt" aber doch gar zu komplex verschachtelt.
Mein erster Einwand in meinem Beitrag vorne dran war also zu ungenau, aber grundsätzlich ist die Satzreihung in S2 m. E. tatsächlich so stark "verknotet", dass das nicht so richtig trägt.
Vorschlag daher:
Im Traum ist mir, als ob mein Geist ihn fände,
wenn groß ein Mond das Meer beiseite zieht
und etwas Unbegreifliches geschieht.
Jetzt könnte man in S2Z4 ganz neu ansetzen und das schöne Bild, dass die Ebbe einen Sinn-Schatz freilegt, abrunden. Die "wenn sich der Sinn usw."-Zeile in S2Z4, die für das ganze Konjunktiv-II-Schlamassel verantwortlich ist, findet eh keinen so richtigen Anschluss an die stimmungsvolle Szenerie, die in den Zeilen davor anmoderiert wurde. "Fände" ist zwar nicht das allereinfachste Reimwort, aber da finden sich sicherlich korrespondierende Wörtchen für die Verklammerung.
LG!
S.